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Ich möchte nie mehr feige sein – Rupert Neudeck im Interview

rupert_neudeckVon diesem Vorsatz getrieben, war der Danziger Rupert Neudeck, Jahrgang 1939, immer an vorderster Front zur Stelle, wenn es darum ging, Menschen in Not zu helfen. Sein Name ist untrennbar mit der Cap Anamur verbunden: Zusammen mit seinem Helferstab aus Ärzten, Technikern Logistikern und Pflegern baute er das Frachtschiff zum schwimmenden Hospital um und rettete zwischen 1979 und 1989 insgesamt 10.375 vietnamesische „boat people“ aus dem Chinesischen Meer. Auf der Blauen Couch der gleichnamigen Sendung im Bayerischen Rundfunk BR1, plauderte der oft als „vorschnell“ und „wichtigtuerisch“ kritisierte Menschenrechtsaktivist über seine Anfänge, die aktuellen Projekte und ist nicht müde, Bürokratie und Missstände in den Reihen der UNO-Organisationen anzuprangern.

Am 30. Januar 1945 verpasste die Familie Neudeck nur knapp die anschliessend von einem russischen U-Boot versenkte „Wilhelm Gustloff“ in Gotenhafen – und entkam so einer der größten Seefahrtskatastrophen aller Zeiten. „Manchmal ist es gut, wen man zu spät kommt“ wandelte Neudeck den Spruch Gorbatschows um. Die schrecklichen Bilder der Ertrinkenden sieht er als Auslöser für seine Rettungsaktion „Deutsches Komitee. Ein Schiff für Vietnam“. Dies war nur der Anfang, mit der Gründung seiner Folgeorganisation Komitee Cap Anamur / Deutsche Notärzte e. V bestritt er weitere Einsätze in Somalia, Uganda, Äthiopien, Sudan, Eritrea, Afghanistan, Nordkorea, Bosnien, Mazedonien, im Kosovo und auch im Libanon. Ohne seine unermüdlichen Helfer vor Ort hätte er dies nie geschafft. Vor allem nicht ohne seine Frau Christel, die „gute Seele seines Unternehmens.“

2003 setzte Neudeck als Mitbegründer des internationalen Friedenskorps Grünhelme e.V. wiederum ein Zeichen: Das „Peace-Corps von jungen Deutschen – Muslimen und Christen“ macht es sich zur Aufgabe, „Häuser und Dörfer, Schulen und Straßen, Hospitäler und Ambulanzen, Baumschulen und Gotteshäuser aufzubauen.“ Das erklärte Ziel ist es, den Menschen ohne Ansehen der Religion so etwas wie Frieden zu bringen. Das geht natürlich nur, wenn man als Helfer vor Ort lebt und den Kontakt zur Bevölkerung aufbauen kann. „Es ist den Helfern verboten, an den Projekten vorbeizufahren. Mittendrin wohnen und leben – sich mit den Projekten gemein machen“, lautet die Devise des 71 Jährigen. Und er kann über Erfolge berichten: War es doch vor drei Wochen gelungen, pakistanischen Flutfamilien die Rückkehr in ihr neu aufgebautes Dorf zu ermöglichen. Die Kosten für ein Haus, dass einer Familie mit bis zu 12 Kindern ein Dach über dem Kopf bietet, betragen gerade mal 1.300 €. So etwas ist nur möglich, wenn keine Kosten für Bauarbeiten anfallen und die Materialien wie Mörtel und Steine vor Ort erworben werden können.

Bei aller Freude darüber wird er nicht müde, gegen gut betuchte UNO-Organisationen zu wettern, die inzwischen vor lauter Bequemlichkeit vergessen haben, sich selbst vor Ort die Schuhe schmutzig zu machen, sondern nur noch aufbauen lassen. Er wettert gegen die UNO-Bürokratie und ihren aufgeblähten Verwaltungsapparat, der die nötige Kommunikation mit und zwischen den Hilfsorganisationen im Keim erstickt. Er appelliert an Abgeordnete, im Falle von Fehlplanungen endlich einmal Haushaltstitel sperren zu lassen. Er erhebt seine Stimme, auch wenn es aussichtslos erscheint – ganz nach seinem Vorbild Sophie Scholl.

Das ganze Interview können sie als Podcast hier herunterladen – und noch mehr über den Menschen Rupert Neudeck erfahren, dessen Lebensaufgabe es ist, die Einstellung „Menschenrechte sind Euromenschenrechte und Menschenrechte für Andere“ in „Menschenrechte gelten für alle Menschen gleichermaßen“ umzuwandeln.

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