Samstag , 27 April 2024
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Achtung Satire: Chip, Chip – Hurra

hartz4_cardMeine Damen und Herren, es ist ein Wunder geschehen, ein Megawunder. Die Idee mit den Gutscheinen ist dort gelandet, wo sie hin gehört, in der Tonne. Ein flammender Bericht auf der führenden Nachrichten- und Informationsplattform, nämlich in dem allseits beachteten Medium der Extraklasse, The Intelligence, eindrucksvoll geschrieben von einem der bewundernswerten Autoren, einem gewissen Peter Reuter, hat dazu geführt – weg damit. Danke, vielen Dank an die hochgeschätzte Redaktion, die Leser und die Entscheider in Regierungskreisen.

Auch das Grundproblem, die den Kindern zugedachten Ressourcen bei ihnen ankommen zu lassen, der Durchbruch zu einer effektiven Lösung steht vor der Tür. Der Chip ist da. Wir freuen uns alle unglaublich, der Durchbruch ist bei uns. Natürlich interessiert uns brennend, ab wann dieses phantastische System endlich eingesetzt werden kann, ab welchem Zeitpunkt bei dem Wort „Pisa“ die ganze Republik von einem Lachkrampf geschüttelt wird, und die lieben Kinder gar nicht wissen können, um was es eigentlich geht.

Frau Ursula selbst hat uns die Ideensammlung und die Basiseinstellungen des Chips, also eine Übersicht über die Standardkonfiguration übermittelt, verbindlichsten Dank dafür, Grüße an den Herrn Gemahl und an die Kinder, gnädige Frau.

Nun zur Ideensammlung, Erfahrungsberichten, zur Technik und ihren Auswirkungen

Wie bereits vorletzte Woche berichtet, H4-Väter liegen den ganzen Tag auf der Couch, trinken Bier und gucken Pornos. Beim Bildungsgutschein hätte die Gefahr bestanden, dass der Gutschein im Filialunternehmen einer norddeutschen Hygieneunternehmerin in Lehrhefte oder Audio-CD`s umgetauscht worden wäre. In den Läden dieser Dame sind zuhauf Titel wie „Auf der Schulbank ist der Teufel los“, oder „Professor Bengel und die wilde Sexta“ erhältlich. Der Professor und die Teufel auf der Schulbank haben keine Chance mehr, den H4-Papa zu behelligen, danke Ursel.

Anderer Fall: H4-Mama kassiert einen Matheschein und bucht auf der Volkshochschule einen Skatkurs. Der hat auch mit Zahlen zu tun. Verliert man dann noch, dann zahlt man. Theoretisch könnte Mama den Kindern das Spiel weiter vermitteln. Leider ist dies sinnlos, weil der Lehrkörper nicht tolerant genug ist, Spiele dieser Art während der Chemiestunde zu akzeptieren. Kommt jetzt nicht mehr vor, danke Ursel.

Neues Drama: Der H4-Profi kassiert einen Gutschein für den Musikunterricht, tauscht diesen bei einem befreundeten Getränkehändler gegen Hochprozentiges, singt nach dem Genuss daheim schmutzige Lieder, verlangt von seinen Kindern, abwechselnd zu pfeifen oder den Refrain zu singen. Kommt nie mehr vor, danke Ursel.

Ausgabe und Anbringung des Chips wurden genauestens geplant, der Ablauf ist zu 100 % sicher vor Fremdeingriffen. Aufbauend auf guten Erfahrungen des Landwirtschaftsministeriums wird der Chip am Ohr angebracht. Dieser Vorgang ist für Büffel absolut schmerzlos. Damit wurde der gesamte Lenkungsausschuss des Ministeriums überzeugt. Ursel hatte vor lauter Rührung Tränen in den Augen und murmelte nur noch: „Machen wir so“. Weiterer Vorteil, eine ganze Reihe brachliegender, ehemaliger Schlachthöfe, mit noch vorhandener und brauchbarer Infrastruktur, werden einer vernünftigen Weiterverwendung zugeführt. Danke Lenkungsausschuss, danke, danke – liebe Ursel.

Auch die laufende Kontrolle des Chips steht perfekt. Erste Stimmen in der CSU wurden laut und schlugen vor, dass in Zukunft der Onkel von der ARGE über den Fortgang der schulischen Ausbildung entscheidet und auch die Zeugnisse unterschreibt. Der Onkel kontrolliert ebenfalls den Sitz des Chips und legt den Ausbildungsberuf fest. Wunderbar, danke liebe CSU, danke (Schluchz), geliebte Ursula.

H4-Mama und Papa können sich nicht mehr der Aufgabe entziehen, sich der Kinder anzunehmen. Tut mir leid Leute, Schwarzarbeit, Schwarzbier, Schwarzfilme ade. Die Beiden müssen jetzt nämlich aufpassen. Da ist eine Kamera im Chip, und noch viele Möglichkeiten mehr. Schiebt Papa einen nicht konformen Film ein, platzt der Bildschirm. Guckt er heimlich in der „Frau im Spiegel“ Damenunterwäsche an, fängt die Zeitung Feuer, und nicht mehr er.

Zieht sich eine Alleinerzieherin mit einem Mann in das eigene Schlafzimmer zurück, oder wird das Licht im Wohnzimmer durch Kerzen ersetzt, dann beginnt durch die Sprinkleranlage, welche sie zukünftig auf eigene Kosten zu montieren hat, eine vierstündige Dauerberieselung. Wahlweise funktionieren auch 120 Dezibel ZZ TOP. Ziel ist eine absolute Populationsunterbindung, damit die Dame die Möglichkeit hat, sich aus eigener Kraft aus der Situation H4 zu befreien. Mit mehreren Kindern ist dies zu schwierig. Danke Wasserwerke, danke Uschi.

Die vom Kind zu nutzenden Möglichkeiten sind auf dem Chip hinterlegt, das Geld kann nicht mehr einfach so verschludert werden. Denken sie nur an den Winter. Wenn laut Verwaltungsvorschrift keine Mäntel vorgesehen sind, dann ist das eben so, basta. Diese und ähnliche Entscheidungen kann man doch nicht den Eltern überlassen, nicht den H4-Eltern. Wo käme dieses Land dann hin? Nein, nein, nein – danke Ursel.

Ich habe mich diese Woche intensiv mit dem Grundgesetz beschäftigt, auch etwas darüber getwittert. Feststellen darf ich hier in aller Bescheidenheit: Die Ursel tut ihr Bestes, die Würde der Menschen zu achten, speziell die der Regierung. Bei den H4`s ist das nicht wichtig. Die wissen nicht, dass es eine gibt, in welcher ihre Rechte verbrieft sind. Und – selbst wenn die es wissen – was soll das? Die können doch alle überhaupt nicht lesen.

Danke dafür, Regierung, danke dafür, Ursel…

 

© Peter Reuter

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