Dienstag , 19 März 2024
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Zurück zur D-Mark? Warum Deutschland den Euro braucht

peter bofingerAllein schon mit dem Titel seines aktuellen Buches macht sich Peter Bofinger keine neuen Freunde. Er tritt klar für den Erhalt des Euro als Gemeinschaftswährung der Eurozone ein. Wer also Neues von Peter Bofinger erwartet, wird enttäuscht sein. Wer seine Gedanken schätzt, erhält eine kompakte Zusammenfassung seiner Diagnose, wie es zur Eurokrise kam, und wie diese beendet werden könnte. Das Buch liest sich außerdem wie das währungspolitische Programm einer zukünftigen großen Koalition aus CDU und SPD. Da diese für 2013 geradezu vor der Tür steht, gleichzeitig aber zwei Drittel aller Deutschen die D-Mark als Währung zurück haben möchten (Quelle: Die Welt), lohnt sich die Lektüre allemal.

Erhaltenswert ist der Euro für Bofinger aus zwei Gründen: damit die gemeinsame Stimme Europas in einer multipolaren Welt ihren Einfluss wahrt und die wachsende soziale Ungleichheit, die durch die Expansion der globalen Finanzmärkte ermöglicht wurde, eingedämmt werden kann. Für Bofinger ist der Euro mehr als nur eine Währung. Sie ist Teil einer europäischen Identität und Solidarität. Ob es für diese Ziele tatsächlich eine gemeinsame Währung braucht, mag dahin gestellt sein, doch ist angesichts der aktuellen Situation zu vermuten, dass die Auflösung der Währungsunion zu größeren politischen Zerwürfnissen innerhalb Europas führen dürfte.

Peter Bofinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und seit 2004 auf Empfehlung der Gewerkschaften Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den sogenannten „Wirtschaftsweisen“. Er ist also direkter Berater der bundesdeutschen Regierung, auch wenn diese derzeit noch – vor allem mit Rücksicht auf die Bundestagswahl 2013 – eine teils andere Strategie fährt. Bereits seine ausführliche Diagnose der Fehlentwicklungen zwischen 1999 und 2009 zeigt, dass er ein mehrfaches Marktversagen für die Eurokrise verantwortlich macht. Die Expansion der Finanzmärkte habe über viele Jahre darüber hinweggetäuscht, dass sich die privaten Haushalte überschuldet hätten und eine große Umverteilung der Vermögen ermöglicht habe. Durch den Ausbruch der Finanzkrise seien die Staaten dazu übergegangen, den erfolgten Nachfrageeinbruch durch eine zusätzliche öffentliche Verschuldung auszugleichen.

Die derzeitige Situation sei dadurch charakterisiert, dass sowohl private als auch öffentliche Haushalte in den Krisenländern ihre „Verschuldungsgrenze“ erreicht hätten. Ich brauche wohl nicht näher auf die Argumentation Bofingers einzugehen, dass Deutschland in dieser Situation als Exportnation von den Marktungleichgewichten im Euroraum und der Euroschwäche profitiert habe. Das ist sattsam bekannt. In seinen Ausführungen über die Verschärfung der Krise seit 2010 wird deutlich, wo er nicht auf der Merkel-Linie liegt. Diese fordert bekanntlich in erster Linie eine harte Austeritätspolitik von den verschuldeten Euroländern, um über die Ausgabenseite eine Konsolidierung der Haushaltsdefizite und des Schuldenstandes der Länder zu erzielen. Dem Nachfragepolitiker Bofinger ist dies zu einseitig, da die Ausgabenkürzungen zu einer Verstärkung der Rezession führen. Man darf allerdings keineswegs übersehen, dass Bofingers Programm zu einem nicht unerheblichen Teil dem der derzeitigen Regierung entspricht. Die Kernelemente seiner Währungsunion 2.0 sind nämlich: Trennung von Geld- und Fiskalpolitik (sprich: die EZB darf nur vorübergehend zur Stützung von Staatsanleihen verpflichtet sein), Kontrollmechanismen für Staaten mit unsolider Haushaltspolitik, eine Fiskalunion mit gemeinsamer Bankenaufsicht, eine bessere demokratische Legitimation der Währungsunion und ihrer Institutionen.

Der große Unterschied zur derzeitigen Regierungspolitik in Deutschland liegt in der von ihm vorgesehenen Gemeinschaftshaftung der Staaten untereinander, die Bofinger gemeinsam mit seinen Kollegen aus dem Sachverständigenrat zeitlich und quantitativ beschränken möchte. Die Transferunion ist für Bofinger also ein Übergangsszenario, bis die Krisenländer wieder auf eigenen Beinen stehen können. Es ist nicht Bofingers Absicht, dass am Ende aus dem gemeinsamen Wirtschaftsraum ein homogenes Gebilde entsteht, wie es der „Aufbau Ost“ zum Ziel hatte. Damit wäre der Euro weiterhin wirtschaftspolitischen Friktionen ausgesetzt, die Bofinger jedoch nach Meisterung der Überschuldung in den Ländern für beherrschbar hält, da die Haushaltspolitik auf europäischer Ebene kontrolliert werde. Man sieht an diesen Elementen gut, dass sich hier Programmpunkte der jetzigen Regierung mit Forderungen der SPD sehr schön ergänzen. Wenn es nach Bofinger geht, kann die große Koalition also kommen.

Das Buch zeigt sehr schön das Dilemma eines Volkswirts in dieser politischen Gemengelage. So sehr er auch wirtschaftliche Vernunftgründe aufzählt, letztlich gibt es weder für den Euro noch für Europa einen Business Case. Die Diskussion ist eine politische und kulturelle. Dennoch werden möglichst wirtschaftliche Gründe für die Gemeinschaftswährung aufgeführt, womit die Argumentation eingeschränkt bleibt bzw. Angriffsfläche bietet. Der Vorabdruck eines Kapitels in der Tageszeitung „Die Welt“ hat denn auch hämische Kommentare von Seiten der D-Mark-Befürworter provoziert. Sehr angenehm und nüchtern dagegen bleibt Bofinger in seiner eigenen Argumentation. Es gibt keinerlei Ad-hominem-Angriffe, auch nicht gegen seine Erzrivalen Sinn und Krämer. Insgesamt ist Bofinger eine sehr gemäßigte und auf Kontinuität bedachte Stimme, dem gerade dadurch manchmal die Durchschlagskraft abgeht. Wie viele Euro-Apologeten schreckt auch er vor dem, was nicht sein darf, zurück. Nichts im politischen und wirtschaftlichen Leben ist für die Ewigkeit gebaut. Ich hätte mir daher klarere und härtere Aussagen gewünscht, wie die systemischen Risiken des Bankensystems abgebaut werden können. Bofinger erwähnt auch eher beiläufig, dass ein weiterer Schuldenschnitt Griechenland helfen würde. Auch hier wäre ein deutliches Commitment zu einem weitreichenden Schuldenverzicht aller Krisenländer, wie er zum Beispiel Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg zugute kam, hilfreich gewesen, um die eigene Position zu schärfen. Denn der Euro hätte durchaus noch eine Chance. Ob mit oder ohne ihn, teuer wird es für alle Mitgliedsländer allemal. Auf politischen Konsens bedacht, läuft Bofinger jedoch Gefahr, dass seine nachfrageorientierten Ansätze von der Politik verwässert werden und die Stabilisierung der gemeinsamen Währung Gefahr läuft, zum verhassten Inbegriff deutscher Sparpolitik in Europa zu werden.

zurueck-zur-d-mark coverDie europäische Idee geht letztlich auf den Wunsch zurück, Deutschland in ein demokratisches Europa einzubetten. Derzeit wirkt die Diskussion um den Erhalt des Euro jedoch eher so, dass Deutschland mit seinen strikten Auflagen und schroffen Anweisungen allein aufgrund seiner Wirtschaftsmacht ein undemokratisches Europa dominiert. Ulrich Beck nennt diese Entwicklung in einem Interview mit dem „Schweizer Monat“ die „neue, fast imperialistische Struktur zwischen Geldgeberländern und Geldnehmerländern“. Wenn das der Preis ist, den Europa zahlen muss, um seine Währung zu behalten, dann doch lieber ein Europa ohne Euro.

Peter Bofingers Buch „Zurück zur D-Mark? Warum Deutschland den Euro braucht“ aus dem Droemer-Verlag können Sie seit heute in jeder guten Buchhandlung oder direkt hier für 18 Euro kaufen. Das eBook kostet 15.99 Euro.

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