Die Gepflogenheiten der High-End-Kunst-Sammler haben ein Niveau von Obszönität erreicht, welches die Welt der Kunst im allgemeinen nicht länger ignorieren kann. Letztens hat sich schließlich einer der einflussreichsten amerikanischen Kunst-Kritiker, Dave Hickey, zu einer wütenden Attacke gegen die Kommerzialisierung der Kunstwelt durchgerungen. Er schrieb: „Wir brauchen Künstler, die außerhalb des Betriebs arbeiten und beginnen, die Welt auf eine andere Art darzustellen – eine die Vorurteile auflöst, anstatt sie zu bestätigen.“
Der New Yorker Blogger Paddy Johnson hatte folgende Zeilen schon vor einem Jahr ins Internet gestellt. „Wir haben in den letzten Jahren die absolute Gleichsetzung von Kunst und Kapital erlebt. Die 99-prozentige Mehrheit der Künstler hat sich dazu verführen lassen, ein System zu akzeptieren, das auf einer künstlichen Verknappung sowie einer Propaganda basiert, die das individuelle Genie im Dienst des monetären Gewinns über die Rechte der anderen stellt.“
Wie können Kunst und Kultur besser in den Alltag der Gesellschaft integriert und so auch als Gemeingüter erkannt werden und wirken, nicht als Luxus? Ein Kollektiv unter dem Namen „Occupy Museums“ fand sich während der Proteste der Occupy-Wall-Street-Bewegung zusammen, um eben diese Frage zu ergründen. Das Kollektiv arbeitet nach dem Konsens-Prinzip und initiiert Aktivitäten, um eine Zukunft zu fördern, in der unsere kulturellen Gemeingüter wirklich geteilt und gefeiert werden, nicht gehortet nach den Gesetzen der Preisjäger.
(Gruppen-Interview mit den Mitgliedern von „Occupy Museums“: Ben, Maria, Max, Noah und Tal)
Occupy Museums versteht sich als ein fortlaufender Widerstand gegen Korruption und Ungerechtigkeit in den Einrichtungen der Kunst und Kultur. Wie fandet ihr zusammen?
Noah: Occupy Museums ist Teil von Occupy Wall Street. Viele von uns waren im Zuccotti Park während der Besetzungszeit dabei. Das war eine recht transformative Erfahrung, denn dort im Park gab es so etwas wie Horizontalität, was bedeutet, jeder begann mit jedem zu reden. Alle Arten von Menschen kamen zusammen, um zu sehen, was los war, Banker, Obdachlose – und all diese Aktivisten aus aller Welt, die gewillt waren, Dinge zu ändern, gewillt waren, miteinander zu reden, gemeinsam die neuen Informationswege zu nutzen, um herauszufinden, was man alles so zusammen machen könnte. Dies gab es zuvor noch nie in New York, in einem System, das auf den Konsum ausgerichtet ist. Das Thema von OWS war die Wall Street, der Blick auf das Finanzsystem und wie es sich zur Regierung und zu den Gemeingütern verhält, zu den Dingen, die uns eigentlich allen gemeinsam gehören sollten. Als Künstler wusste ich, dass dieses In-Beschlag-Nehmen der Gemeingüter durch die Unternehmen auch in der Welt der Kunst vor sich geht – und ich war nicht allein. Es gab eine Gruppe namens Kunst und Kultur, die vor allem aus Künstlern bestand, und die zusammenkam, um herauszufinden, wie man sich mit Kultur innerhalb der Occupy-Wall-Street-Bewegung beschäftigen könnte. Aus dieser Gruppe bildeten sich bald viele Gruppen, und eine dieser Gruppen wurde Occupy Museums gennant. In ihr beschlossen wir über direkte Aktion zu arbeiten, um die Beziehung zwischen Museen, ihrer Unternehmensstruktur und den Gemeingütern zu hinterfragen.
Wie funktioniert Kunst und Kultur in der heutigen Gesellschaft und wie können wir einen Weg und eine Ästhetik finden, so dass künstlerische Statements nicht mehr kommerzialisiert, sondern eher als Gemeingüter erkannt werden?
Maria: Das ist eine Frage, über die ich viel nachgedacht habe. Es geht jetzt auch nicht um schnelle Antworten. Es geht mehr darum zu erkennen, dass all dies einen größeren Prozess betrifft. Etwa die Struktur, die Art und Weise, wie wir kommunizieren. Wie können wir so miteinander kommunizieren, dass unsere Erkenntnisse nach außen wirksam werden?
Wie so kommunizieren, dass jeder mit seiner Perspektive verstanden wird und eine Chance bekommt, gehört zu werden? Es geht darum, sich sehr bewusst darüber zu werden, wie Macht funktioniert innerhalb von Gruppen und so herauszufinden, wie eine Struktur geschaffen werden könnte, die Macht gleichmäßiger verteilt. Und wie könnte dieser Ansatz der Zusammenarbeit auf unsere künstlerische Praktiken zurückgeführt werden? Wie könnten sie anders aufgeteilt werden, nicht so wie im derzeitigen System, wo Künstler vor allem nach Zugang in das Galerie-System streben, statt sich auf die anderen Künstler auszurichten? Fast jeder versucht im Moment, Aufmerksamkeit für seine Arbeit zu bekommen, anstatt seine künstlerischen Praktiken als etwas zu sehen, das in Zusammenarbeit nicht nur mit anderen Künstlern, sondern auch mit der Geschichte der Kunst und Kultur entsteht, als etwas, das gleichermaßen ein Teil von uns allen ist. Ein Teil so einer Erkenntnis würde dahin führen, den Warencharakter unsere Kultur aufzuheben, der unsere Beziehung zur Kunst für so lange geprägt hat, so dass es fast unmöglich geworden ist zu sehen, was für ein Potenzial eigentlich in der Kultur-Technik der Kunst steckt. In diesem Rahmen würde es auch darum gehen zu lernen, viel mehr einander zuzuhören, auch das wäre schon ein Teil der Lösung.
Ben: Ich möchte hinzufügen, dass die digitale Kommunikation dabei eine Rolle als notwendiges Werkzeug zum Vernetzen für soziale Gruppen spielen wird. Ich denke, sie ist ein Teil unserer objektiven materiellen Realität und etwas, das wir nicht ignorieren können.
Aber dies ist nur eine Komponente. Es gibt noch eine weitere, welche die physische und interaktive Kommunikation in realen Räumen ist. Für die Zukunft von Kunst und Kultur wird auch diese sehr wichtig sein. Es gibt da einen Widerspruch in dieser alten traditionellen romantischen Vorstellung des Künstlers, die mit diesem Konzept geboren wurde, zwischen einerseits einer hart kritischen Position, die außerhalb der Gesellschaft steht, – was ja in einem gewissen Sinne gesund war, weil man sich so kritisch mit dem Eingriff des Marktes auf soziale Formationen auseinandersetzen konnte – und auf der anderen Seite diese Vorstellung von einem radikalen Individualismus, die sich ja in den letzten 30 Jahren perfekt innerhalb einer bestimmten neoliberalen Ideologie einfügte.
Grundsätzlich seit ’68, wo ja viele Künstler Aktivisten wurden und beschlossen, etwas zu tun und letztlich scheiterten, wurden viele durch diesen Begriff des Individualismus geprägt und von den Macht-Prozessen des Systems aufgekauft, weil sie dachten, es schützt ihre individuelle Freiheit. Dabei haben sie aber ihre sozialen Verpflichtungen vergessen, die soziale Gerechtigkeit. Jetzt denke ich, ist die Rolle von Künstlern und Aktivisten die, eine Synthese zwischen sozialer Gerechtigkeit und individueller Freiheit zu finden.
Welche Erfahrungen im persönlichen Leben gaben euch einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten gemeinsamer Aktionen und auch die Befähigung, an solchen Aktionen kreativ teilzunehmen?
Tal: Ich habe persönliche Erfahrung mit der Arbeit in Gruppen. Ich lebte in einer Lebensgemeinschaft für fünf Jahre, und ich glaube, dies hat mir dabei geholfen zu verstehen, was ich in einer Gruppe eigentlich suche. Wirklich beeindruckt und inspiriert hat mich die Struktur der Konsens-Findung bei den OWS-Vollversammlungen. Dies war eine offene Struktur, die allen Menschen die Möglichkeit gab, sich zu beteiligen. Menschen, die oft gerade einfach von der Straße dazustoßen, nicht wahr? Es gibt keine sehr hohen Zutrittsschranken. Das einzige Hindernis für den Zugang ist, wenn sie oder er zeitlich nicht die Möglichkeit haben, zu einem Treffen zu kommen. Und selbst in diesen Fällen gibt es Möglichkeiten für Flexibilität. Ich denke, das gibt uns viel Kraft. Wir sind wirklich in irgendeiner Art und Weise in der Mitte zwischen kollektiven Entscheidungsfindungen und Zusammenarbeit, und dies ist ein sehr wichtiger Ort für uns, den es erst einmal zu erkunden gilt. Als Künstler, als Aktivisten, als Menschen, die an effektivem sozialen Wandel interessiert sind. Es ist ein schöner Prozess für alle von uns.
Noah: Ich möchte gerne meine persönliche Geschichte erzählen. Ich bin in einer Gemeinschaft von Menschen aufgewachsen, das war ein Projekt aus den späten 1970-er Jahren, und ich wuchs mit all diesen kollektiven Sitzungen und sehr wenig Geld auf. In den 80er Jahren unter Ronald Reagan und dem ersten Bush und Bill Clinton in den 90er Jahren wurde ich erwachsen. Mein Geist veränderte sich. Ich zog nach New York City, um im Jahr 2002 an der Columbia University zu studieren. Dies war genau die Zeit, als der Kunstmarkt im rasanten Tempo an Macht gewann, mehr als jemals zuvor. Hier fand das, was wir Kommerzialisierung der Kunst nennen, direkt vor meinen Augen statt. Es gab neue Plattformen, die buchstäblich Kunst in Produkte verwandelten zu diesem Zeitpunkt, und eine Kunstausbildung war eigentlich wie ein BWL-Studium, in dem man lernt, wie man sich als Künstler auf individuelle Weise vermarkten kann. Ich dachte auch auf diese Weise. Ich machte politische Kunst. Ich hatte Stipendien in New York und ging nach Europa und was mir dort auffiel, war, dass so viel wie ich auch durch meine Kunst bestimmte Dinge vermitteln wollte, die Kunst immer vor allem bisher konsumiert wurde.
Meine Ideen wurden in New York ignoriert, völlig ignoriert. Ich erkannte, es war irgendwie eine leere Hülle, die sie gelernt hatten, zu verkaufen. Eine sehr sexy Hülle, aber diese Schale, dieses Ding war hohl. Es war eigentlich wie ein Produkt. Meine verwandelnde Erfahrung fand in Berlin statt. Ich begann da, eigentlich wie durch einen Unfall, mit einer Theatergruppe zu arbeiten und diese forderte mich auf, meine Installation zu nehmen, und diese auf der Bühne zu zeigen. Das nächste, was ich merkte, war, dass diese Zusammenarbeit funktionierte, auch wenn es zunächst sehr schwierig war. Aber irgendwie durch das Sprechen mit anderen Menschen, realisierte ich, wie wir alle über Kunst miteinander verbunden waren. Alle Ideen von mir wurden von den anderen Künstlern und dem Publikum wirklich hinterfragt, und es ging um die Übertragung von dem, was mir wirklich wichtig war in den künstlerischen Prozess. Dies geschah auch in der Beziehung zu anderen Menschen und durch den Austausch von Ideen. Das war eine Art von Spiegel- Erfahrung für mich. In diesem Sinne war dann OWS ein weiterer ständiger Lernprozess für mich das herauszufinden, was potentiell möglich ist.
Maria: Ich kann auch sagen, dass all mein Aktivismus immer in Kombination mit anderen Menschen und in Kollektiven stattgefunden hat. Manche Kollektive standen in einem guten Verhältnis mit der Welt der Kunst. Andere Kollektive waren eher resistent gegen die Idee, Kunst als Ort für Aktivismus zu entdecken. Auch schon vor OWS machten wie direkte Aktionen in New York City. Für mich ist es schon immer eine wichtige Erfahrung gewesen, gemeinsame Strategien in einem Raum zu entwickeln und diese zu testen. Seine eigene Art von Grenzen so zu testen und die Art wie diese Grenzen in Bezug dazu stehen, wie man mit Menschen im öffentlichen / privaten Räumen interagieren kann, eine wirklich wichtige Erfahrung. Wenn wir außerhalb der Grenzen geraten, die für uns normalerweise komfortabel sind und wir so mit unseren eigenen Erwartungen was andere Menschen tun konfrontiert werden, können wir uns tatsächlich eine neue Art des Erlebens von Zeit uns eröffnen, weil dann die Dinge entweder beschleunigt oder verlangsamt stattfinden, jedenfalls in gewisser Weise ganz anderes, als wie wir es aus unserem normalen Leben gewöhnt sind. Beim kollektiven Handeln geht es immer auch darum, wie wir uns als Menschen fühlen. Fühlen wir uns sicher genug und erkennen wir genug Zusammenhang, so können wir gemeinsam Dinge tun, die wir normalerweise nicht tun würden. Dies eröffnet neue Räume in der dominanten Erzählung, diese Art der Öffnung schafft Potentiale dafür die Dinge mal anders zu tun als bisher, sie so zu tun, wie wir es uns gar nicht in der aktuellen Art und Weise die Welt zu sehen vorstellen könnten, weil wir in dieser so geprägt sind von Kommerzialisierung und Professionalisierung.
In welcher Weise sind Museen, Theater, Kunstgalerien, die Filmindustrie und die ästhetischen Diskurs von heute verbunden mit den Handlungen der 1%, und wie könnte eine andere Art der Kunstvermittlung aussehen, die uns in eine integrative Gesellschaft führt, wo jeder sein volles kreatives Potential entwickeln kann?
Max: Ich würde gerne versuchen, darauf zu antworten. Ich komme eigentlich aus der Wissenschaft. Umweltschutz – Wissenschaft und Technik sind sehr ähnlich in dieser Hinsicht wie die Kunst, so dass das Hinzufügen der Wissenschaft zu Deiner Frage sinnvoll ist. Wenn wir versuchen, die Dinge zu tun, die den Wandel ermöglichen, etwa um den Klimawandel zu stoppen, sind die Dinge, an die wir stoßen immer Branchen und sehr mächtige Lobby-Gruppen, die angetrieben sind von der Industrie und durch Menschen mit Geld versorgt werden. Wohin das Geld fließt, da ist die Macht so konzentriert, dass man nicht einmal mitspielen kann auf ihrem Spielfeld. Es gibt da keinen Weg, um herauszufinden, wie man mit den Prozessen, die in diesem Spiel wirken, umzugehen hätte. Das passiert auch so in der Welt der Kunst. Sie kaufen Museen nur darauf hin, dass diese Machtspiele erhalten bleiben. So geschieht es im Finanzbereich. So geschieht es in der Wissenschaft, in der Bildung, in der Wirtschaft. Bildung ist ein Bereich, da könnten wir anfangen. Eines der Dinge, an denen ich wirklich interessiert bin, ist die Frage, wie man Wissenschaft und wie man Kunst außerhalb der Abhängigkeit von Macht-Befugnissen betreiben kann, ohne bestimmte Arten von Zuschüssen, bestimmte Arten von Zugang zu dem, was wir eigentlich denken zu brauchen, als Künstler oder als Wissenschaftler. Wie kann Kunst oder Wissenschaft außerhalb dieser Institutionen stattfinden? Wenn genügend Leute es tun, finden tatsächlich immer mehr Menschen einen Weg, es auch zu tun. Also vielleicht beginnt so eine neue Schule, wo man nicht mehr geschult wird, um wettbewerbsfähig zu sein, wo man nicht geschult wird, sich zu vermarkten, sondern tatsächlich lernt, sich gegenseitig Hilfe zu geben. Wir müssen dann nicht mehr große Kunst oder große Wissenschaft machen, sondern machen vielleicht eher Street-Art, Bürger-Wissenschaft. Dann werden ganz neue Fähigkeiten geschult. Es ist ein völlig anderes Bild des Denkens. Es ist eine andere Vorstellung davon, was zählt in der Kunst oder der Wissenschaft – eine andere Vorstellung von Wert. Sie müssen nicht nur die Bildung reformieren, sondern völlig neu denken. Dafür brauchen wir Netzwerke, die mehr als nur eine Sache gleichzeitig skalieren können.
Welche Art von neuen Symbolen könnten in der Lage sein, Kunst und Kultur in ein gesundes Verhältnis mit allen Aspekte der Gesellschaft zu setzen?
Ben: Mit solch einer massiven Kulturwirtschaft hat sich die Idee von Kunst sehr verändert, und die Ästhetik, die sich innerhalb der sichtbaren Wirklichkeit so verbreitet, hat sich tiefgreifend mit der digitalen Technologie verändert. In diesem Kontext der gegenwärtigen Entwicklungen ist Occupy Museums als Aktivität ein Symbol. Räume zu besetzen und zusammen zu kommen als Individuen, auch das sind wichtige neue Symbole.
Max: Ich komme ursprünglich aus Kanada. Es gibt da das Symbol aus Quebec, das rote Quadrat, von diesem allgemeinen studentischen Streik. Es ist ein Symbolspiel, das anspielt auf das Sich-im-roten-Bereich-befinden, was ja so viel heißt, wie verschuldet zu sein. Es bedeutet auch, misshandelt zu werden. Wir haben dort alle zusammen mit Töpfen und Pfannen auf der Straße protestiert, vor einiger Zeit, mit Menschen aus der ganzen Welt. Eine neue Form des Protests entstand da am 23. Mai 2012 in Reaktion auf die liberale Regierung und die Verhängung des „Bill 78“ – eines drakonischen Gesetzes. Vier Monate kam es zu einem provinzweiten Studenten-Streik und Menschen wurden immer wieder dabei von Plätzen gefegt, wegen neuen Einschränkungen des Rechts zu demonstrieren. Viele Kanadier, Menschen aus dem Iran, Spanien und Mexiko, Schweden und den USA habe ich schon dieses Quadrat auf ihrer Kleidung tragen sehen. Es ist also eine Art internationales Symbol geworden, nicht nur für die Solidarität mit den Menschen in Quebec, sondern auch in Anerkennung für das, wogegen die Quebecois kämpfen … All das geschieht ja überall, also ist es nicht nur für Quebec, sondern für andere Menschen in anderen Ländern, dass wir das rote Quadrat tragen. Und es ist einfach unglaublich, dass in Kanada, einer der apathischsten Nationen der Welt, es jetzt Menschen gibt, die 18 Jahre alt sind und den Aufstand wagen. Diese Menschen sind durch Menschen an anderen Orten in der Welt inspiriert worden. Und dann sind diese Menschen wieder von den Quebecois inspiriert, weil Quebec ist ja traditionell ein Ort, der international sonst keine große Aufmerksamkeit bekommt. Da schaut man schon genauer hin, wenn da mal was geschieht.
Dezentralisierung der Kommunikation gibt uns einen neuen Weg, um miteinander in Beziehung zu treten. Wir beginnen, alles mit allem zu vernetzen. Wie verändert das die Beziehung zwischen Kunst, Politik und Wirtschaft?
Noah: Das Netzwerk, das wirklich alles miteinander verbindet in der Welt, ist das globale Finanz-Netzwerk. Die Symbole, die am häufigsten im Augenblick auftreten, sind die von McDonalds und die der Deutschen Bank. Dies sind Symbole über die Grenzen der Nationen hinaus, in gewisser Weise. Sie vernetzen die Welt in einer Art Symmetrie. Das ist potentiell interessant für Künstler, weil diese Dinge sich schnell verändern könnten in Bezug auf die Kultur und in Bezug auf das, was kulturelle Autorität bedeutet. Die Open-Source-Idee hat gerade erst begonnen und muss entwickelt werden, weil dann alle Werkzeuge da sind, für alle gleichermaßen. Die momentane Ästhetik, in der wir leben, ist die der Unternehmenskultur, und damit müssen wir uns erst mal aktiv irgendwie beginnen auseinanderzusetzen.
In welche Richtung werden eure kommenden Aktionen sich entwickeln?
Maria: Mein Weg wird es sein, Bilder und Aktionen zu verwenden, um Informationen zugänglicher zu machen innerhalb von Gruppen. Viele Teile der Gesellschaft sind im Moment so organisiert, dass die Informationen nicht richtig fließen können. Es gibt da zu viele Schranken. Auf neue Arten zu Ideen gelangen und diese miteinander auf neue Arten miteinander zu teilen, auch darum geht es mir. Daraus wird sich ergeben, was in und zwischen den Institutionen alles geschehen könnte. In Zukunft wird es darum gehen, durch Aktionen völlig neue Zugänge dafür zu schaffen, was uns die Machtstrukturen vorenthalten haben bisher.
Tal: Wir interessieren uns für das kreative Gedeihen der 100%. Im Moment ist die Kunstwelt völlig kontrolliert. Sie wird gesehen als Produkt-Lieferant, als Job-Möglichkeit – und das hält die Menschen einfach davon ab, mehr selbst kreativ zu werden. Wir müssen Wege finden, die Gesellschaft offener zu gestalten.