Samstag , 27 April 2024
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Auf Sumatra geht es jetzt um die Wurst

wildschwein sumatraSchmieriger Blutboden, rotfeuchter Sand, über allem hängt der Geruch geronnenen Blutes. Markt in Parapat. Wildschwein, Hausschwein & Büffel werden angeboten. Ob fett oder mager, ob Filet oder Schweinespeck, der Preis ist immer der gleiche. Fleisch ist Fleisch. In Holzbuden hocken die eingeborenen Batak vor Fleischklumpen. Darüber schaukeln CDs im Wind und sollen die Fliegen davon abhalten, sich auf dem Fleisch niederzulassen: Betreten Verboten! So recht scheint das die geflügelten Tunichtgute aber nicht zu beeindrucken, müssen sie dann doch mit Fächern weggescheucht werden.

Warum wird kein Eis verwendet, um das Fleisch zu konservieren? Zu teuer! Sehr teuer: 1 kg Schwein 6€, der Tageslohn eines Tagelöhners. Der Preis ist nicht heiß, das Schnitzel kostet hier eiskalt so viel wie in Deutschland. Ist das Fleisch nun hier so teuer oder bei uns so billig subventioniert? Mir schweint Letzteres. Wie wäre es, wenn in Deutschland das Kilo Schnitzel einen Tageslohn kosten würde? Schweineteuer wäre das Schweineschnitzel und klein wären die Portionen, genau wie in Asien. Für Gemüse bezahle ich hier nur 20% der deutschen Preise. Teuer genug für die Indonesier, die nur 10% der deutschen Löhne verdienen.

Ich kaufe ein Kilo Wild- und ein Kilo Hausschwein, fett muss es sein. Es will Abend werden und bevor der Tag hat sich geneigt, will ich in eine selbst gemachte Bratwurst beißen. Und was trinke ich dazu? Natürlich Bier. 3 Flaschen Bier kosten 6€ im Tante-Batak-Laden, auch ein Tagesverdienst. Bier ist der Champagner Asiens. Man stelle sich vor, ein Bier koste im Tante-Emma-Laden in Stuttgart 20 €. Schon bei der Vorstellung beginnen meine Finger zu zittern und mir wird ganz schummrig vor Augen.

Heute ist mir alles Wurst, denn heute wird Wurst gemacht. Die Gerätschaften habe ich aus Deutschland mitgebracht und dort monatelang geübt, um Bratwurst herstellen zu können, die sich mit deutscher Metzgerwurst messen kann. Ja schmeckt gut, sagten einige zu den ersten misslungenen Versuchen und schmierten dick Senf auf die Sülze. Aber nach einigen Versuchen schmeckte es wirklich.

Heute werde ich das Geheimnis der deutschen Bratwurst in Indonesien inkarnieren: Ich wolfe das Fleisch, so manches Kräutlein wird geschnitten und gehobelt und es fallen die Späne von allerlei Gewürzen in den Tiegel. Den Fleischteig geknetet, bis er bindig ist. 90 Meter Därme habe ich aus Deutschland mitgebracht, die wollen jetzt das Fleisch umspannen und es zur Wurst machen. Also die Därme über eine Tülle gestülpt, das Brät durch die Tülle gedrückt und die frischen Würste abgedreht. Dann werden sie gebrüht, die Bratwürste, ganz entspannt schwimmen sie im Wasser. Es brutzeln die Würste im spritzenden Fett, klipp klappert schon das Besteck. Brot habe ich schon gestern gebacken. Mit indonesischem Mehl, aber das ist eine andere Geschichte. Better then nothing, wie mein Hauswirt aufmunternd sagt.

Da man also den Tag nicht vor dem Abend loben soll, habe ich meine Wirtsleute zum Abendbrot eingeladen. Und so sitzen wir bald mit Bratwurst, Brot und Salat zu Tische. Was in Deutschland alltäglich ist, ist hier Kostbarkeit, außerordentliche Abwechslung vom indonesischen Essen, je seltener, desto inniger ersehnt. Die Batak setzen sich zu Tisch und beäugen misstrauisch Messer & Gabel. Wie alle Asiaten kennen sie nur Gabel oder Löffel. Alles, was hier auf den Teller kommt, ist bereits in mundgerechte Stücke geschnitten. Und jetzt? Messer in der rechten, Gabel in der linken oder umgekehrt? Und wie das Werkzeug dann gebrauchen? Beschämt sitzen die beiden da. Also schneide ich ihnen die Würste klein und sie hauen begeistert rein. Deutsche Bratwurst am Lake Toba auf Sumatra. Delicious. Und dass es nicht so trocken ist, gießen wir uns ein blondes Helles hinter die Binde. Heute ist Luxus angesagt. Und es ist wunderbar, die besten Bratwürste im Umkreis von 1000 Kilometer verspeisen zu können und dazu ein kühles Bier. Das ist schon was, mitten im Dschungel.

Auch für die Batak ist das mal eine Abwechslung, obwohl sie natürlich nichts über ein gutes Hundegulasch gehen lassen. Ist übrigens tatsächlich sehr schmackhaft, erinnert etwas an Kaninchen. Allerdings ziehe ich wegen meiner westlichen Prägung doch Schwein und Huhn vor.

Aber die Verwestlichung macht auch vor den Batak nicht halt. Ja, in modernen Zeiten ist eben viel altes Wissen verloren gegangen, das hört man in jedem Esoterikzirkel. Ohne jede Ironie berichtet mir Hamlet, dass die Batak vor einigen Generationen noch Regen machten. Dafür gab es spezielle Regenmacher, die in der Trockenzeit Gewitter erzeugen konnten. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist viel altes Wissen verloren gegangen, meint auch Hamlet, starrt düster auf das trockene Feld und bekreuzigt sich. Jetzt könnten wir Regen brauchen. Ja auch die modernen Zeiten haben so ihre Nachteile.

Zuerst dachte ich, was Pa Kho Chu auf der Hasapi spielt, ist rein improvisiert. Dann habe ich mich belehren lassen, dass jede Tonfolge feststeht und eine spirituelle Bedeutung hat, die die Götter in ihren mannigfaltigen Beziehungen zu den Menschen beschreibt. Pa Kho Chu ist einer der letzten vom Volk der Batak, der dies virtuos auf der Hasapi, einer 2-saitigen Mandoline spielen kann.

Pa Kho Chu ist nicht nur den Frauen, den Nelkenzigaretten & dem Palmwein ergeben, er ist auch offen für Neues. So gibt er sich nicht nur der traditionellen Musik hin, sondern er freut sich auf eine Collaboration, einen Zusammenklang zwischen seinen 2-saitigen Anrufungen der Götter und meinen Improvisationen auf der Gitarre. West-östliches Zwischenspiel.

Und man sich das alles schwer vorstellen kann, habe ich Lake Toba, Wurst und unsere Musik auf YouTube gebannt.

 

Klaus-Jürgen Gadamer reist viele Monate im Jahr durch Asien. Gerade wohnt er beim Stamm der Batak im Hochland von Sumatra am Lake Toba. Und natürlich erlebt er Dies & Das, Seltsames, Verständliches und weniger Verständliches. Manches treibt ihn zum Sinn anderes zum Wahnsinn. Diese Erlebnisse wird er von nun an in loser Folge mit den Lesern von The Intelligence teilen. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gerne auch politisch wenig korrekt.

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