Freitag , 26 April 2024
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Mel Gibsons tiefer Fall

mel_gibsonWer bekannt ist wie Mel Gibson, darf sich nicht leisten, sich gehen zu lassen. Alkohol, verletzte Gefühle, eine Frau, die ihn zur Raserei treiben mag, all das kann nicht als Entschuldigung für derart vulgäre Wutausbrüche gelten. Wer berühmt ist, wohlhabend, und gleichzeitig mit seiner Exfreundin im Streit lebt, muss damit rechnen, dass seine Telefongespräche mitgeschnitten werden. Dass seine Agentur ihm kündigt, weil er das lateinische Wort für schwarz, anstatt „Afroamerikaner“ verwendet, und zwar in einem privaten Streitgespräch und keineswegs öffentlich, lässt natürlich vermuten, dass er in Hollywood seine Sympathien aus anderen Gründen schon lange davor eingebüßt hatte.

Wer jemals daran gezweifelt haben könnte, dass Mel Gibson seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat, braucht sich nur eines seiner mitgeschnittenen Telefongespräche mit Ex-Freundin Oksana Grigorieva anhören, die es bei Youtube in Massen zu finden gibt. Seine Wortwahl ist wirklich schockierend und es ist kaum zu glauben, dass diese aus dem Mund eines erstklassigen Schauspielers und genialen Filmemachers stammen. Die, seit Monaten aufgezeichneten, Gespräche präsentieren einen Mann, der den Höhepunkt seines Lebens hinter sich zurückgelassen hat.

Dabei wirkt der eine Mitschnitt, in dem er die provokante Bekleidung der 40jährigen Russin als für ihn peinlich bezeichnet und er sie davor warnt, dass man sie vergewaltigen würde, noch als harmlos. Wer könnte sie vergewaltigen? Hier liegt der Stein des Anstoßes. Hier erlaubte sich Mel Gibson die politische Unkorrektheit, nicht nur Afroamerikaner zu bezichtigen, dass sie zu so etwas fähig wären, er verwendet noch dazu das lateinische Wort für schwarz. So etwas sagt man einfach nicht. Auch nicht im Zorn. Andere Aufzeichnungen, in denen er sich wirklich extrem vulgär gibt, zweifellos unter dem Einfluss von Alkohol stehend, erregen sonderbarerweise die Gemüter deutlich weniger.

Mel Gibson wird vorgeworfen, er hätte Oksana verprügelt. Seine unkontrollierte Schimpfkanonade erhärtet den Verdacht. Wer sich verbal derart verliert, dem ist auch zuzutrauen, dass er die Hand erhebt.

Dass Oksana während der aufgezeichneten Gespräche unglaublich ruhig und ausgeglichen bleibt, erinnert daran, dass sie es ist, die das Tonband eingeschaltet hat. Der Anlass für die Wutausbrüche ist nicht zu hören. Welche Worte vor dem Mitschnitt gefallen sind, darüber lässt sich bestenfalls spekulieren.

Wer hatte noch nie einen groben Streit mit seinem Partner oder seiner Partnerin? Meistens folgt eine Versöhnung und die gegenseitigen, irrationalen und zutiefst beleidigenden Vorwürfe sind bald vergessen. Nicht so, wenn die Beziehung einmal zerbrochen ist. Hier geht als Sieger hervor, wer seinen kühlen Verstand bewahrt, wer den Knopf zum richtigen Zeitpunkt drückt, plötzlich mit sanfter Stimme spricht und vielleicht gerade dadurch den nun restlos Verwirrten noch weiter zur Raserei treibt. Oksana vorzuwerfen, dass sie äußert raffiniert handelt, entschuldigt Mel Gibsons Verhalten keineswegs, aber es verdeutlicht, wie sich die Situation entwickelt hat.

Mel Gibson hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich. Sein Name füllte die Kinosäle und seine Gagen kletterten in den achtstelligen Bereich. Doch dann erlaubte er sich einen schweren Fehler. Er machte sich daran, ein Thema aufzugreifen, das in Hollywood als Tabu gilt. Allerdings, trotz Kampagnen gegen den Film, trotz persönlicher Angriffe gegenüber seiner eigenen religiösen Einstellung, wurde „Die Passion Christi“, ein Meisterwerk der Symbolik, zum Kassenschlager.

Auch wenn der nächste Film, in dem Mel Gibson Regie führte, „Apocalypto“, finanziellen Erfolg mit sich brachte, die hohen Erwartungen des Publikums wurden sicher nicht zur Gänze befriedigt. Doch davon ganz abgesehen, plötzlich wurde es ausnehmend still um ihn.

Lag es an seiner Agentur, die ihn nun wegen der Verwendung des sogenannten N-Wortes gefeuert hat, die es nicht geschafft hatte, ihm Aufträge zu bringen? Oder hatte Mel Gibson selbst keine Lust mehr zu arbeiten?

Seine Alkoholprobleme sind kein Geheimnis. Mel Gibson mag reich und berühmt sein, doch glücklich wirkt er, wenn man seinen Telefongesprächen lauscht, mit Sicherheit nicht. Sein Film „Braveheart“ führte zu drastischen politischen Veränderungen in Schottland. „Die Passion Christi“ übte einen Einfluss auf seine Zukunft aus, dessen Mel Gibson sich hätte bewusst sein müssen. Im Jahr 2004 war er 48 Jahre alt, konnte sich einer Serie von Erfolgen erfreuen, die nur wenige Menschen auf dieser Welt mit ihm teilen, und war finanziell für alle Zukunft versorgt.

An irgend etwas ist Mel Gibson zerbrochen. Wartete er auf weitere Erfolge in der Filmbranche, nachdem er Hollywood den Krieg erklärt hatte? Es ist schwer, eine Antwort darauf zu finden, ohne ihn persönlich zu kennen. Auch wenn sich seine russische Exfreundin nicht fair gegen ihn verhält, sein Auftreten zeigt unverzeihliche Schwächen, die man von einem gebildeten Mann in seiner Situation nicht erwartet hätte. Schade. So wie die Situation jetzt aussieht, muss er sich mit dem Ruhestand abfinden. Und es wäre für ihn zu hoffen, dass er einen Weg findet, sich psychisch doch wieder zu festigen.

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