Eine Studie ergab, wie Focus-Online berichtet, dass Jugendliche, die mit Zigaretten-Werbung konfrontiert werden, einer größeren Motivation ausgesetzt sind, zu rauchen zu beginnen. Was für eine Überraschung! Was sonst, soll Werbung denn bezwecken? Aus genau diesem Grund, ist Werbung für Tabakwaren in den USA und Kanada schon lange untersagt. Im Vorjahr ist der legendäre Grand Prix von Montreal ausgefallen, weil die Zigaretten-Industrie schließlich zu den Sponsoren der Formel I zählt. Wenn Werbung, im Zusammenhang mit Tabakkonsum, näheren Untersuchungen unerzogen wird, wie sieht es mit anderen Produktanpreisungen aus? Ist die gezielt angewandte Manipulation – oder Gehirnwäsche – ansonsten wirklich so harmlos.
Zweifellos ist jeder Raucher davon überzeugt, dass junge Leute damit gar nicht erst einmal anfangen sollen. Letztendlich ist es absurd, eine Sucht zu provozieren, um, durch das Stillen des Verlangens, unangenehme Empfindungen zu überwinden, die nicht auftauchen würden, hätte man sich dieser Gewohnheit nicht verschrieben. Und jeder, der vor zwanzig, dreißig oder mehr Jahren mit dem Rauchen begonnen hat, erinnert sich nur zu genau, wie die Summe der Eindrücke zur Überzeugung geführt hat, dass der Mensch einfach rauchen muss, um erwachsen oder einfach cool zu sein.
Ohne jetzt auf die Vielzahl der werbetechnischen Tricks näher einzugehen, inklusive qualmender Helden, Ärzte und Wissenschaftler in den damaligen Spielfilmen, lohnt sich jedoch ein Blick auf einen ganz besonderen Schritt im Zigaretten-Marketing, nämlich, wie die Welt – vorerst natürlich einmal Amerika – davon überzeugt wurde, dass Rauchen auch für Frauen chic sei.
Ein Name ist in der Entwicklung moderner Werbung absolut erwähnenswert. Edward Bernays, ein Neffe von Sigmund Freud, gilt als der Schöpfer des Begriffes „Public Relations“. Zu seinen ersten Klienten gehörte die Tabak-Industrie, die lange Zeit hilflos zusehen musst, wie der halbe mögliche Markt, nämlich Frauen, für sie unerreichbar blieb. Rauchende Frauen waren gesellschaftlich einfach nicht akzeptiert. Bernays konsultierte daraufhin Psycho-Analytiker, eine neue und über alle Maßen überschätzte Wissenschaft, um herauszufinden, was eine Zigarette symbolisiert. Man braucht nicht lange zu raten, was die Antwort war. Einen Penis. Das erklärte natürlich, warum Frauen, zumindest öffentlich, mit diesen Dingern nicht hantieren wollten. Edward Bernays wusste Abhilfe.
Bei der legendären New Yorker Easter Parade, zeigte sich unter den Akteuren eine Gruppe von etwa zehn attraktiven Damen. Plötzlich, alle zum gleichen Zeitpunkt, holte jede von ihnen eine Zigarette hervor und zündeten sie an. „Rein Zufällig“ warteten genau an dieser Stelle eine Menge von Pressefotografen, und schon am nächsten Tag lasen Millionen von Menschen, auch in Europa, die Schlagzeilen. Als „Fackel der Freiheit“ wurde der brennende Glimmstängel in Frauenhand bezeichnet. Endlich war es vorbei mit der Unterdrückung. Zum Auftreten der wirklich emanzipierten Frau gehörte plötzlich dieses neue Freiheitssymbol. Und die Umsätze der Zigaretten-Hersteller explodierten.
Die 1920er, bis zum großen Börsenkrach und der darauffolgenden Wirtschaftskrise, die bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges andauerte, denn für Kriege hat es ja schließlich noch nie an Geld gefehlt, waren auch jene Jahre, in denen das Konsumdenken einer Veränderung unterzogen wurde. Die Botschaft der ersten Versuche des Anpreisens von Waren, in Zeitungen, Magazinen und auf Plakaten, könnte man mit folgenden Worten umschreiben: „Du brauchst Seife? Dann kauf doch unsere!“
Diese Art des Feilbietens führte allerdings bloß zu dem Resultat, bestehenden Bedarf zu nutzen. Dem Wirtschaftswachstum waren dabei natürliche Grenzen gesetzt. Moderne Maschinen erlaubten die Produktion großer Stückzahlen. Wie ließ sich ein größerer Absatzmarkt schaffen?
Durch das sogenannte „Wecken des Bedarfs“. Was ist damit genau gemeint? Man überzeugt Menschen davon, dass der Kauf von etwas, was sie eigentlich nicht brauchen, sie zu glücklicheren Wesen macht. Der Konsument sollte beginnen, mit dem Produkt, ungeachtet ob es sich um Getränke oder Nahrungsmittel, um Kleidung oder um alle möglichen Gebrauchsgegenstände handelte, Assoziationen zu verknüpfen. Plötzlich war ein Auto nicht mehr ein einfaches Fahrzeug, mit der Aufgabe, den Inhaber von einem Ort zum anderen zu bringen, nein, es wurde zum Statussymbol, zum Spiegelbild, zum Ausdruck der Persönlichkeit. Dass teure Kleidung immer schon zu besserem Ansehen in der Gesellschaft geführt hat, ist eine historische Tatsache. Doch plötzlich wurden Eindrücke erschaffen und verbreitet, dass eine ganz bestimmte Marke und ein spezieller Stil, der sich noch dazu jährlich veränderte, ein erstrebenswertes Persönlichkeitsbild repräsentiert.
Wie sich die Forschungen der Werbepsychologie, während der folgenden 80 Jahre, weiter entwickelt hat, lässt sich jederzeit erkennen, wenn man den Aufbau von Werbung näher unter die Lupe nimmt. Von primitiven Instinkten bis zu idealistischen Träumen, wird alles angesprochen, was der gemeine Mensch im täglichen Leben vermisst. Autos gleiten über unbefahrene Bergstraßen, ein Schluck vom Softdrink wird durch ein verführerisches Lächeln belohnt, nach dem aufregenden Fußballspiel hat der gertenschlanke Sohnemann sich seinen Hamburger auch redlich verdient, und freudestrahlend legt Mama die schmutzigen Leibchen in die Waschmaschine. Eine heile, eine perfekte Welt.
Sollte daran etwas falsch sein? Beleben diese erfrischenden Szenen nicht den grauen Alltag? Hilft das Schaffen idealer Images nicht dem Einzelnen, seine wahre Identität zu finden?
Ich will jetzt niemandem die Lust nehmen, sich ein Paar jener Jeans zu kaufen, die ihn, seiner Hoffnung nach, zum idealen Sexualpartner werden lassen. Wir glauben jedoch, objektiv denkende Menschen zu sein. Werbung spricht aber nicht das objektive Denken an. Bei Werbung handelt es sich um ausgeklügelte Manipulation, um wissenschaftlich fundierte Gehirnwäsche. Und wie erfolgreich die Anwendung davon ist, beweisen die enormen Geldsummen, die in den Bereich Public Relations fließen. Würden sich die nämlich nicht, durch entsprechend gesteigerte Umsätze, bezahlt machen, wäre wohl kein Unternehmen bereit, diese Ausgaben zu tragen.
Doch, ganz abgesehen davon, dass mit jedem Werbespot die Intelligenz des Zusehers beleidigt wird, was für Folgen kann diese Art der Manipulation mit sich bringen? Im Falle der Zigaretten-Werbung, wissen wir es. Einer der diesbezüglichen Vorwürfe lautet, dass man gezielt junges Publikum anspräche. Natürlich, denn die Älteren gehören ja schon lange zu den Kunden. Wie erwähnt, das eigentliche Ziel der Werbung ist nicht wirklich, auf eine bestimmte Marke zu verweisen, sondern das Wecken des Bedarfs. Was für Schäden das appetitanregende Anpreisen von Nahrungsmittel mit sich führen kann, darüber haben wir bereits in dem Artikel berichtet, in dem wir das Problem von zwei Millionen Amerikanern behandelten, die mehr als 250 Kilogramm auf die Waage bringen.
Solange Werbung Erwachsene anspricht, lässt sich natürlich immer noch davon ausgehen, dass die Opfer solcher Kampagnen letztendlich alt genug seien, zu wissen, was sie tun, und somit selber schuld tragen. Sie sind ja volljährig. (Dass sie, wenn sie sich einen Joint anstecken oder außerhalb eines staatlichen Kasinos um Geldeinsätze spielen, vor sich selbst beschützt werden müssen, wäre ein anderes Thema.) Doch, wie sieht es aus mit Kindern? Nicht nur, dass die Eltern vielleicht unter finanziellen Druck geraten, weil der Nachwuchs glaubt, irgend ein unsinniges Spielzeug zu benötigen, um wahres Glücksgefühl zu finden, wie entwickeln sich Menschen, die unter derartigen Aspekten heranwachsen? Sobald die Fähigkeit zur Wahrnehmung einsetzt, beginnen Kleinkinder damit, alle Eindrücke in sich aufzusaugen, zu verarbeiten, und dementsprechend wird die neu entstehende Persönlichkeit geformt. Ich will jetzt nicht Psychologe spielen, doch sagt nicht der einfache, gesunde Hausverstand, dass es zur Prägung eines völlig falschen Weltbildes führen müsste, wenn Werbespots zu dieser Persönlichkeitsbildung beitragen? Stecken nicht bestens ausgebildete und hochintelligente Werbepsychologen hinter dem Aufbau dieser Illusionsfabrik? Und wie alt muss ein Mensch, der unter derartigen Voraussetzungen groß wird, letztendlich werden, um die wahren Hintergründe dieser strategischen Manipulationskampagnen verstehen zu lernen?
Über dieses Thema, über die Konsequenzen von Werbung, lässt sich lange nachdenken. Wir sind gewohnt, dass Wesentliches, was unser aller Leben betrifft, früher oder später auch zur öffentlichen Diskussion führt, wie etwa das Gesundheitsrisiko, das Tabakkonsum mit sich bringt. Nachdem sich aber kein einziges Medium, keine Zeitung, kein Magazin, kein TV- und kein Radiosender findet, der an Werbung im allgemeinen auch nur irgend etwas kritisierbar findet, dann können wir doch wohl davon ausgehen, dass es nichts zu kritisieren gibt, nicht wahr? Schnaps zu trinken, ungeachtet der Menge, ist ja auch völlig harmlos, sonst würde mich der Wirt, der uns den Schnaps verkauft, doch schließlich darauf hin weisen.