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„Ein Brief ist eine Seele“ (Honoré de Balzac, 1799-1850)
Briefe sind so alt, wie das menschliche Bedürfnis, sich mitzuteilen und das Erlebte in Worten festzuhalten. Auch Papierbriefe haben eine jahrhundertelange Geschichte und waren bereits im Alten China bekannt. Briefumschläge sind dagegen relativ jung und konnten sich erst in den letzten Jahrhunderten behaupten. Interessant ist es auch einen kurzen Blick darauf zu werfen, mit welchen Mitteln Briefe auf Papier in der Geschichte gebracht wurden. Daher verschmelzen sich in diesem nur scheinbar einfachen Thema mindestens drei Stränge, nämlich die Entstehung des Papiers, die Entwicklung des Briefs als einer Form der Kommunikation und letztendlich die Geschichte des Briefumschlags.
Papier erobert die Welt
Es ist genau bekannt, wann, wo und von wem Papier erfunden wurde. 105 n. Chr., China. Tsái Lun, ein Beamter des Kaisers, beobachtet das emsige Treiben der Papierwespen. Diese Insekten stellen eine Art Papier her, indem sie Holzfasern durchkauen. Aus diesem Papier bauen sie ihre Nester. Laut dem chinesischen Minister konnte Papier nicht nur aus Holz, sondern auch aus Moos oder alten Lumpen produziert werden. Papier aus Lumpen war eine der weit verbreiteten und auch günstigen Papiersorten, die in Europa bekannt waren. Die erste Papiermühle drehte sich vermutlich in Spanien, in einem Ort Xativa, und zwar bereits im Jahre 1144 n. Chr. Die Herstellung des Papiers war damals eine mühsame Angelegenheit, denn jedes Blatt musste per Hand mit Hilfe eines Siebs auf dem Faserbrei in einer Bütte geschöpft werden. Anschließend musste Papier nicht nur getrocknet, sondern auch mit einem Ahat-Stein geglättet werden. Erst Ende des 18. Jhs., im Jahre 1798, wurde von Nicholas-Louis Robert eine sog. Langsieb-Papiermaschine erfunden, dessen Prinzip auch in der heutigen Technik verwendet wird. (Quelle)
Brief – eine perfekte Art, sich mitzuteilen
Kurz oder lang, amtlich oder privat – ein Brief ist bereits im alten Ägypten bekannt. Diese Briefe, die einen sehr kultivierten Stil aufwiesen, wurden nicht auf Papier, sondern auf Papyrus oder auf speziellen Ton-Täfelchen geschrieben. Ton war auch das Material, auf dem alte Griechen und Römer ihre Briefbotschaften verfassten. Seit der Antike ist auch ein Brief auf Pergament, d.h. auf einer speziell bearbeiteten Tierhaut, bekannt. Papierbriefe wurden natürlich seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert in China geschrieben und verschickt. In der Geschichte gab es seitdem keine brieflosen Zeiten mehr. (Quelle)
Papierbrief wird individualisiert
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, einen Brief individuell zu gestalten. Die erste ist, das Schriftstück zu signieren, die zweite sind Wasserzeichen. Doppelt hält besser – unterschriebene Briefe auf Papierbögen mit Wasserzeichen können wohl kaum verwechselt werden. Wasserzeichen sind seit dem 13. Jh. in Europa bekannt. Der ursprüngliche Grund für die Erfindung der Wasserzeichen war übrigens nicht der Wunsch, einen Brief zu individualisieren, sondern die Angst der Papiermühlen um ihren Ruf. Neben den vielen Mühlen, die qualitätsvolle Ware lieferten, gab es schon damals einige „schwarze Schafe“. Um eigenes hochwertiges Produkt zu kennzeichnen, wurde an dem Schöpfsieb jeder Mühle ein besonders geformtes Geflecht aus Draht befestigt. An dieser Stelle war die Papierschicht dünner und ein Muster schimmerte durch. Bald entdeckten staatliche Beamte und Kirchenoberen diese einfache und sichere Möglichkeit, ihrem Brief eine persönliche Note zu verleihen.
Brief im Mittelalter und in der Neuzeit – spannender Inhalt
Worüber wurde denn in den Briefen der Alt- und Neuzeit berichtet? Briefe verraten nicht nur recht viel über diejenige, die sie verfasst haben, sondern auch über die Umstände, unter denen die geschrieben wurden und natürlich über die Gepflogenheiten der jeweiligen Zeit. Es versteht sich von selbst, dass einen Brief nur jemand schreiben konnte, wer auch des Lesens und Schreibens kundig war. Daher blieb das Verfassen von einer Epistula lange der Oberschicht vorbehalten, da wenn ein Vertreter dieser Schicht auch nicht selbst lesen konnte, so hatte er Geld genug, um einen Schreiber zu beauftragen. Nicht zufällig wurde hier der lateinische Begriff für „Brief“ gewählt, denn die ersten Papierbriefe, jedenfalls die aus dem europäischen Sprachraum, wurden auf Latein verfasst. Diese Sprache war jahrhundertelang die offizielle Verkehrssprache auf dem Kontinent, in der sich gebildete Menschen aus vielen Nationen verständigen konnten. In der Regel waren übrigens die Briefe undatiert, der Usus, ein Datum auf dem Brief festzuhalten, entstand erst in den Zeiten der Renaissance. Den Großteil von bis heute erhaltenen mittelalterlichen Briefen auf Papier stellen offizielle Schreiben und Dokumente dar. Das ist kein Wunder, denn Papier war damals teuer. Diese Papierbriefe enthalten u.a. Befehle von Kaisern und Königen, Bekanntmachungen von unterschiedlichen Ämtern oder sind Zeugnisse von einer wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung. Eine interessante Quelle für die Geschichte des Papierbriefes ist der rege Briefwechsel, den Martin Luther mit seinen Gegnern und Mitstreitern geführt hatte. Bei diesen Briefen, in der kritischen Weimarer Ausgabe enthalten, ist die interessante Entwicklung von dem rein offiziellen zum persönlichen Brief zu beobachten. Luthers Briefe sind oft in einer sehr lebhaften Sprache verfasst und enthalten neben persönlichen Meinungen auch Berichte über seine Familie und auch über seine Gefühlswelt und Gesundheit. Selbstverständlich wurden bereits vor Luther persönliche Papierbriefe geschrieben. Sogar aus dem 12. Jh., kurz nachdem Papier in Europa bekannt wurde, sind einige, meistens kurze, Liebesbriefe erhalten. Übrigens: Bereits in der Antike waren auch fungierte Briefe bekannt, die vor allem ein literarisches Stilmittel darstellen. Der bekannteste Briefroman aus der neueren Zeit ist vermutlich „Die Leiden des jungen Werthers“ von J.-W. Goethe. Es lohnt sich, über das Briefformat der frühen Epistulae einige Worte zu sagen. In der damaligen Zeit gab es keine standardisierten Briefbögen, so dass die Briefe von früher sehr vielfältig in ihrem Aussehen sind. Klein ist das Format von Liebesbriefen, denn sie wechselten oft nur heimlich ihren Besitzer. Dafür sehr groß, beinahe schon überdimensional, sind Schreiben der Adeligen oder Kirchenfürsten. Ein solcher Brief wurde vor dem Absenden zusammen gerollt, mit einer Schnur festgehalten und zusätzlich versiegelt. Mit der Zeit wurde ein Brief auf Papier alltäglicher. Auch die Alphabetisierung der Bevölkerung in Europa trieb die Verbreitung des Briefes voran. Einen Brief zu schreiben wurde zu einer weit verbreiteten Beschäftigung. Die Entwicklung der Post machte die Zustellung von Briefen innerhalb des Europäischen Kontinents zu einer Angelegenheit von zunächst einigen Wochen und später nur Tagen.
Tinte, Stilus un Co
Bereits im 4. Jh. wurde mit einer Feder geschrieben, mit einer von einer Gans meistens. Der Federkiel wurde zugespitzt, die Feder in die Tinte eingetunkt und schon ging das Schreiben los. Das Problem – immer wieder musste die Feder in der Tinte baden, damit sie Spuren auf Papier hinterließ. Das Gleiche galt auch für die im 18. Jh. erfundene Stahlfeder. Die Massenproduktion von solchen Schreibfedern aus Metall begann erst Anfang des 19. Jhs. Obwohl ein Füllfederhalter bereits im 17. Jh. erfunden wurde, begann sein Triumphzug erst ab Mitte des 19. Jhs. Der moderne Kugelschreiber, der in den 1940er-Jahren entwickelt wurde, eroberte seitdem die Welt dank seinen praktischen Eigenschaften. Übrigens: Geschrieben wird seit Jahrtausenden mit Tinte, die bereits 3000 v. Chr. im Alten Ägypten erfunden wurde. Wie damals, so auch heute, stellt Tinte eine flüssige Lösung von unterschiedlichen Farbmitteln dar. (Quelle)
Falten oder einstecken – so entstand der Briefumschlag
Kein Brief ohne einen Briefumschlag? Heute scheint der Briefumschlag ein selbstverständliches Attribut von jeder Postsendung zu sein. Doch dem war es nicht immer so. Lange Zeit wurde ein Brief nicht in den Umschlag gesteckt, sonders gefaltet und anschließend versiegelt. Die Erklärung für dieses Vorgehen ist einfach: Papier war teuer und zu schade, um ein Kuvert daraus zu basteln. Doch bereits im 17. Jh. konnten die ersten Briefumschläge aus Papier nachgewiesen werden. Aus dem 18. Jh. sind sogenannte „blaue Umschläge“ für den Schriftverkehr des preußischen Königs mit seinen Ministern und Ämtern erhalten. Es ist bekannt, dass der Hof ungefähr 1000 solche Briefumschläge pro Monat bei einer Papiermanufaktur bestellte. Seit Anfang der 19. Jhs., genauer gesagt, seit 1807, wurden in England serienmäßig Briefumschläge hergestellt. Damals wurde viel Handarbeit benötigt, um einen Briefumschlag zu produzieren. Das Papier wurde nach den extra angefertigten Schablonen geschnitten, gefalzt und anschließend wurde ein Briefumschlag geklebt. Brewer, ein Papierhändler aus Brighton, beschäftigte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jhs. bis zu 12 Arbeiter für diese recht aufwendige Aufgabe. Der Franzose Marquet übernahm die englische Erfahrung und gründete Ende der 1830er-Jahre eine Fabrik in Paris. Doch auch in dieser Fabrik wurde ein Briefumschlag immer noch in aufwendiger Handarbeit hergestellt. Die erste Maschine, die einen Briefumschlag aus Papier relativ schnell produzieren konnte, war die Tret- und Falzmaschine von Warren de la Rue und Edward Hill. Der Beginn der maschinellen Fertigung von Briefumschlägen kann auf den 17. März 1845 datiert werden. An diesem Tag wurde für die Tret- und Falzmaschine ein Patent in London erteilt. Auf der Grundlage von dieser Maschinen wurden weitere Falz-Automaten entwickelt, die z.B. eine Massenproduktion von Tüten und Beuteln aus Papier möglich machten. Interessanterweise wurde ebenfalls in 1845, aber dieses Mal in Frankreich, eine ähnliche Maschine entwickelt. Auch im Jahre 1845 wurde von George Wilson in England ein Patent für den Briefumschlag erhalten, dessen Form bis heute gültig ist, nämlich ein rautenförmig gestanztes Kuvert. Fünf Jahre später konnte eine modernisierte Maschine nicht mehr nur einen Umschlag, sondern einen Stapel auf einmal bearbeiten. Das war der endgültige Durchbruch zur Massenanfertigung von Kuverts. Die ersten freigemachten Briefumschläge entstehen auch in den 1840er-Jahren. In Deutschland erscheinen die ersten solchen Franko-Kuverts in Stuttgart. Zunächst befand sich die Produktion von Briefumschlägen in staatlicher Hand, doch bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. wurden die Umschläge auch von privaten Fabriken und Manufakturen hergestellt. In dieser Zeit wurden Briefe allgegenwärtig und entwickelten sich rapide zum wichtigsten Kommunikationsmittel. Bis am Anfang des 20. Jh. das Telefon seinen Triumphzug begonnen hat und am Ende des gleichen Jahrhunderts die elektronische Kommunikation via E-Mail und Internet dazu kam. Allerdings ist der Papierbrief immer noch aktuell, denn nur auf Papier lässt es sich so schön per Hand schreiben und Papierbriefe garantieren auch am besten das Postgeheimnis. (Quelle)
Die Geschichte des Briefes allgemein ist seit Jahrhunderten mit der Geschichte der Briefe aus Papier untrennbar verbunden. Dem Papier wurden Worte der Liebe und wichtige Gesetze anvertraut, mit Hilfe von Briefen wurden Streite ausgetragen und philosophische Auseinandersetzungen geführt. Papierbriefe sind ein wichtiger Bestandteil der Kommunikationskultur und der Zivilisation insgesamt. Relativ spät gesellten sich zu den Briefen Umschläge, die heute eine Selbstverständlichkeit sind. Geschichte der Briefe hängt mit der Entstehung der Post zusammen, denn ohne einen zuverlässigen Boten kommt kein Brief vom Absender zum Adressaten. Natürlich soll, wenn auch nur zum Schluss, der Motor der Briefe, die Briefmarke, erwähnt werden. Von der ersten Briefmarke in der Geschichte, dem One Penny Black aus dem Jahr 1840, bis zu der modernen Vielfalt der kunterbunten Postwertzeichen führt ein langer und spannender Weg. Doch das ist eine andere Geschichte.