In welche Richtung bewegt sich unsere Zivilisation? Gibt es Anzeichen von steigender Lebensqualität? Oder ist der Eindruck, dass immer mehr Spannungsherde entstehen, nicht bloß subjektiv? Spannungen in monetären und wirtschaftlichen Bereichen. Spannungen zwischen Ländern. Zwischen Kulturen. Ein Blick auf die einzelnen Entwicklungen seit der Jahrtausendwende vermittelt durchaus Anlass zur Besorgnis.
In Deutschland sollen es drei Viertel der Bevölkerung sein, die nie oder nur höchst selten die Nachrichten verfolgen. Beati pauperes spiritu. Vermutlich funktioniert die Demokratie gerade deswegen so gut; überlässt doch die entscheidende Mehrheit das Denken den Anderen.
Dass die „fetten Jahre“ vorüber seien, wurde schon um 1990 erzählt. Zwar glaubten in Deutschland viele daran, dass der Auslöser aller finanziellen Probleme der 1990er-Jahre in der Wiedervereinigung wurzelte, doch zeichnete sich dieselbe Tendenz auch in anderen europäischen Ländern ab.
Und wo stehen wir heute? So absurd es überhaupt ist, dass sich souveräne Staaten vom privaten Finanzsektor Geld leihen, anstatt dieses selbst zu schöpfen und in Umlauf zu bringen, Jahr für Jahr wuchs der Schuldenberg weiter an. Die folgende Graphik verdeutlicht den Anstieg der öffentlichen Verbindlichkeiten zwischen 1960 und 2010.
Obwohl das politische System, in dem wir leben, als Demokratie bezeichnet wird, also als Volksherrschaft, befinden sich systemrelevante Institutionen in privater Hand. Dies bedeutet, dass in den sogenannten guten Jahren ansehnliche Gewinne abgeschöpft werden, kommt es aufgrund massiver Fehlspekulationen jedoch zu Engpässen, muss mit öffentlichen Geldern ausgeholfen werden. Dass die Vermögen der finanziellen Elite unaufhaltsam ansteigen, ist genauso wenig ein Geheimnis wie die fortschreitende Verbreitung tatsächlicher Armut. Doch wer sich für die wirtschaftlichen Entwicklungen nicht interessiert, der sieht über solcherart „Kleinigkeiten“ gerne hinweg. Und wenn Abgeordnete mit überwältigender Mehrheit ESM und Fiskalpakt zustimmen, wenn die höchsten Richter des Landes keine Verletzung des Grundrechts erkennen, dann müsste eigentlich alles in Ordnung sein. Schreibt dann Der Spiegel, dass die Euro-Länder den Rettungsschirm auf zwei Billionen hebeln möchten, finden sich vermutlich noch immer sehr wenige Leser, denen dies Kopfzerbrechen verursacht.
Ohne überzeugender Erklärung warum, muss dieser Euro aber unter allen Umständen erhalten werden. Den Dollar als Leitwährung abzulösen, ist aus verschiedenen Gründen ja nicht gelungen. Doch auch wenn die Eurokrise im Vordergrund steht, dem Dollar ergeht es um nichts besser. Als die amerikanischen Wähler vor vier Jahren ihr Vertrauen in Barack Obama setzten, betrugen die öffentlichen Schulden der Vereinigten Staaten noch 10,3 Billionen Dollar. Heute sind es 16 Billionen, um 55% mehr. Was für eine Leistung. Bei englischen Buchmachern notiert Obama aber trotzdem als 1-zu-4-Favorit, um ein zweites Mal ins Weiße Haus gewählt zu werden (was sich zumindest teilweise aber auch durch die Auswahl seines Gegenkandidaten Mitt Romney erklären lässt).
Weder in den USA noch in Europa ist die Wirtschafts- und Finanzkrise überstanden. Sowohl das Schuldgeldystem als auch der aufgeblasene Finanzsektor lassen keine befriedigende Lösung zu. Die Realwirtschaft kann sich die Finanzwirtschaft nicht mehr leisten. Der Anteil der Mittel, die dem Wirtschaftskreislauf entnommen wurden, ist bereits jetzt zu hoch. Sparmaßnahmen und Wirtschaftsbelebung lassen sich nicht parallel durchsetzen. Die Idee ist ebenso absurd wie Rinder durch reduzierte Futtermengen zu mästen.
Doch nicht nur finanzielle Probleme sind Anlass zur Sorge. Entweder ist die Menschheit nicht fähig, aus der Vergangenheit zu lernen – oder die Fäden werden von Individuen gezogen, denen es sowohl an Vernunft als auch an Skrupeln mangelt.
Nur Wochen nach den tragischen Ereignissen vom 11. September wurde Afghanistan überfallen. Aus welchem Anlass? Weil sich die dortige Regierung geweigert hatte, Osama Bin Laden ohne jegliche Beweise für ein Mitwirken bei den Terroranschlägen an die USA auszuliefern. Eigentlich hätte die so friedliebende und loyale „internationale Gemeinschaft“ die Amerikaner für diesen Angriffskrieg schuldig sprechen müssen. Doch die Amerikaner mit ihren NATO-Vasallen sind ja „die Guten“ – so lautet das Grundsatzdogma der konsumorientierten westlichen Welt. Wer nach den wahren Gründen für den Krieg forscht, ob es sich um die Sicherung einer Pipeline handelt, um reiche Vorkommen an seltenen Erden oder den von der C.I.A. neu in Schwung gebrachten Opiumanbau, von der breiten Masse wird die Frage alleine schon als verwerflich, als verschwörungstheoretisch, abgetan. Auf die wirtschaftlichen Hintergründe von Kriegen darf nicht verwiesen werden. Nicht einmal von einem Bundespräsidenten.
Schon George W. Bush nannte die nächsten Kriegsgegner, die er als „Achse des Bösen“ bezeichnete (was für ein sachliches Argument): Irak, Iran und Nordkorea. Der Irak befindet sich mittlerweile unter westlicher Kontrolle – auch wenn die US-Soldaten abgezogen sind. Iran und Nordkorea genießen weiterhin den Ruf von Schurkenstaaten. In beiden Fällen ließe sich ein Auslöser für einen Angriffskrieg leicht inszenieren. Wer wird für wen Partei ergreifen? Werden Russland und China ihre Zusagen einhalten, den Iran im Falle eines Angriffes zu verteidigen? Diesbezüglich sei jedoch erwähnt, dass weder Angriffskriege noch Verteidigungszusagen auch nicht das geringste mit „humanitären Gründen“ zu tun haben. Es geht immer nur um die Wahrung der eigenen wirtschaftlichen Interessen. (Was wiederum den Verdacht mit sich bringt, dass die wahren Kriegstreiber gar nicht in den Reihen der Politiker zu suchen sind.)
Doch plötzlich gibt es auch Spannungen zwischen den traditionellen Rivalen China und Japan. Es geht um eine unbewohnbare Inselgruppe. Insbesondere die Tatsache, dass sich die beiden Staaten wirtschaftlich näherkamen, seit 1. Juni direkten Währungshandel betrieben, also ohne Umweg über den US-Dollar, lässt den entflammten Inselstreit äußerst sonderbar erscheinen.
Während Israel, angeblich von den USA unabhängig, immer häufiger Kriegsdrohungen gegen den Iran äußert, Russland von einem NATO-Raketenschild umzingelt wird, China und Japan ihre Armeen in Alarmbereitschaft versetzen, wird weiteres Öl in einen seit langem schwelenden Krisenherd gegossen. Radikale Muselmanen versammeln sich zu gewalttätigen Märschen, die sich gegen alles richten, was aus dem Westen stammt. Nicht viel Einfallsgabe ist vonnöten, um solcherart Protestzüge auszulösen. Eine Karikatur von Mohammed, eine angekündigte Koranverbrennung oder ein miserables Video, das daran erinnern könnte, dass der Prophet die Ehe mit seiner jüngsten Frau konsumiert haben soll, als diese gerade neun Jahre alt war. Jede Bemerkung, die sich gegen Mohammed richtet, wird von einer nennenswerten Zahl seiner Getreuen als persönliche Beleidigung verstanden. Ihrem Glauben entsprechend ist es der direkte Weg ins Paradies, Ungläubige rasch in die Hölle zu senden. Dabei handelt es sich übrigens um keine „islamophobe Spekulation“, sondern um eine von vielen diesbezüglichen Anweisungen im Koran: „Und wenn nun die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Heiden, wo (immer) ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf!“ (9 : 5)
Es gibt sogenannte Trendforscher, wie Gerald Celente, die aus dem Ablauf der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen die Pläne für die Zukunft herauszulesen versuchen. Die Erfolge halten sich in Grenzen. Denn immer wieder geschehen Dinge, plötzlich und unvorhersehbar, die völlig neue Voraussetzungen schaffen.
Wer hätte vor dem 11. September 2001 Anzeichen erkannt, dass ein internationaler „Krieg gegen den Terrorismus“ einsetzen könnte? Wer hätte damit gerechnet, dass sich die westliche Welt gegen ihre Langzeitverbündeten Ben Ali und Mubarak stellt. Dass demokratische Wahlen islamistischen Extremisten an die Macht verhelfen werden, war eigentlich zu erwarten, auch wenn sich manche Politiker und die Medien diesbezüglich überrascht geben.
Werden sich die Mord- und Brandanschläge in den islamischen Ländern wieder legen? Nur wenn die Meinungsmacher es so wollen, und nicht immer wieder auf neue „Provokationen“ verweisen. In diesem Fall könnten die Ausschreitungen auch leicht auf Europa übergreifen, wo bis jetzt ja noch eher friedlich demonstriert wird.
Welche Konsequenzen steigende Spannungen zwischen dem Islam und dem Rest der Welt mit sich bringen könnten, ist nur jenen Menschen nicht bewusst, die sich noch niemals mit den Kernelementen des Islam auseinandergesetzt haben. Das so oft zitierte Streben nach einer friedlichen Welt setzt nämlich voraus, dass diese erst einmal zur Gänze islamisiert werden muss, wie es unter anderem der ägyptische Journalist und Muslimbruder Sayyid Qutb (1906 – 1966) mehrfach ausführlich erklärt hatte.
Weltweit wird die Zahl der Muslime auf etwa 1,7 Milliarden geschätzt. Christen soll es zwar noch immer mehr als zwei Milliarden geben, ziehen wir davon jedoch modern orientierte Menschen, die sich eher aus Tradition Christen nennen, ab, so handelt es sich beim Islam mittlerweile zweifellos um die dominierende Religion. Ein Glaube, der sich mit dem modernen Weltbild nicht vereinigen lässt.
Wenn immer größere Konflikte in Vorbereitung stehen, wird in der Öffentlichkeit erst einmal Stimmung gemacht. Wie Stephan Zweig in seiner Autobiographie („Die Welt von gestern“) erklärte, besuchte er im Mai 1914 ein Kino in einer französischen Kleinstadt. In der Wochenschau – eine bis in die 1970er-Jahre verbreitete Form der Nachrichtenübermittlung – wurde gegen den deutschen Kaiser gehetzt. Stephan Zweig berichtete von seiner Verwunderung über die Aufgebrachtheit der Dorfbewohner. Kurz darauf brach ein Krieg aus, der bis zum Attentat von Sarajevo im Juni 1914 angeblich unvorhersehbar war.
Während wir seit 2001 einerseits lernen, dass es islamische Fundamentalisten und Terroristen gibt, werden wir gleichzeitig immer wieder daran erinnert, dass unsere islamischen Mitbürger natürlich nichts mit dem internationalen Terrorismus zu tun haben, was auch kaum zu bezweifeln ist. Sollten die Ausschreitungen jedoch eskalieren, sollten sie vielleicht nach Europa übergreifen, was sich ja ebenfalls recht leicht provozieren ließe, könnte sich diese Einstellung aber ändern.
Steckt hinter den Bestrebungen, den Islam mit landesüblichen Lebensweisen zu harmonisieren, wirklich ernste Absicht? Unter Berücksichtigung der Geburtenraten der einzelnen Bevölkerungsgruppen häufen sich die Hochrechnungen, dass innerhalb weniger Jahrzehnte Europa mehrheitlich von Muslimen bewohnt sein werde. Entspricht diese Entwicklung den Vorstellungen der Wirtschaftselite? Zeichnen sich christliche und atheistische Europäer nicht durch deutlich mehr Konsumfreudigkeit aus, der Voraussetzung für gewinnbringende Märkte?
Ein weiterer Denkanstoß zur objektiven Beurteilung der Situation ist die Einstellung zum Multikulturalismus. Selbstverständlich steckt hinter der Vorstellung, Menschen weder wegen ihrer Hautfarbe noch wegen ihrer Herkunft oder Religion zu diskriminieren, ein nobles Ideal. Werfen wir jedoch einen Blick über die Grenzen hinaus, wo sonst, außer in den westlichen Industriestaaten, werden Kulturvermischungen noch gefördert? Entspricht Multikulturalismus auch den Vorstellungen des Islam – oder warten Muslime vielleicht doch eher geduldig auf die Einführung der Sharia, einer auf islamischen Grundsätzen basierenden Rechtsordnung?
Bis ins späte 17. Jahrhundert bemühten sich die Osmanen, immer größere Teile Europas einzunehmen. So litten große Teile Ungarns, inklusive der Hauptstadt, anderthalb Jahrhunderte unter osmanischer Besetzung. Das von mächtigen Stadtmauern umringte Wien galt zu dieser Zeit als Bollwerk gegen die osmanischen Horden. Nach zweimonatiger Belagerung im Jahr 1683 war die Verteidigung Wiens jedoch bereits schwer angeschlagen. So versammelte sich am 11. September 1683 ein Entsatzheer unter der Führung des polnischen Königs Jan Sobieski in unmittelbarer Nähe der Stadt. Am nächsten Tag wurden die Türken zurückgeworfen. Eine Niederlage, die dem Traum eines islamischen Europas ein spontanes Ende setzte.
Es lässt sich kaum beurteilen, welches der vielen Pulverfässer als erstes zur Explosion gebracht werden wird. Wie anfangs erwähnt, die Schulden- und Wirtschaftskrise scheint sich ebenso als Langzeitproblem zu etablieren wie der Krieg gegen einen imaginären Feind, genannt Terrorismus. Wird Israel den Iran angreifen? Wird der Iran einen solchen Angriff vielleicht durch einen Terroranschlag provozieren? Wie werden sich Russland und China verhalten? Wird sich der Inselstreit zwischen China und Japan beilegen? Werden die Muslime ihren Unmut wieder verklingen lassen oder stehen andere Pläne auf dem Programm? Vielleicht wurde die Verfassungsänderung, die erlaubt, in Notfällen die Armee auch innerhalb der Grenzen Deutschlands einzusetzen, gar nicht wegen befürchteter Ausschreitungen im Zusammenhang mit Sparmaßnahmen durchgeführt, sondern wegen eines möglichen Glaubenskriegs.
Nur wenige Menschen wissen um die geplanten Entwicklungen. Die Hoffnung auf ein friedliches Leben, auf angemessene Einkommen und akzeptable Arbeitsbedingungen, auf eine Zukunft ohne Angst und ohne Druck, scheint jedoch immer mehr zu schwinden. Eigentlich ist dies schade. Ohne dem skrupellosen Machtstreben einzelner Gruppen könnte diese Erde nämlich ein durchaus angenehmer Platz zum Leben sein.