Donnerstag , 18 April 2024
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Aus den Augen, aus dem Sinn – Tonnenweise Müll im Zürcher See

muschel_fahrradWas wirklich an Müll in den Seen und Meeren dieser Welt liegt, wissen selbst Wissenschaftler nicht so genau. Kein Wunder also, dass man im Rahmen von Project Aware versucht, den maritimen Müll zu erfassen. Diese durch Tauchgänge und Bergeaktionen gewonnen Daten sollen ein genaueres Bild von der Verschmutzung der Meere liefern. Doch nicht nur in den Meeren findet sich Schrott, auch die Seen und Flüsse müssen als Endlager für alle möglichen und unmöglichen Reste herhalten. Besonders irritiert dabei, dass in der Schweiz ein scheinbar ambivalentes Verhältnis zu den Seen und dem Umgang mit Müll herrscht.

„Aus den Augen, aus dem Sinn“, erklärt mir Bruno Tüscher von der Tauchschule Zürich das Problem. Eigentlich war mein Ziel der samstägliche Flohmarkt im Zentrum von Zürich, doch als ich entlang der Promenade spazierte, traf ich auf eine Gruppe Taucher, umringt von Müll und zwei großen Containern. Da standen Einkaufswagen, die mit Muscheln bewachsen waren, ein Fahrrad mit Schloss, ebenfalls von Muscheln überzogen. Und mittendrin ein Krückstock und ein Pissoir. Es stank nach fauligem Schlamm. Die Taucher prüften ihre Ausrüstung und bereiteten sich auf den nächsten Tauchgang vor.

Tüscher erzählte mir, sie würden heute ihren Aktionstag zur Reinigung des Seegrundes von Abfall unter dem Zeichen von Project Aware laufen lassen. Das Seeufer von Müll zu befreien wäre eine jährlich immer wieder kehrende Aktion der Zürcher Tauchschule Scuba Viva. Was sie so an Kuriositäten vom Seegrund holen, wollte ich wissen. „So ziemlich alles“, erklärte mir Tüscher, und zeigte in Richtung Hauptbrücke. Dort würde man neben Fahrrädern auch den einen oder anderen Stahlträger finden. Bis zu sechs Tonnen holen die Taucher jährlich an Schrott aus dem See. Den Hauptanteil machen Dosen, Flaschen und diverse Plastikteile aus. Und für diesen Samstag rechneten die fleißigen Taucher mit rund einer Tonne Schrott. Jedes Jahr räumen sie rund 400 Meter entlang des Seeufers bis zur Hauptbrücke.

Passend zum Thema wurde vergangenes Wochenende im Rahmen des „Danube Cleanup Day“ des WWF das Ufer der Donau von Müll geräumt. WWF-Jugendliche nahmen an dieser Aktion in vier Donauländern – in Österreich, Bulgarien, Rumänien und Ungarn – teil. „Es war total erschreckend zu sehen, wie viel Dreck die Leute in dieser schönen Landschaft einfach auf den Boden werfen. Und das auf einer Fläche von nur 150 mal 50 Metern. Es ist traurig, weil diese Umweltverschmutzung so leicht zu vermeiden wäre „, erzählt Moritz, ein österreichischer Teilnehmer der Aktion im Nationalpark Donau-Auen.

Ähnlich sieht es bei vielen österreichischen Seen aus. Freilich, vor rund 30 Jahren landete wohl noch so ziemlich alles im Wasser, mit dem man nicht mehr viel anfangen konnte. Das war so üblich, erzählte mir eine Bewohnerin im Salzkammergut. Ob der Schrott geborgen wurde, konnte sie nicht sagen. Ich nehme an, er liegt noch unten am Grund, längst im Schlamm versunken. Am Attersee und Traunsee hätte man durchaus solche Müllprobleme, erzählte mir der für Bergungen Zuständige bei den österreichischen Bundesforsten nach meinem Zürichbesuch. Ich wollte wissen, ob das Müllproblem des Zürcher Sees auch für Österreich gilt. Und vom Ressort für Wasserwirtschaft meines Wohnbezirkes erfuhr ich, dass das Endlagern von Müll an heimischen Gewässern – ich lebe im steirischen Salzkammergut – nicht mehr von Relevanz ist. Es habe sich die Situation sehr verbessert. Man habe es heute mit Einzelfällen zu tun, die Regel sei es nicht mehr.

Was ist also mit den Zürchern los? Tüschner erzählte mir auch, dass Jugendliche bei ihren Partys an der Promenade gerne alles in den See werfen, was nicht niet- und nagelfest erscheint. Flaschen, Dosen und eben Einkaufswagen. Fahrräder wären überhaupt ein gerne versenkter Gegenstand. Die Schweiz mit ihrem sauberen Image nach außen hin, ein Umweltsünder?

Es irritiert, dass man mit dem Zürcher See so derart locker umgeht. Schließlich gelten die Maßnahmen der Schweiz in Sachen Wasserresource zu den besten aller OECD-Länder. 97 Prozent der Bevölkerung sind an Kläranlagen angeschlossen. Seit 2006 ist es gesetzlich verboten, Klärschlamm auszubringen. Er muss verbrannt werden. Der OECD Umweltprüfbericht der Schweiz aus dem Jahr 2006 gibt aber auch an, dass in den Seen durch landwirtschaftliche Nutzung und Nähreinstoffeinträge eine diffuse Verschmutzung zu verzeichnen ist. Auch hält man sich nur selten an die gesetzlich vorgeschriebenen Restwassermengen bei Fließgewässern, wenn diese mit Wasserkraftwerken genutzt werden. Fast möchte man meinen, der Profit steht in der Schweiz an oberster Stelle, alles andere (beispielsweise Gewässerschutz) stellt sich bitte hinten an.

Zurück von meiner Schweizreise erreichte mich ein Kommentar auf meinem Blog. Bruno Tüscher hat geschrieben. Nicht eine Tonne barg man an diesem Samstag aus dem Zürcher See, nein, zweieinhalb Tonnen sind es bis zum Abend geworden.

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