Donnerstag , 25 April 2024
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350 Euro für eine neue Zukunft

giftiger_schlamm_kolontarDer Fortschritt fordert seinen Preis. Umwelt-Belastungen, Umwelt-Katastrophen, Giftstoffe in der Luft, im Wasser, in der Erde. An tägliche Auswirkungen sind wir gewöhnt, leben damit. Dramatische Unfälle ereignen sich meist, der Wahrscheinlichkeit entsprechend, in gewisser Entfernung. Weit hinter dem Atlantik oder in Alaska oder im fernen Asien oder in einem Teil Ungarns, den die meisten von uns ohnehin noch nie besuchten. Ob es sich um Ölbohrungen in den Tiefen der Meere handelt oder um enorme Ansammlungen giftigen Schlamms, wir vertrauen den Experten und den Behörden. Letztendlich leben wir mittlerweile alle in Abhängigkeit von den Früchten des Fortschritts.

Unsere moderne Zivilisation verstrickt sich regelmäßig in Widersprüche. So scheint es zumindest. Die Beschaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen steht genauso im Vordergrund wie die Einsparung von Kosten durch Personalabbau. Der Erhaltung der Gesundheit wird ebenso Beachtung geschenkt wie dem Vorantreiben neuer, gesundheitsgefährdender Entwicklungen. Noch lange wissen wir wenig über die Auswirkungen unzähliger Chemikalien, mit denen wir im täglichen Leben konfrontiert sind, von elektromagnetischen Wellen, mit denen der Äther sich mehr und mehr füllt. Wie gefährlich sind fossile Brennstoffe? Wir wissen, dass die Lebenserwartung der Helfer in Alaska, nach dem tragischen Unfall der Exxon-Valdez, bloß 52 Jahre betrug. Wir wissen, dass eine Unzahl von Bewohnern in der Golfregion unter Vergiftungserscheinungen leidet. Und bedenkenlos atmen wir regelmäßig die Rückstände verbrannten Öls, durch Millionen von Auspuffanlagen in die Luft gelangende Abgase, ein. Seit Jahrzehnten leben wir damit. Kann also gar nicht so schlimm sein.

Vor knapp einer Woche ereignete sich wieder einmal ein Unfall, der für Schlagzeilen sorgte. Dieses Mal war die Herstellung von Aluminium die Ursache. Natürlich ist bekannt, dass diese die Umwelt belastet. Wie sehr, darüber denken wir selten nach. Schließlich gibt es genügend Experten, deren Urteil wir vertrauen. Es gibt Behörden, die Sicherheitsmaßnahmen verordnen und überprüfen. Und wie ist es trotzdem möglich, dass sich eine Million Kubikmeter hochgiftigen Schlamms über die ungarische Landschaft ausbreitet? Und wer weiß wie viele Millionen Kubikmeter noch folgen könnten?

Nicht einmal der Industrie können wir Fahrlässigkeit vorwerfen. Internationaler Konkurrenzdruck erfordert, die Kosten so weit wie möglich zu reduzieren. Ein Unternehmen, das sich wirklich bemühen würde, jedes Restrisiko zu minimieren, könnte wohl kaum mit den Preisen jener Betriebe mithalten, die sich weniger verantwortungsbewusst zeigen. Politiker und Behörden müssen bei ihren Forderungen auch dies berücksichtigen.

Conny Bischofsberger, Redakteurin der österreichischen Tageszeitung Kurier, besuchte die verseuchte ungarische Stadt Kolontár. Ihr Artikel und das Interview mit dem Bürgermeister verdeutlichen die Tragödie für die dort lebenden Menschen. Ihre Häuser sind plötzlich wertlos. Die Zukunft steht mehr als nur in Frage. Natürlich sollten alle von dort wegziehen. Doch wohin? Mit welchem Geld? Vielleicht werden sie eines Tages entschädigt werden. Wie hoch? Ausreichend, um den Verlust der Heimat zu ersetzen? Vorläufig wurden 350 Euro Soforthilfe zugesagt. Wie der Bürgermeister im Gespräch erklärte, reicht dies nicht einmal für einen Kühlschrank. Selbst 7.000 Euro seien nicht genug.

Jene Katastrophen, die für Schlagzeilen sorgen, sind der Gipfel vom Eisberg. Sie sind in der Vergangenheit passiert, ereignen sich in der Gegenwart und es wäre naiv, zu glauben, dass sie in der Zukunft zu verhindern wären. Forderungen nach einer Verbesserung der Situation, nach mehr Sicherheitsmaßnahmen, nach einer Reduktion der Giftstoffe, stehen in direktem Gegensatz zu den Zielen der Wirtschaft. Gleichzeitig sind aber auch wir, die Bürger, die Konsumenten, an erschwinglichen Komfort gewöhnt. Wären wir bereit, von den ohnehin beschränkten Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, freiwillig mehr für Produkte zu bezahlen, wenn diese mit weniger Umweltbelastung, mit mehr Sicherheitsvorkehrungen, hergestellt werden würden? Wahrscheinlich nicht. Somit bleibt zu hoffen, dass wir uns nicht einmal selbst mit der Situation konfrontiert finden, dass unsere Heimat restlos zerstört ist. Dass wir es sind, denen man 350 Euro anbietet, um uns eine neue Zukunft aufzubauen.

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