„Wahrscheinlich altern wir, um lange leben zu können“, konstatierte Professor Dr. Jörn Bullerdiek von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Bremen, arbeiten er und sein Forscherteam an mesenchymalen Stammzellen. Diese befinden sich ausschließlich in der Muskulatur, dem Stütz- und Fettgewebe und verfügen über ein sehr hohes Differenzierungspotential, was bedeutet, dass sie, ähnlich wie embryonale Stammzellen, noch nicht auf eine Zellart festgelegt sind. Diesen Stammzellen verdanken wir das Gleichgewicht zwischen dem Verlust abgestorbener und deren Ersatz durch neue Zellen.
Um über Jahrzehnte für Nachschub zu sorgen, müssen Stammzellen sich leicht teilen können. Sie sind in der Lage Tochterzellen zu produzieren, die ihrerseits wiederum Stammzelleneigenschaften haben, die aber nicht direkt den Eigenschaften der Mutterzellen entsprechen müssen. Was genau die Änderung in die jeweils ‚gewünschte‘ Richtung bewirkt, ist bisher noch nicht vollständig erforscht. Stammzellen sind in der Lage in großer Zahl genau die Tochterzellen zu generieren, die jeweils gebraucht werden. Das jedoch führt zu Problemen, wenn die Mutterzelle nicht korrekt arbeitet. Durch die hohe Teilungspotenz, können Stammzellen zum Herd von Tumoren werden.
Anhand der mesenchymalen Stammzellen hat das Forscherteam unter der Leitung von Professor Bullerdiek den Ablauf der Zellerneuerung untersucht. Bei Bedarf an neuen Zellen werden die Stammzellen durch ein Protein (HMGA-2) zur Produktion von Tochterzellen angeregt. Zeitgleich wird ein zweites Protein (p14) freigesetzt. Dieses „überwacht“ die sich teilenden Stammzellen. Wird eine dieser Stammzellen instabil und beginnt fehlerhaft zu arbeiten, dann aktiviert p14 die dauerhafte Abschaltung der Zelle. Professor Bullerdiek: „Der Mechanismus schützt uns vor bösartigen Tumoren. In der Regel ist das System sehr zuverlässig, so dass im Verhältnis relativ wenige Tumore entstehen. Wir erkaufen diese Sicherheit aber mit einem hohen Level an p14, der zu einem zunehmenden Ausfall von Stammzellen führt – ein Umstand, der wahrscheinlich zu unserem Altern beiträgt.“
1993 wurde in Baltimore, Maryland, die heute 18-jährige Brooke Greenberg geboren. Sie galt lange Zeit als Weltwunder und ist für viele Ärzte der Schlüssel zum ewigen Leben. Denn Brooke Greenland altert nicht. Mit zwei Jahren hörte sie auf zu wachsen und heute, mit 18 Jahren, ist sie 76 Zentimeter groß, wiegt 7,3 Kilo und hat noch immer das Aussehen einen einjährigen Kindes. Seit Jahren versuchen Ärzte das Gen zu entdecken, das für Brooke Greenbergs fehlendes Altern verantwortlich ist. Bisher vergebens. Die Ergebnisse der Untersuchungen in Hannover und Bremen könnten der Grund dafür sein. Nicht die Gene selbst, sondern fehlende Kontrollproteine, ähnlich dem p14, verhindern die Entwicklung des Mädchens. Ein zwischenzeitlich diagnostizierter Gehirntumor und sieben überstandene Magengeschwüre, sprechen für diese Vermutung und gegen die euphorischen Hoffnungen ihrer behandelnden Ärzte, Brooke Greenland würde ewig leben.
Wahrscheinlich altern wir tatsächlich, um lange und gesund, leben zu können.