Mittwoch , 24 April 2024
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Remembrance Day – Das Ende einer Epoche

rememberanceIn den Ländern, die dem britischen Commonwealth angehören, wird der 11. November als Tag des Gedenkens zelebriert. In den Vereinigten Staaten nennt man ihn den Tag der Kriegsveteranen. In Frankreich und Belgien ist es der Tag des Waffenstillstandes. Für Deutschland und auch Österreich ging an diesem Tag nicht nur der – bis zu diesem Zeitpunkt – schlimmste aller Kriege zu Ende, auch der Untergang der beiden Kaiserreiche war damit besiegelt, die aus dem mehr als tausendjährigen Heiligen Römischen Reich hervortraten. Der Erste Weltkrieg endete am 11. 11. um 11:00 Uhr vormittags.

17 Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren. Viele mehr endeten als Krüppel, ohne Arme, ohne Beine, ohne Gesicht, ohne Zukunft. Unzähligen gelang es niemals, die Qualen eines Krieges, wie er zuvor noch nicht erlebt wurde, zu überwinden. „Nie wieder Krieg“ war der verzweifelte Ausdruck einer Hoffnung, die sich leider nicht bewahrheiten durfte.

Wenn Veteranen heute, am 11. November, in London Kränze niederlegen, in Ottawa, in Washington oder in Paris, wird dadurch nicht der Sieg über Deutschland und Österreich zelebriert, sondern es wird all jener Opfer gedacht, die unter Kriegen gelitten haben. In den Reden werden politische Parolen vermieden, die Frage nach Feind oder Freund wird nicht gestellt. Soldaten, ungeachtet ihres Herkunftslandes, junge, unerfahrene Männer, von patriotischen Parolen indoktriniert, von Abenteuerlust motiviert, wurden in Konflikte gedrängt, in denen es für niemanden etwas zu gewinnen gab.

Der kanadische Oberst John McCrae, ein Sanitätsoffizier, verfasste schon im ersten Kriegsjahr ein Gedicht, das, zumindest im englischen Sprachraum, als das Meisterwerk der Kriegspoesie schlechthin gilt. Auch heute noch, fast hundert Jahre später, wird es am 11. November tausendfach rezitiert:

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Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn
Zwischen den Kreuzen, Reihe um Reihe,
Die unseren Platz markieren; und am Himmel
Fliegen die Lerchen noch immer tapfer singend
Unten zwischen den Kanonen kaum gehört.

Wir sind die Toten. Vor wenigen Tagen noch
Lebten wir, fühlten den Morgen und sahen den leuchtenden Sonnenuntergang,
Liebten und wurden geliebt, und nun liegen wir
Auf Flanderns Feldern.

Nehmt auf unseren Streit mit dem Feind:
aus sinkender Hand werfen wir Euch
Die Fackel zu, die Eure sei, sie hoch zu halten.
Brecht Ihr den Bund mit uns, die wir sterben
So werden wir nicht schlafen, obgleich Mohn wächst
Auf Flanderns Feldern.

 

In Deutschland, ebenso wie in Österreich, wird selten daran erinnert, dass am Morgen dieses 11. Novembers des Jahres 1918 die Aussichtslosigkeit eines Weiterführens dieses Krieges endgültig eingesehen wurde. Um 5:00 Uhr früh wurde der Waffenstillstandvertrag unterzeichnet, um 11:00 Uhr trat er in Kraft.

Die Abdankung Kaiser Wilhelms II wurde schon zwei Tage davor, am 9. November, ohne dessen Einwilligung verkündet. Der österreichische Kaiser Karl I verzichtete am 11. November offiziell auf die Ausübung der Staatsgeschäfte. Eine Epoche, die Monarchie, deren Wurzeln bis in die Anfänge der Zivilisation zurück reichen, war zu Ende. Zwei, einst große, doch nun führungslose Länder fielen den Friedensdiktaten von Versailles und Saint-Germain zum Opfer.

Es mag nicht mehr viele Menschen geben, deren Geschichtsbewusstein dazu ausreicht, dieser damals zu Ende gegangenen Epoche nachzutrauern. Die westliche Welt hat neue Wege eingeschlagen und die überwiegende Mehrheit scheint die Richtigkeit dieser Veränderungen keineswegs zu bezweifeln. Doch all die Millionen, die zum Töten und zum Sterben gezwungen wurden, in diesem einen Krieg und in denen die folgten, verdienen es, ihnen einen Gedanken zu widmen und vielleicht auch zu fragen: Warum?

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