Nicht unberechtigt wird oft und gerne kritisiert, dass sogenannte Volksvertreter sich gar wenig um die Belange jener Menschen kümmern, von denen sie gewählt wurden. Umsomehr verdienen Politiker, die für die Interessen und das Wohlergehen der Bürger eintreten, unsere Aufmerksamkeit und unsere Achtung. Die weit fortgeschrittene Globalisierung, die internationale Verkettung der Wirtschaft, erlaubt schon lange nicht mehr, an den eigenen Landesgrenzen haltzumachen. Der US-Senator Bernie Sanders fasste vor wenigen Tagen die wichtigsten Punkte zusammen, die immer mehr Menschen, und zwar nicht nur in den Vereinigten Staaten, in eine immer tragischer werdende Misere abdrängen.
Vorweg möchte ich eindringlich davor warnen, die Entwicklungen außerhalb Europas, und dabei insbesondere in den Vereinigten Staaten, als für uns unbedeutend zu ignorieren. Auch wenn es selten angesprochen wird, was kam vor der Eurokrise, was hat sie letztendlich ausgelöst? Es war das Platzen der Immobilienblase in den USA, gefolgt von Bankenpleiten und der Unterstützung sogenannter „systemrelevanter“ Institute, die Hunderte Milliarden verschlang. Erst durch diese durch öffentliche Mittel unfinanzierbare Belastung wuchsen auch europäische Schuldenberge derart an, dass einzelne Länder plötzlich nicht mehr in der Lage waren, auch nur die anfallenden Zinsen zu begleichen.
Der US-Senator Bernie Sanders, der keiner der beiden Großparteien angehört, leitete vor wenigen Tagen eine offizielle Rede mit folgenden Worten ein:
„Herr Präsident. Es gibt Krieg in diesem Land, und damit meine ich nicht den Krieg im Irak und in Afghanistan, ich spreche von einem Krieg, der von einigen der reichsten und mächtigsten Leute in diesem Land geführt wird, und zwar gegen die arbeitenden Familien, gegen die immer mehr verschwindende Mittelschicht.“
Erinnert dies nicht an die Worte von Warren Buffett, der als einer der reichsten Männer der Welt gilt, gegenüber Ben Stein, veröffentlicht am 26. November 2006 in der New York Times:
„Es gibt einen Klassenkrieg. Richtig. Aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die diesen Krieg führt. Und wir sind dabei, ihn zu gewinnen!“?
Bernie Sanders sprach die Einkommensverteilung in den Vereinigten Staaten an. Ein Prozent der Bevölkerung nimmt mittlerweile 23,5% allen verdienten Geldes für sich in Anspruch. Doch das war nicht immer so. Noch in den 1970er-Jahren entsprach der Anteil der Top-1-% nicht mehr als 8%. In den 1980ern stieg er auf 13%, auf 19% während der 1990er – und mittlerweile beläuft er sich auf die genannten 23,5%, mehr als die gesamten Einnahmen der ärmeren Hälfte der US-Bürger zusammengerechnet. Er führt aber noch weiter aus, dass auf die reichsten 0,1% nicht weniger als 12% der Einkommen entfallen. Und wörtlich fügt er hinzu:
„Als wir noch zur Schule gingen, lernten wir von den sogenannten Bananenrepubliken, in denen die Massen unter Armut litten, während eine Handvoll von Menschen allen Besitz für sich in Anspruch nahm. Und jetzt raten Sie: genau dies ist mittlerweile auch in den Vereinigten Staaten der Fall!“
„Wir sprechen hier im Senat über eine Menge Dinge, doch über eines vergessen wir zu reden, nämlich, wer sind die Gewinner in dieser Wirtschaft und wer sind die Verlierer?“ Und weiter führt er aus, dass es absolut offensichtlich ist, dass die wirklich Reichen von diesem System profitieren, während die mittlere Schicht verliert, während sich Armut immer weiter verbreitet.
Seit 1980 entfallen 80% aller neu erschlossenen Einkommensmöglichkeiten zugunsten der so oft zitierten ein Prozent. Warum muss die Mehrzahl der Menschen immer länger für immer weniger Einkommen arbeiten? Warum sinkt die Lebensqualität unserer Kinder gegenüber der unseren immer tiefer ab?
Was in den Vereinigten Staaten besonders augenfällig ist, sind steuerliche Begünstigungen für die reichste Schicht. Allen voran die Ölkonzerne. So verzeichnete Exxon Valdez im Vorjahr einen Reingewinn von 19 Milliarden Dollar und zahlte davon nicht einen einzigen Dollar an Steuern.
Nachdem sich Senator Sanders in seiner Ansprache auf die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten bezog, ging er auf den folgenden Punkt nicht ein. Doch dieser erklärt, dass die Situation für Europa nicht viel anders ist. Die größten Umsätze werden durch internationale Konzerne erzielt. Die Profite bleiben somit nicht im Land, sondern verschwinden in internationalen Kanälen. Und erst kürzlich wurde bestätigt, dass zwischen 21 und 32 Billionen (!!!) Dollar auf unkontrollierbaren Steueroasen gebunkert sind. Ein Teil davon aus der Dritten Welt, ein weiterer aus Amerika, doch ein guter Teil davon wurde aus dem europäischen Wirtschaftskreis abgezogen. Wobei der genannte Betrag selbstverständlich wiederum nur einem Teil der angesammelten Vermögen entspricht. Doch schon allein diese Summe würde völlig ausreichen, um alle finanziellen Probleme der Welt auf einen Schlag zu lösen. Diese Unsummen sind nicht aus sich selbst heraus entstanden. Sie sind jener Anteil der Arbeit der Menschen, der nicht ihnen, sondern dem Finanzsektor zugutekommt.
Und wenn derartige Zahlen bekanntwerden, wenn es immer offensichtlicher wird, dass eine Finanzelite immer mehr Profit für sich in Anspruch nimmt, so frage ich mich, wo bleibt der große Aufschrei? Wo bleibt der Widerstand der Bevölkerung? Wie lange wird es noch dauern, bis die Massen es durchschauen und jeder schlicht sagt: Ich bin nicht mehr bereit, mich an diesem unfairen Spiel zu beteiligen!?
Senator Sanders stellt fest, dass natürlich nicht alle Reichen zu verurteilen sind. Es gibt durchaus auch Wohlhabende, denen am Wohlergehen ihrer Mitmenschen gelegen ist. Doch einem großen Teil innerhalb der Finanzelite ginge es ausschließlich darum, den eigenen Reichtum zu vergrößern, ungeachtet der Konsequenzen, die Andere zu tragen haben. „Es ist an der Zeit, dass wir uns mit dieser Habgier auseinandersetzen.“
Wenn immer es um Einsparungen geht, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa, so sind immer jene Menschen die Leidtragenden, die ihr Dasein ohnehin schon auf der untersten Ebene fristen. Die Nutznießer des Systems, die internationalen Investoren, werden weiter hofiert und begünstigt. Die Vermögen der Elite wachsen unaufhaltsam an. Und am Ende seiner Rede schloss Senator Sanders den Kreis mit folgenden Worten:
„Es herrscht Krieg. Die Mittelschicht kämpft um ihr Überleben, während sie es mit den reichsten und einflussreichsten Mächten der Welt aufnimmt, deren Habgier grenzenlos ist. Und wenn wir uns dieser Probleme nicht rasch annehmen, dann wird es in diesem Land bald keine Mittelschicht mehr geben.“
Die Entwicklung in Europa zeigt mehr als deutlich, dass sie hier um nichts anders verläuft.