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Aladin und die Energiesparlampe – Atomenergie in Abu Dhabi?

wfes2011Die Vereinigten Arabischen Emirate dürfen sich glücklich schätzen: Auf ihrem Gebiet befindet sich eines der größten Erdölvorkommen der Welt. Für den Tag, an dem der letzte Tropfen des schwarzen Goldes gefördert ist, will man jedoch gerüstet sein: Zum vierten Mal lud Scheich Chalifa bin Zayed Al Nahyan, seines Zeichens Herrscher von Abu Dhabi, zum World Future Energy Summit (WFES). Dass Atomstrom in einem Atemzug mit Solar- und Windenergie genannt wird, führte bei europäischen Teilnehmern zu Stirnrunzeln.

Wenn Kinder in einem Sandkasten spielen, tun sie das oft mit voller Konzentration. Sie nehmen ihre Sache ernst – und doch mit spielerischer Leichtigkeit. In Abu Dhabi fühlt man sich mitunter an spielende Kinder erinnert: Menschen, die ihren unfassbaren Reichtum der Förderung fossiler Energieträger direkt vor ihrer Haustür verdanken, befassen sich mit Energie aus Sonne, Wind und Wasser. Was am Stadtrand unweit des Flughafens auf einer Fläche von sechs Quadratkilometern entsteht, gleicht gegenwärtig einem überdimensionierten Sandkasten: Die am Reißbrett geplante Öko-Stadt Masdar City wird eines Tages über 40.000 Einwohnern Platz bieten und Standort für Institute und Unternehmen sein. Lediglich 25 Prozent der heute üblichen Menge an CO2 soll in Masdar City ausgestoßen werden. Das klingt selbst dann noch ambitioniert, wenn man bedenkt, dass die Pro-Kopf-Emissionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu den höchsten der Welt gehören. Derzeit stockt der Bau des Prestigeprojekts: Inzwischen ist die Fertigstellung für 2020 angekündigt – vier Jahre später als ursprünglich vorgesehen.

Da die Rohölproduktion der Vereinigten Arabischen Emirate bei jährlich etwa 120 Millionen Tonnen stagniert, machen sich die Lenker bereits seit ein paar Jahren Gedanken über die Zukunft. Sie müssen es tun, um nicht irgendwann mit leeren Händen dazustehen. In Dubai setzt man auf die internationale Finanzwirtschaft, ein Flughafen-Drehkreuz und den Tourismus. Das etwas kleinere Abu Dhabi pflegt die Kultur und hat sich eine Ski-Halle in der Wüste sowie einen eigenen Formel-1-Parcours gebaut. Zudem gibt es da noch das Engagement im Bereich der sauberen Technologien, das sich in Projekten wie Masdar City oder der Ausrichtung des World Future Energy Summit manifestiert.

Der Ruf der Scheichs findet Gehör: In diesem Jahr kamen wieder hochrangige Teilnehmer aus allen Erdteilen zu Vorträgen und Diskussionsrunden, internationale Unternehmen präsentieren auf der Ausstellungsfläche innovative Produkte und Lösungen zur Energieerzeugung. „Wir brauchen eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Lösung der Energiefrage“, stellte Sultan Ahmed Al Jaber, Gipfel-Gastgeber und Vorsitzender des Unternehmens Masdar, zu Beginn seiner Eröffnungsrede fest. Er wünsche sich weltweit einen Energiemix aus sauberen fossilen Rohstoffen, friedlicher Atomenergie sowie den erneuerbaren Energien.

Atomkraft und Erneuerbare nennen die Verantwortlichen des World Future Energy Summit (WFES) auffallend häufig in einem Atemzug. Passend dazu zeigt Siemens auf einem Schaubild Atomkraft als Baustein nachhaltiger Entwicklung. Auch auf den Hochglanzbroschüren der Messe blitzt hier und da das chemische Element Uran auf – hierzulande wäre das kaum vorstellbar. Beim Rundgang durch die Ausstellungshallen bietet sich ein ähnliches Bild: Zwischen dem kleinen Stand eines auf Öko-Spielzeug spezialisierten Händlers und der Ausstellungsfläche eines Herstellers von Photovoltaikanlagen hat sich ein Unternehmen breit gemacht, das ab 2017 mit nuklear erzeugtem Strom Geld verdienen will. „Anders als Öl, Kohle oder Gas hat Atomkraft einen der niedrigsten CO2-Ausstöße überhaupt“, heißt es in großen Lettern auf der Rückwand des Messestandes von Emirates Nuclear Energy Corporation. Vier Reaktoren seien unter Mithilfe südkoreanischer Ingenieure in Planung und Bau, der erste gehe in sechs Jahren ans Netz. Auf die Frage, wo man den strahlenden Atommüll zu entsorgen gedenke, muss ein mildes Lächeln als Antwort genügen.

Mild und freundlich auch der Kurzauftritt von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon: Der Zugang zu verlässlicher und bezahlbarer Energieversorgung für die gesamte Menschheit sei erstrebenswert. Der ebenfalls geladene Prinz Guillaume, Erbgroßherzog von Luxemburg, nimmt diesen Gedanken auf und fordert ein „Menschenrecht auf Elektrizität“. Pakistans Staatsoberhaupt Asif Ali Zardari macht die Gipfelteilnehmer darauf aufmerksam, dass es mit Blick auf den Klimawandel und die gehäuft eintretenden Umweltkatastrophen vorbei sein müsse mit der Gleichgültigkeit beim Thema Energieerzeugung. „Mein Land hat derzeit 180 Millionen Einwohner, und es wächst weiter – der Energie-Hunger steigt“, blickt er in eine nicht ganz unproblematische Zukunft. Prinzipiell sind sich alle Konferenzteilnehmer einig, dass den Erneuerbaren eine besondere Rolle bei der Lösung des steigenden Energiebedarfs zukommt.

Abgesehen von Unternehmen aus der Energiebranche und Daimler als offiziellem Transportpartner ist der deutsche Gipfel-Beitrag in diesem Jahr eher dünn: Anstelle von Bundeskanzlerin Merkel oder dem angekündigten Umweltminister Röttgen teilt sich dessen Staatssekretär Jürgen Becker die Bühne mit den Rednern aus aller Welt. Die deutsche Bundesregierung betont, die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten vertiefen zu wollen: sowohl beim Aufbau der 2009 in Bonn gegründeten Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) mit dem Hauptsitz in Abu Dhabi als auch durch Bildungsaustausch und Technologiekooperationen.

Zweifelsohne haben es die erneuerbaren Energien der Herrscherfamilie angetan, in Abu Dhabi plant man die nächsten Schritte für die Zeit nach dem Öl. Solange jedoch der Energieverbrauch pro Kopf fast drei Mal hoch ist wie hierzulande, sollte man neben hochrangigen Gipfeltreffen und imageträchtigen Modellstädten auch das Einsparpotenzial in den bestehenden Stadtgebieten im Blick haben. Bis zur Energiesparlampen-Pflicht ist es noch einer weiter Weg.

Der Gipfel im Netz: www.worldfutureenergysummit.com

Ein Beitrag von Paul-Janosch Ersing

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