Dienstag , 19 März 2024
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Wird Geld wirklich aus dem „Nichts“ erschaffen?

dollarregenJeder verwendet Geld. Jeder ist mit dem subjektiven Wert von Geld vertraut. Bei der Schuldenkrise geht es um Geld und bei der wirtschaftlichen Entwicklung steht es im Mittelpunkt. Doch nur Wenige wissen, wie Geld wirklich entsteht. Manche Experten erklären, es wird aus „dünner Luft“ erschaffen; andere kontern, dass doch ohnehin alles geregelt sei. Die Mechanismen, die hinter der Geldschöpfung stecken, sind tatsächlich etwas verwirrend. Fest steht, dass hinter jeder von Geschäftsbanken neu erschaffenen Geldmenge reale Werte, die sich im Besitz des Kreditnehmers befinden, stecken. Wie funktioniert die Erschaffung von Geld nun wirklich? Entsteht es aus „dünner Luft“ oder nicht?

Wenn wir bedenken, welchen Einfluss die Verfügbarkeit von Geld auf unsere Lebensqualität ausübt, ist es wirklich erstaunlich, wie wenig die Allgemeinheit über das Geldwesen wirklich weiß. Sonderbar ist auch das verbreitete Desinteresse, das sich vielleicht am besten mit dem Satz, der mir tatsächlich einmal zu Ohren gekommen ist, beschreiben lässt: „Für mich zählt bloß, ob ich Geld habe oder nicht. Wie es entsteht, kann mir doch egal sein!“

Ich möchte jetzt nicht einen Beitrag, der schon vor mehr als zwei Jahren hier erschienen ist, und der sich mit den Mechanismen der Geldschöpfung auseinandersetzt, neu aufrollen. Es geht vielmehr um die Frage, ob Geldschöpfung gleichzeitig auch Wertschöpfung bedeutet. Details bezüglich der Bestimmungen, die von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel und von Zentralbanken festgesetzt werden, finden sich sowohl im genannten Artikel als auch in verschiedenen Einträgen bei Wikipedia unter den Suchbegriffen „Geldschöpfung“, „Mindestreserve“, „Buchgeld“, „Basel II“, „Fiat-Währung“ sowie einigen weiterführenden Links.

Sehr aussagekräftig ist hierbei bereits der Begriff „Fiat“, der in diesem Zusammenhang nichts mit der Automarke aus Turin zu tun hat, sondern mit dem lateinischen Begriff für „es werde“. Denn, und dieser Umstand ist unumstritten, Buch- oder Giralgeld entsteht tatsächlich durch die Eingabe von Zahlen in einen Computer.

Was die diesbezüglichen Regelungen betrifft, so sind die Volumen der Kreditvergabe, was der Geldschöpfung gleichkommt, durch vorgeschriebene Einlagen bei der Zentralbank bzw. durch verfügbares Eigenkapital streng limitiert. Allerdings, diese Vorgaben liegen im einstelligen Prozentbereich. Die Mindestreserve wurde vor einigen Monaten von 2% auf 1% gesenkt. Neue Bestimmungen zur Besicherung durch Eigenkapital werden zur Zeit im Rahmen der Basel-III-Verhandlungen heftig debattiert.

Was geschieht, wenn einem Bankkunden ein Kredit eingeräumt wird? Wie wir alle wissen, verlangt die Bank erst einmal Sicherheiten. Im günstigsten Fall handelt es sich dabei um eine Immobilie, im ungünstigen ist es die Arbeitskraft des Kreditnehmers in Erwartung zukünftiger Einnahmen. Dem unterschiedlichen Ausfallsrisiko entsprechend steigt der Zinssatz proportional zur Ausfallswahrscheinlichkeit. Deswegen liegen die Zinsen fürs überzogene Konto um ein Vielfaches höher als bei Hypothekardarlehen, bei denen die Bank bestenfalls ein minimales und meist überhaupt kein Risiko eingeht. (Es sei denn, die Immobilienpreise sind vorübergehend überhöht, wie es vor dem Platzen der Immobilienblase in den Vereinigten Staaten der Fall war.)

Bei der immer noch verbreiteten Annahme, dass Banken nur das Geld der Sparer verleihen, handelt es sich um eine reine Legende. Nimmt ein Kunde einen Kredit in der Höhe von 100.000 Euro in Anspruch, so befindet sich diese Geldmenge in Form von Bargeld zweifellos in den Tresoren der Bank, trotzdem handelt es sich beim Verbuchen des Kredites gleichzeitig um neu erschaffenes Geld, sogenanntes Giralgeld. Sobald der Betrag auf dem Girokonto zur Verfügung steht, erhöht sich dadurch die Geldmenge M1 um genau diese 100.000 Euro.

Wo kommt dieses Geld nun her? Als Geld ist es tatsächlich aus „dünner Luft“ erschaffen worden, denn vor der Gewährung des Kredites war es schlichtweg nicht vorhanden. Allerdings tauchen diesbezüglich auch sehr leicht Missverständnisse auf. Denn 1.) ist, zumindest im Falle wertgesicherter Darlehen, zwar Geld, nicht jedoch neuer Wert entstanden. Der Wert besteht in der Sicherheit, z. B. dem Haus, den Aktien oder sonstigen Unternehmensbeteiligungen oder dem neu gekauften Auto. Und 2.) haftet nicht nur der Kreditnehmer gegenüber der Bank, sondern die Bank ist der Garant für die Neutralisierung der Geldmenge zum vereinbarten Zeitpunkt der Kredittilgung. Wird der Kreditnehmer zahlungsunfähig und decken die Sicherstellungen die ausständigen Forderungen der Bank nicht zur Gänze ab, so ist das Geldinstitut verpflichtet, den Ausfall durch Eigenmittel zu decken.

Was nun den realen Wert, der hinter dem Kredit steckt, betrifft, so möchte ich ergänzend hinzufügen, dass dieser in den meisten Fällen schon vor dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredites existert. Das bedeutet, dass sich die Geld- und Kreditvolumen erhöhen, während der Realwert unverändert bleibt. Neuer Sachwert entsteht nur dann, wenn etwa die Errichtung eines Hauses durch den Kredit vorfinanziert wird.

Nehmen wir als Vergleich einen Pfandleiher, so kann dieser natürlich nur Geld verleihen, das ihm entweder in bar oder als Gutschrift auf seinem Bankkonto zur Verfügung steht. In diesem Fall wird das verliehene Geld einer bereits bestehenden Geldmenge entnommen. Verfügt dieser jedoch über entsprechende Bonität, so kann er auf Kredite durch Banken zurückgreifen, wie jeder andere auch. Der Pfandleiher erschafft kein neues Geld, die Bank hingegen schon.

Schaffen wir, der Veranschaulichung wegen, ein simplifiziertes Beispiel: Wir gründen eine neue Geschäftsbank. Eine gewisse Kapitalmenge ist natürlich Voraussetzung. Mit dieser finanzieren wir die Geschäftsräumlichkeiten, die in der Bilanz als Aktivposten aufscheinen. Das wäre unser Eigenkapital. Bevor wir nun ins Geschäft der Kreditvergabe einsteigen können, brauchen wir Geld von der Zentralbank, das wir uns von dieser leihen. Wie erwähnt, die Mindestreserve beträgt nicht mehr als 1%. Also, für jede Geldeinheit, die wir uns von der Zentralbank geliehen haben, sind wir nun berechtigt, 99 Einheiten an Krediten zu vergeben.

Der Unterschied zwischen Zentralbankgeld, also Noten und Münzen, und Giralgeld fällt uns im täglichen Leben selten auf. Doch auch wenn Zahlungen per Scheck, Überweisung und Kreditkarte immer üblicher werden, nur bei Zentralbankgeld handelt es sich um ein sogenanntes „gesetzliches Zahlungsmittel“.

Leistet nun ein Kreditnehmer seine erste Rückzahlung, besteht diese aus zwei Teilen: Einer davon entfällt auf die ursprüngliche Schuld. Diese Geldmenge wird, zusammen mit dem entsprechenden Teilbetrag der Forderung, wieder abgebucht. Der zweite Teil entspricht der Zinszahlung.

Gehen wir von nur 5% Zinsen per anno aus. Mit einer Einheit Zentralbankgeld, die wir dieser aber noch schulden, vergeben wir 99 Einheiten an Kredit, für die wir innerhalb eines Jahres fünf Einheiten an Zinsen erhalten. Jetzt beginnt das Geschäft erst richtig.

Wie hoch ist die Summe aller Schulden allein für Deutschland?

Global Finance veröffentlichte schon vor einiger Zeit Zahlen zur Gesamtverschuldung ausgewählter Länder für das Jahr 2011. Die Staatsverschuldung Deutschlands wird dabei mit 83% des BIP angegeben. Dazu kommen 49% Unternehmensverbindlichkeiten, 60% Privatschulden und 87% Kredite innerhalb des Finanzsektors, also Kredite, die sich Banken gegenseitig einräumen. In Summe entspricht dies 278% des Bruttoinlandsprodukts von rund 2,5 Billionen Euro – und somit sieben Billionen Euro. Zwei Billionen davon schuldet der Staat – und jeder Bürger, vom Neugeborenen bis zum Greis, haftet anteilig für 25.000 Euro. Die Zinsen dafür, auch wenn der Prozentsatz – noch – günstig ist, bringt der Steuerzahler auf.

Die flexible Ausdehnung des Geldvolumens kommt natürlich sowohl der Wirtschaft als auch dem Fortschritt zugute. Denn für jede aussichtsreiche Entwicklung stehen somit auch die notwendigen Mittel zur Verfügung. Aber es entsteht ein Problem. Nämlich, mit der Ausdehnung des Geldvolumens steigt das Volumen der anfallenden Zinsen, das durch die Realwirtschaft finanziert werden muss. Zwischen 1999 und 2011 stieg das Geldvolumen um 122% an, das Bruttoinlandsprodukt aber nur um 22%.

Wie insbesondere seit Beginn der Schuldenkrise immer deutlicher wird, liegt das erste volkswirtschaftliche Interesse, das von unseren Damen und Herren Politikern unterstützt wird, in der Befriedigung des Finanzsektors. Die Kaufkraft der Bevölkerung nimmt ab – und zwar nicht nur bei Rentnern – während die Gewinne von Investoren und Spekulanten regelmäßig, trotz der Krise, zunehmen. Dabei handelt es sich um eine gesteuerte Umverteilung von unten (dem aktiv arbeitenden Teil der Bevölkerung) nach oben (den internationalen Investoren).

Ohne diesbezüglich jetzt einzelne Details hervorzuheben, komme ich abschließend noch einmal auf die eigentliche Frage zurück, ob Geld nun tatsächlich aus „dünner Luft“ erschaffen wird. Ja, das wird es! Und wer dieses Geldsystem verständlich zu erklären versucht, ist kein „Geld-Esoteriker“, wie in manchen Online-Artikeln behauptet wird. Die Geldschöpfung durch Geschäftsbanken und den damit betriebenen Wucher als „kriminell“ zu bezeichnen, ist eine Sache der Auslegung. Der geltenden Gesetzeslage entsprechend, handelt es sich natürlich keineswegs um ein Verbrechen. Wie die Geschichtsforscher der Zukunft darüber urteilen werden, darüber darf sich jeder selbst seine Meinung bilden.

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