Freitag , 19 April 2024
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„Geld regiert die Welt, aber wer regiert das Geld?“

manhatten_financial_districtZwei Wirtschaftsexperten tanzen aus der Reihe. Zwei Hochschullehrer, die ohne Scheu Fakten präsentieren, die auf ein sehr nahes Ende des herrschenden Geldsystems deuten. Wie nicht anders zu erwarten, fallen die Experten-Kollegen mit verbaler Grausamkeit über Franz Hörmann und Otmar Pregetter, die Autoren des kürzlich erschienen Buches „Das Ende des Geldes“, her. Friedrich Schneider, ebenfalls Hochschullehrer, bezeichnet ihre Thesen als „haarsträubenden Unsinn“. Dafür erklärt er, dass unser Geldsystem „vielen Milliarden Menschen zu großem Wohlstand verhalf.“

Der Stein kam ins Rollen, als Prof. Hörmann im Oktober des Vorjahres in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard allgemein verständlich erklärte, wie der Prozess der Geldschöpfung vor sich geht. Der Titel des Betrages sagt es in einem Satz: „Banken erfinden Geld aus Luft“. Während die überwiegende Mehrheit der Bürger scheinbar noch immer glaubt, dass Banken das Geld von Spareinlagen für die Kreditvergabe verwenden, basiert das System der Fiat-Währungen (fiat, lat.: „es werde“) darauf, dass es sich bei jedem neuen Kredit um neu erschaffenes Geld handelt, sogenanntes Buchgeld, das danach als Gutschrift auf Bankkonten existiert. Dass dadurch langfristig unlösbare Problem entstehen, in wenigen Worten zusammengefasst, durch den Umstand, dass das Volumen des sich in Umlauf befindlichen Geldes gezwungenermaßen unter dem Volumen der Gesamtschulden liegt, nachdem dieses regelmäßig durch die anfallenden Zinsen ansteigt. Während linientreue Finanzexperten davon ausgehen, dass die entstehende Kluft durch Wachstum ausgeglichen werden kann, ist Franz Hörmann überzeugt, dass insbesondere die Vereinigten Staaten bereits an jenem Punkt angelangt sind, an dem die Bürde der Zinsverpflichtungen einen Punkt erreicht hat, der das System zu Fall bringen müsste. Am 31. März äußerte er gegenüber einer Linzer Tageszeitung, dass er mit dem Kollaps noch in diesem Jahr rechnet.

Die meisten Vorwürfe, mit denen sich Franz Hörmann konfrontiert findet, sind haltlos. Während seine Thesen im Zusammenhang betrachtet nicht nur Sinn ergeben, sondern den Zusammenbruch unseres derzeitigen Geldsystems als logische, unausweichliche Konsequenz erkennen lassen, ließ die Bezirksrundschau in ihrer Druckausgabe vom 7. April einige, ihn kritisierende, Finanzexperten zu Wort kommen.

An dieser Stelle möchte ich einflechten, dass die Verwendung von Fachjargon in manchen Fällen zwar unumgänglich ist, gleichzeitig handelt es sich dabei aber auch um eine oft eingesetzte Strategie, um mit Hilfe des dadurch entstehenden Eindrucks von Kompetenz den Zuhörer oder Leser vom Kernpunkt abzulenken. Franz Hörmann bemüht sich, seine durchaus wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse in einer allgemein verständlichen Sprache zu formulieren. Zumindest einige seiner Kritiker ziehen den umgekehrten Weg vor. 

Der Vorstand der Volkskreditbank AG Albert Wagner schreibt:

„Dass jedoch Sicherheit und Stabilität in Zukunft in der Bankenszene eine noch viel größere Rolle spielen müssen als bisher, davon bin ich überzeugt. Hier geht es vor allem um internationale Vorschriften, die die Quantität und Qualität der Kapitalausstattung von Banken betreffen. Darüber hinaus sehe ich eine zukünftig strengere Regulierung im Bereich der Hedge-Fonds als einen sehr wichtigen Beitrag für die weltweite Stabilität der Finanzmärkte.“

Was meint Herr Wagner damit, dass Sicherheit und Stabilität in der Bankenszene eine „noch“ viel größere Rolle spielen müssen. Soll das etwas bedeuten, dass diese Faktoren, bevor Banken mittels Steuergeldern vor dem Konkurs gerettet wurden, bereits eine große Rolle spielten? Und was die Regulierung von sogenannten Hedge-Fonds betrifft, diese sollten eigentlich nicht reguliert, sondern abgeschafft werden. Bei Hedge-Fonds handelt es sich nicht um Produktions- oder wirkliche Finanzierungsinstrumente, sondern sie dienen fast ausschließlich der Spekulation. Das eigentliche Problem der Destabilisierung der Märkte geht jedoch nicht von den Hedge-Fonds selbst, sondern vom völlig unregulierten Derivathandel aus. Doch über diesen redet man öffentlich ja auch nicht gerne.

Noch deutlicher drückt sich Ludwig Scharinger, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank, aus. Dieser wirft Professor Hörmann Inkompetenz vor und schreibt, dass er „von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen keine Ahnung hat“. Am Ende seines Kommentars erklärt er, dass Spareinlagen nicht zur Abdeckung der Kredite dienen, sondern als “Refinanzierungsmittel“. Dann verweist er auf die internationalen Regelungen durch „Basel II“, wodurch bestimmt wird, in welcher Form und wie hoch von Banken vergebene Kredite durch Eigenkapital unterlegt werden müssen. Die diesbezüglichen Mechanismen erscheinen derart kompliziert, dass auch Fachleute oft genug auf Verständnisprobleme stoßen. Eine Erklärung aus dem Wikipedia-Artikel möchte ich hier zitieren:

„Gemäß Basel I war jeder Kredit mit einheitlich 8 % Eigenmitteln zu unterlegen. An dieser Vorgehensweise hat sich mit Basel II grundsätzlich nichts geändert. Jedoch werden die ausstehenden Forderungen der Bank nunmehr, je nach Rating des Geschäftspartners, mit einem Prozentsatz zwischen 0 % (beispielsweise Forderungen gegenüber OECD-Ländern) und 1250 % gewichtet.“

8 % Eigenmittel bedeutet, dass eine Bank, die Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro vergibt, dafür 80 Millionen Eigenmittel benötigt, die aber nicht im Tresor liegen, sondern sich wiederum aus Forderungen zusammen setzen, die teilweise – wie dieser Eintrag bei Wikipedia besagt – um das 12,5-Fache höher bewertet werden können. Konstruieren Sie damit ein simplifiziertes Beispiel, nämlich, dass Sie selbst über 8.000 Euro verfügen und dadurch berechtigt wären, 100.000 Euro gegen Zinsen zu verleihen, dann verstehen Sie warum Franz Hörmann erklärt, dass Banken „Geld aus Luft erfinden“.

Hörmanns öffentliche Aussagen sind sogar so unbequem, dass sich sogar der österreichische Wirtschaftminister Reinhold Mitterlehner in der Bezirksrundschau zu Wort meldet. Er behauptet:

„Der Ansatzpunkt, dass die Vereinigten Staaten ihre Zinsen nicht mehr begleichen können, ist willkürlich und aus der Luft gegriffen. Die Gläubiger sind im wesentlichen China und andere Länder. …“

Eine derart naive Aussage aus dem Mund oder der Feder des Wirtschaftsministers eines EU-Staates überschreitet wohl alle Grenzen des Vorstellbaren. Zwar ist es durchaus richtig, dass die Chinesen über Forderungen an die USA in Billionenhöhe verfügen. Wie The Intelligence schon im Januar im Detail berichtete, beträgt das Außenhandelsdefizit der Vereinigten Staaten gegenüber China während der vergangen zehn Jahre knapp zwei Billionen Dollar. Doch Staaten sind in erster Linie nicht anderen Staaten gegenüber durch Schulden verpflichtet, sondern dem Finanzsystem. Die US-Debt-Clock zeigt die amerikanische Verschuldung in allen Details auf. Die öffentlichen Schulden betragen demzufolge zur Zeit 14,3 Billionen Dollar und die Gesamtverschuldung, Unternehmenskredite, Hypotheken, Darlehen und überzogene Kreditkarten, liegt bei 55,3 Billionen. Dies korrespondiert mit $ 177.763 pro US-Bürger und führt zu einer jährlichen Zinsleistung von $ 11.531 pro Person. In Summe 3,5 Billionen. Jahr für Jahr. Kein Staat der Welt, auch nicht China, verfügt über derartige Finanzmittel, um als Gläubiger für solche Summen aufzutreten. Diese Gelder wurden überwiegend durch Federstriche bzw. Computereinträge von privaten Banken erschaffen.

Die US-Debt-Clock erlaubt übrigens auch, auf das Jahr 2000 zurückzugehen. Nichts kann die mittlerweile unbestreitbar katastrophale Finanzlage der USA besser beleuchten als der Anstieg der Verbindlichkeiten während nur knapp mehr als einem Jahrzehnt. Die Staatsschulden betrugen vor elf Jahren noch 5,7 Billionen (heute 14,3) und die Gesamtschulden 26 Billionen Dollar (heute 55,3). Minister Mitterlehner bezeichnet dies als „funktionierendes System“.

In einem Gespräch mit dem Wirtschaftsblatt, veröffentlicht am 6. Mai, beharrt Franz Hörmann auf seiner Überzeugung, die in dem, zusammen mit Professor Otmar Pregetter verfassten, Buch „Das Ende des Geldes: Wegweiser in eine ökosoziale Gesellschaft“ detaillierte Erläuterung findet. Der Dollar wird zusammenbrechen, den Euro mitreißen und beides wird „ziemlich sicher noch in diesem Jahr passieren“.

Wenn es um die Stabilität des herrschenden Geldsystems derart dramatisch aussieht, warum fehlt nicht nur jegliche öffentliche Diskussion, warum wird jeder, der auf die katastrophale Lage verweist, sofort von allen Seiten angegriffen? Im behandelten Buch findet sich der Satz: „Insidern ist längst bewusst, dass das System dem Untergang geweiht ist.“ „Warum verhindern diese den Zusammenbruch nicht?“, will Elsabeth Prammer vom Wirtschaftsblatt wissen.

Professor Pregetter gibt die Antwort in Form einer Frage, die aber doch die wesentliche Antwort einschließt:

„Weil sich dann die zentralen Fragen stellen, die natürlich keiner stellen will, da sie die gesellschaftspolitischen Machtfragen schlechthin sind: Geld regiert die Welt, aber wer regiert das Geld?“

Das Wirtschaftsblatt zeigt sich bemüht, objektiv und unparteiisch zu berichten. Am gleichen Tag, also am 6. Mai, findet ein Gespräch zwischen Elisabeth Prammer und Friedrich Schneider von der Universität Linz Veröffentlichung. Auf die erste Frage, warum er die Gedanken von Pregetter und Hörmann für unwissenschaftlich halte, gibt er folgende Antwort:

„Franz Hörmann und Otmar Pregetter behaupten, dass in diesem Jahr sowohl der Dollar als auch der Euro zusammenbricht, dass es zu einer Hyperinflation kommt und dass der große Crash folgt. Ich betone, dass das ein haarsträubender Unsinn ist und dass es keinerlei wissenschaftliche Basis für derartige polemische und unqualifizierte Behauptungen gibt.“

Professor Schneider bezichtigt seinen Kollegen der „verantwortungslosen Panikmache“ und verweist darauf, dass uns der Euro „zehn Jahre lang Stabilität, Wohlstand und Wachstum beschert hat“. Professor Schneider ist ebenfalls Österreicher. Die dortigen Staatschulden betrugen im Jahr 2001, also vor zehn Jahren, 142,6 Milliarden Euro. Heute: 209,8 Milliarden. Berücksichtigend, dass in Deutschland rund zehnmal mehr Menschen leben, ergibt sich dabei ein ähnlich hoher Pro-Kopf-Anteil von rund 28.000 Euro pro Bürger, bzw. 51.000 Euro pro Erwerbestätigen. Nur zur Erinnerung, im Euro-Land Deutschland überstiegen die öffentlichen Schulden erst kürzlich die 2-Billionen-Marke. Soviel zu Wohlstand und Stabilität. Wachstum? Meint er damit das Anwachsen der Schulden?

Völlig richtig verweist Friedrich Schneider darauf, dass unser modernes Wirtschaftssystem nur durch Ausdehnung der im Umlauf befindlichen Geldmittel ermöglicht wurde. Die Funktion des Geldes bezeichnet er als eine außerordentlich wichtige, und zwar sowohl als Tauschmittel als auch als „Wertaufbewahrungsmittel“. Leider unterließ es die Interviewerin, Elisabeth Prammer, bei diesem Punkt weiter einzuhaken. Neben der Zinslast durch die Geldausgabe in Form von Krediten, führt nämlich genau diese zitierte Doppelfunktion zu einem weiteren Problem, das sich im System des Kapitalismus nur vergrößern kann. Während für die Masse der Menschen Geld dazu dient, ihre regelmäßig entstehenden Lebenshaltungskosten zu decken, ist es für andere ein Mittel der Spekulation und letztendlich der Machtausübung. Wenn Hedge-Fonds mit Futures auf Getreide spekulieren und damit die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe treiben, verdienen Einige auf diesem Wege Milliarden, während anderen Menschen, vor allem in Entwicklungsländern, das Geld zum Essen fehlt.

Der Höhepunkt von Schneiders Beschönigungen findet sich aber wohl im nächsten Satz:

„Mit Hilfe der Entwicklung des Geldes konnten sich moderne Volkswirtschaften entwickeln und vielen Milliarden Menschen wurde zu großem Wohlstand verholfen.“

Wie viele der sieben Milliarden Menschen auf unserem Planeten erfreuen sich „großen Wohlstandes“? Was versteht Herr Professor Schneider genau darunter? Offensichtlich sind seine persönlichen Ansichten von lobenswerter Bescheidenheit geprägt. Schließlich ist er auch der folgenden Meinung:

„Heute geht es mindestens 500 Millionen Chinesen richtig gut, bzw. sie haben in etwa unser Mittelstandsniveau.“

Professor Schneider meint, es wäre schön gewesen, an einem einzigen Beispiel aufzuzeigen, warum es zum Zusammenbruch kommt. Leider bin ich selbst kein Finanzexperte, bin allerdings des Rechnens fähig. Nachdem Otmar Pregetter und Franz Hörmann den Beginn des Zusammenbruchs in den Vereinigten Staaten erwarten, reicht vielleicht schon ein Blick auf die zitierte US-Debt-Clock. Er hätte das Thema auch gerne einer wissenschaftlichen Prüfung und wissenschaftlichen Diskussion unterzogen. Vermutlich mit dem Paradigma, dass „viele Milliarden Menschen“ auf dieser Erde „großen Wohlstand“ genießen – was immer Herr Professor darunter verstehen möge. Ich lade ihn aber gerne zu einer Stellungsnahme bei The Intelligence ein, und das sogar ohne zu behaupten, dass er „haarsträubenden Unsinn“ von sich gibt.

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