Jede Tragödie, die durch menschliche Aktivitäten ausgelöst wird, verlangt nach einem Schuldigen. Im Falle einer Hierarchie-Pyramide trägt die oberste Verantwortung jener Mann, der ganz oben an der Spitze steht. Die Ölpest im Golf von Mexiko betreffend, ist dieser Mann der Big Boss von BP, Tony Hayward. Gestern versuchte er, sich vor dem US-Kongress zu verantworten. Die Fragen waren hart und direkt. Die Antworten verlegen und ausweichend. Der Schluss, der sich aus dem mehrstündigen Verhör ziehen lässt, ist Nachlässigkeit bei den Sicherheitsmaßnahmen und eindeutige Lügen bei den Informationen über die Ausmaße der Tragödie.
Wie aus mehreren von US-Medien durchgeführten Analysen hervorgeht, reichen die zugesagten 20 Milliarden Dollar, die für die finanzielle Entschädigungen zur Verfügung gestellt werden sollen, vermutlich nur für ein Drittel des Schadens aus. Doch, einen ganz wesentlichen Punkt schnitt US-Vizepräsident Joe Biden in einer Pressekonferenz am Ende des Verhörs an. Für die Menschen, die in den ölverseuchten Regionen, in Florida, Louisiana und in Texas leben, geht es nicht nur um Geld. Nicht nur, um Umsatzausfälle und Jobverluste. Für die Betroffenen steht einfach der gesamte Lebensstil auf dem Spiel.
Praktisch alle US-Nachrichtensender zeigten Ausschnitte aus dem Verhör, das mit der Vereidigung Haywards begann. Die Stimmen der Fragenden klangen kompromisslos. Die Antworten wirkten immer wieder ausweichend. „Auf diese Entscheidung habe ich keinen Einfluss genommen!“ „Auch darauf hatte ich keinen Einfluss!“ „Meinen persönlichen Informationen nach….!“ und so fort. Wie das Video am Ende zeigt (englisch), sprach ihn der Vorsitzende Ed Markey auf die Ölschwaden an, die, wissenschaftlichen Berichten zufolge, bereits in weiten Teilen des Golfs unter Wasser entdeckt wurden. BP hat nie darüber berichtet. Er wollte eine klare Antwort. Ja oder nein. Hayward verweigerter diese Antwort. Er versuchte zu verharmlosen, sprach von Partikel pro Tausend und bemühte sich, die eigentliche Frage zu zerreden.
Natürlich sind die einzelnen Fragen und Stellungsnahmen aufgezeichnet und Teams von Juristen werden sich leidenschaftlich auf die Ausarbeitung stürzen. Vorläufige Schlüsse, die sich ziehen lassen, verweisen aber deutlich auf Fahrlässigkeit. Im Zeitalter der Profitmaximierung werden Teilverantwortlichen Bonuszahlungen versprochen, wenn es gelingt, Kosten niedrig zu halten. Und wer ist unter diesen Voraussetzungen nicht bereit, ein Restrisiko in Kauf zu nehmen? Das allerschlimmste an der Situation ist jedoch, dass absolut keine Lösung des Problems, kein Anhalten des Ölflusses, in Sicht zu sein scheint. Es könnte weiter austreten, praktisch bis die Quelle lehr ist – und das könnte noch vier Jahre dauern.
Die US-Regierung unter Barack Obama hat während der vergangenen zwei Monate deutlich an Sympathien verloren. Tony Hayward, auch als CEO von BP, der sonderbarerweise kurz vor dem tragischen Vorfall vom 20. April, exakt am 17. März, ein Drittel seiner BP-Anteile veräußert hatte, ist letztendlich auch nur eine Schachfigur im Spiel der Mächtigen. Aber, immerhin, endlich wurde in den Medien ein Mann präsentiert, auf den sich mit dem Finger zeigen lässt. Ein Mann, auf den sich von nun an der Unmut konzentrieren wird. Es war ein Schauspiel – vielleicht auch nur eine Komödie – die den Bürgern Amerikas und dem Rest der Welt wieder einmal die Ehrlichkeit der Politik demonstrierte.
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