Samstag , 20 April 2024
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Steile Karriere mit Familienanschluss – Die Machenschaften der Multi Level Marketer

multi_level_marketingSie versprechen Gesundheit, Freiheit, die Erfüllung von Träumen und schwärmen oftmals von der großen Familie, wenn sie ihre Arbeit beschreiben. Sie präsentieren Hochglanzfilme mit Bildern von teuren Uhren, schnittigen Sportwagen, Traumhäusern mit Pools, glücklichen Familien und Erfolgsstories erfolgreicher Partner. Sie verkaufen Nahrungsergänzungsmittel, Versicherungen und garantiert hochgelobte Altersvorsorgeprodukte, Rabattkarten, Kosmetik oder Dinge für den Hausgebrauch und sie tun es immer wieder. Ich spreche von den Strukturvertrieben, neudeutsch auch Network- oder Multi-Level-Marketing (MLM) genannt.

Die Tricks sind immer wieder die Gleichen: Aus heiterem Himmel ruft ein Freund, von dem man Jahre lang nichts mehr gehört hat, an und schlägt nach kurzem Smalltalk vor, sich doch mal wieder zu treffen. Er habe da eine Sache, die er Dir unbedingt erzählen muss. Genaueres erzählt er am Telefon natürlich nicht.

Wenn man selbstständig im Vertrieb tätig ist und zudem noch in diversen Social Media Netzwerken aktiv, dann erschlagen einen die Angebote von pseudo-erfolgreichen Networkern noch mehr. Geschäft ohne Risiko wird versprochen, eine einmalige Chance, das lukrative Nebeneinkommen und Umsatz ohne Ende, dessen Deckelung nur dadurch zustande kommt, wenn man keinen Platz mehr auf dem Konto hat. So und so in der Art werden naive von Not oder Gier erfüllte Menschen in den Strudel des MLM gezogen.

Sie füllen jede Woche Säle und geschickte Demagogen in teilweise maßgeschneiderten Anzügen, manchmal auch dem Polyesterfummel von der Stange, aber immer mit den ältesten Plattitüden, infamsten Beleidigungen und dreistesten Lügen im Handgepäck, bereit mit Kampfrhetorik und dummen Sprüchen jeden Zweifler in die Schranken zu weisen, bearbeiten das arme Publikum mit solcher Vehemenz, dass der Schlaue in der Pause das Weite sucht und der andere bleibt und kauft. Denn das ist das Ziel eines jeden Vortrags, hier soll gekauft werden. Am liebsten das Produkt, die Mitgliedschaft und am besten gleich die exklusive Partnerschaft mit den 20% Rückrabatt und 70% auf Dauer und nur noch heute, wenn man sich sofort entscheidet und das Seminar Nummer zwei noch besucht und so schnell wie möglich die Punkte zusammen bekommt, die man braucht, um exklusiver Premium-Spezial-Super-Generaldirektor zu werden, auf Deutsch, wenn man sich und seine Familie erst einmal mit den Produkten eindeckt.

Meine Frau und ich haben uns einen Spaß erlaubt, wir sind über ein paar Jahre hinweg immer mal wieder, wenn ein neuer Freund oder Geschäftspartner uns einlud, zu solchen Veranstaltungen gegangen, und da wir beide im Versicherungsbereich arbeiteten, kamen wir um Anwerbeversuche auch nicht herum, also haben wir uns neugierig angehört, was man uns erzählte und wir haben uns köstlich amüsiert.

Das Erste, was uns auffiel, war Bullshit-Bingo (wer es nicht kennt, googlen, das ist das Handwerkszeug eines jeden Kritikers, der Spaß daran hat, Rhetoriker aus dem Konzept zu bringen), also immer wiederkehrende Phrasen egal in welchem MLM. Lieblingszitat immer wieder auf Platz 1: „ich prüfe jedes Angebot, es könnte das Angebot meines Lebens sein“ von Henry Ford. Auch immer wieder gerne als Argument benutzt, warum man jetzt einsteigen soll: „Dies ist die einmalige Chance beim Geschäftsaufbau dabei zu sein, stellen Sie sich vor, sie hätten von Anfang an die Chance gehabt bei (und hier verändern sich über die Jahre die Firmennamen, je nachdem was gerade hip ist, derzeit ist es:) Facebook mit dabei zu sein und jetzt bei uns mit dem revolutionären, neuen, einmaligen, Marktführer und noch nie da gewesenen …“ Und so weiter, eben klassisches Druckbetanken.

Fakt ist, es sind immer die gleichen Typen von Menschen, die man im MLM trifft. Man hat einmal den Rhetoriker, ich vermute Typ Salestrainer oder Speaker, die gemerkt haben, dass sie die besondere Gabe haben, Menschen manipulieren zu können. Dann haben wir die Storyteller, also die Leute, die erfolgreich seit Jahren das Modell, den Geschäftsplan, das Konzept nutzen, ihren Hauptberuf aufgegeben haben und wahnsinnig erfolgreich sind. Bei durchdachten Werbeveranstaltungen kommen diese Leute sogar aus anderen Ländern, wenn es darum geht, die einmalige Chance des Neugeschäftsaufbaus in Deutschland in Angriff zu nehmen. Natürlich habe ich auch die erlebt, die das schon seit Jahren erfolgreich machen, obwohl das Konzept ja grade erst in Deutschland startet.

Soweit so gut, nun frage ich mich, warum fallen so viele immer wieder auf MLM herein und manche sogar mehrfach? Ich denke ein Grund ist die Unzufriedenheit des Einzelnen. Neid und Gier sind zwei Triebfedern in der Motivation des Menschen, die die unheimliche Macht haben, die Vernunft auszuhebeln. Trick Nummer eins der Marketingspezialisten ist also, die Gier, das Verlangen und den Neid zu wecken. Meistens wird das durch die oben bereits erwähnten Motivationsvideos schon vorbereitet. Als Zweites wird durch geschickte Wortwahl die Angst geschürt, eine einmalige Chance zu verpassen. Durch Trick Nummer drei, die Gruppendynamik, wird der Herdentrieb des Menschen genutzt um Zweifel auszulöschen, die anderen lachen alle und feiern, da will ich nicht gegen anstinken und da ja keiner aufmuckt, muss das Erzählte ja per se richtig sein. Dann wird die Faulheit des Menschen genutzt durch Versprechen von vorbereiteten Geschäftsplänen, super ausgearbeiteten Hilfsmitteln und Maßnahmen des tollen Unternehmens, welche ja dafür sorgen, dass sich die Produkte wie von selbst verkaufen. Dann nochmal eine weitere Bestätigung durch prominente Namen, bevorzugt Schauspieler, Sportler oder bei Rabattkarten große Konzernpartner oder Markennamen, gerne auch dubiose Zertifikate von Testinstituten und Überwachungsvereinen, die zwar mit den Produkten nichts zu tun haben aber im Nebensatz bei der Präsentation erwähnt immer wieder für einen Pluspunkt gut. So weich gespült vergeht den meisten jeglicher Zweifel, denn im Endeffekt wollen sie alle Karriere machen und mit möglichst wenig Aufwand viel Geld verdienen.

Im Strukturvertrieb der Versicherungsbranche geht man sogar noch weiter. In den 90er Jahren war folgender Satz beliebt: „Jeden Tag steht ein Dummer auf, Du musst ihn nur finden“. Dieser Satz bescheinigt, dass man vorher selbst der Dumme war, der von einem anderen vorherigen Dummen gefunden wurde, aber das merkt ja keiner.

Die Geschäftsmodelle selbst funktionieren im Übrigen immer gleich. Meist wird minderwertige oder im Einkauf billige Ware zu einem überhöhten Preis angeboten, bei Versicherungen sind es zumeist Geiz-ist-Geil-Produkte, also schlechte Leistungen, sodass man im Schadenfall auf den Kosten sitzen bleibt. Zudem die Ware nahezu unverkäuflich ist, daher bietet man dem „Kunden“ an, Mitglied der Familie zu werden, und sich so den tollen Rabatt zu sichern und das Tolle, sich ebenfalls ein passives Einkommen zu sichern. Beim Erreichen erster Ziele (die, wie gesagt meist mit dem ersten eigenen Kauf erreicht sind) bekommt man dann zumeist entweder einen noch höheren „Premiumverkäufer-Rabatt“, der gleichzeitig dafür sorgt, dass man an untergeschlüsselten Verkäufern noch mehr verdient, man steigt in der Hierarchie um eine Stufe auf, macht also die versprochene Karriere und manche belohnen das Ganze auch noch mit irgendeiner „Gratifikation“, z. B. einem Firmenwagen, den man zwar selbst bezahlt, aber immerhin.

Was viele nicht erkennen, das versprochene passive Einkommen ist eine Farce. Sicherlich, es gibt erfolgreiche Menschen im MLM, aber diese arbeiten hauptberuflich jeden Tag genauso wie jeder andere Verkäufer, nur dass sie statt Kunden in der Regel neue Mitarbeiter werben, die dann die Produkte kaufen und wieder neue Mitarbeiter werben und so fort. Dadurch, dass viele letztendlich scheitern, aufgeben, die minderwertigen Produkte durchschauen oder alle ihre Freunde verloren haben, ist der erfolgreiche MLMler gehalten, immer wieder neue Mitarbeiter-Kunden zu werben. Eine Aufgabe, die gar nicht so einfach ist, denn das bedeutet Akquise, Verkauf und eben einen Haufen Arbeit.

Zum Glück für den Verkäufer gestalten sich die modernen MLM schon fast wie Sekten, es wird immer mehr mit dem Glauben gearbeitet grade im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel ein sehr beliebtes Thema. Leider gestaltet sich bei den Erfolgreichen und später Kritikern dieser Systeme der Ausstieg als schwierig, denn oftmals besteht durch das starke Engagement das Umfeld nur noch aus Jüngern, die den Ausstieg nun gar nicht verstehen und die Kritik gleich einer Blasphemie verstehen oder aus eben den verlorenen Freunden, die nichts mehr mit dem Aussteiger zu tun haben wollen.

Arme Menschen also, denn diese Art der Ablehnung kennt man sonst höchstens aus anderen Familien, die einen Aussteiger auch nicht so gerne kritisieren hören und dann schon mal einen Pferdekopf unter die Bettdecke legen. Ich frage mich also, wo der Unterschied zwischen diesen und den anderen „Familien“ ist.

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