Samstag , 20 April 2024
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Auf Kosten der Kunden: Der Abschied von der Kompetenz

arzt_stoppIch verdanke der Central Krankenversicherung sehr viel, ich habe dort meine ersten eigenen Schritte in der Versicherungsbranche unternommen, die Vertriebsausbildung und letztendlich auch die Vorbereitung zur Prüfung zum Versicherungsfachmann genossen. Allerdings war das damals nur der erste Schritt in die richtige Richtung, denn, was vermutlich nicht beabsichtigt war, mein Interesse für die Sozialversicherung und den Bereich der privaten Versicherer wurde geweckt und ich begann mich für Themen zu interessieren, die weit über meine Ausbildung hinaus gingen und ich begriff, je mehr ich lernte.

Ich sah, wie beschränkt der „normale“ Versicherungsvertreter ist und dass das Bild vom Versicherungsvermittler in der Öffentlichkeit nicht das Produkt wirrer und einseitiger Presseberichterstattung oder geltungssüchtiger Verbraucherschützer ist. Das Bild des Versicherungsvermittlers stimmt und es ist in Wahrheit noch viel schlimmer, als sich viele Branchenfremde vorstellen. Und liebe Leser: Es ist so gewollt, denn der verhasste Versicherungsvermittler, der voller geldgeiler Gier nach der schnellen Mark auch noch dem letzten Ex-ALG-II-und-jetzt-Existenzgründer die überteuerte, leistungsschwache und schlecht kalkulierte private Krankenversicherung verkauft, ist der Liebling der Bezirks-, Filial- und Vertriebsdirektoren sowie Vorstände und langfristig genau das, was sich diese Menschen gedacht haben, die den Außendienst der Central nun einstampfen, den Maklervertrieb einstellen und stattdessen die Heuschrecken, die bislang ja angeblich (und das glaube ich sogar) 80% des Umsatzes der Central gemacht haben, das Feld überlassen.

Die Heuschrecken, das sind im Übrigen die Strukturvertriebe, die sich im Lichte des monetären Erfolges alles erlauben dürfen, aber eben eines nicht können, qualitativ hochwertige Kundenberatung, aber wer kann das denn auch im Thema Versicherungen?

Laut Financial Times und Cash.Online ist die Central an den Billigtarifen gescheitert. Interessante Denkweise. Ich habe mich in den letzten zwei Jahren sehr intensiv mit vielen Versicherungsmaklern über die Central unterhalten und vor allem erfahren, dass die Central immer ganz vorne dabei war, wenn es darum ging, den günstigsten, Vergleichsprogramm-optimierten Tarif anzubieten. Natürlich war dieser Tarif so knapp kalkuliert, dass bereits nach ein bis drei Jahren der Beitrag so sehr anstieg, dass man sich etwas Neues einfallen lassen musste, wieder einen Billigtarif mit leicht veränderten, meist beschnittenen Leistungen, in den die gerade von der Beitragsanpassung Betroffenen bereitwillig wechselten.

Nur mit einem hatte die Central offensichtlich nicht gerechnet. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends schossen sogenannte Maklervertriebe aus dem Boden, die sich auf das schnelle Geschäft mit der Krankenversicherung unter Verwendung von Leads spezialisierten. Unter Schlachtrufen wie „Fachidiot schlägt Kunde tot“ wurden Billigtarife „wie geschnitten Brot“ verkauft und das, wenn man Brancheninsidern glauben darf, zu sehr hohen Provisionen.

Dumm nur, dass die zumeist schlecht oder gar nicht ausgebildeten Versicherungsverkäufer vor dem Hintergrund Rennlisten, Vertriebsdruck, Gier und Ferrari fahren wollen, jeden versicherten, der nicht bei drei auf den Bäumen saß. So kauften sich die betroffenen Versicherungen nun Risiken (das ist ein anderes Wort für Kunden) ein, die krank waren und das im Antrag nicht angegeben hatten oder der Vermittler es aufgrund der Erwartung einer fetten Provision einfach “vergessen“ hatte oder Menschen, die so schlecht beraten waren, dass sie die hohen Beiträge einfach nicht zahlen konnten. Normalerweise bewirkt die Nicht-Zahlung der Prämie, dass der Vermittler ins Storno gerät, also Provision zurückzahlen muss, allerdings kam es gar nicht soweit, da viele dieser Vertriebe schneller wieder verschwunden waren, als ein Kölner Insolvenz buchstabieren kann.

Das geht natürlich zulasten der Versichertengemeinschaft, also den anderen Kunden, denn seit der Einführung der Versicherungspflicht für jedermann kann man säumige Kunden nicht mehr so einfach raus schmeißen und muss sogar gewisse Behandlungen noch bezahlen. Deutlich gesagt, diese Kunden kosten Geld, also muss der Verlust durch neue Beitragsanpassungen ausgeglichen werden und die waren deftig.

Dass das Geschäft mit den Billigtarifen alles andere als nachhaltig ist, liegt meiner Meinung nach übrigens auf der Hand. Hier greift der Satz „Wer billig kauft, kauft zwei Mal“ sehr gut, allerdings wurde er bei der Central offensichtlich falsch verstanden und hätte mit dem Nachsatz „aber nicht beim selben Anbieter“ versehen werden müssen, denn laut Bericht von Cash Online rechneten die Verantwortlichen der Central doch tatsächlich damit, dass ein Billigkäufer später in einen höherwertigen und damit teureren Tarif wechselt.

Die Bedingungen hierfür schuf die Central damit, dass sie Tarife anboten, die bei Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen bis zur Hälfte der Beiträge zurückzahlte. Keine schlechte Idee, allerdings aufgrund der zuvor genannten Beitragsanpassungen eher Utopie.

Das Verhalten der Billigkäufer funktioniert im Übrigen immer nach dem gleichen Schema. Gerade vor dem Hintergrund der Versicherungspflicht versuchten vor allem Nicht-Krankenversicherte nun in die billige private Krankenversicherung zu kommen, um wenigstens versichert zu sein. Oftmals handelte es sich hierbei jedoch um solche, die eben die Beiträge nicht zahlen konnten und die, die es konnten, wechselten bei der Beitragserhöhung schnell zum nächsten Billiganbieter.

Genau diese Kunden waren es im Übrigen auch, die gelockt durch die Vielzahl an Internetwerbungen wie „Private Krankenversicherung schon ab 59,- Euro pro Monat“ die Leads für die Strukturvertriebe erzeugten, nur wohin mit teuer bezahlten Leads, die man nicht verwenden kann, weil der Kunde ja schon im billigsten Tarif versichert ist und die man nicht zurückgeben kann, weil der Kunde ja trotzdem wechselwillig ist. Na die nächste Beitragsanpassung wird schon kommen und dann steht bestimmt der nächste Billiganbieter mit einem neuen Produkt vor der Tür. Ein Teufelskreis.

Die Financial Times Deutschland schreibt in Ihrem Interview mit dem Central Vorstand Teuscher am 28.08.2011: „Das Neugeschäft von Vertretern und Maklern bestand zu 70 Prozent aus dem jetzt geschlossenen Billigangebot. Außerdem muss die Gesellschaft zum Jahresende ihre Tarife um bis zu 20 Prozent anheben. Das macht sie dann vollständig unattraktiv für Makler.“

Erstaunlich an dieser Aussage ist, dass Herr Teuscher offenbar auch keine Zukunft für die hochwertigeren Vollkosten- und die Zusatztarife der Central im Maklervertrieb sieht.

Der Schritt des Central-Außendienstes geht nun in Richtung Strukturvertrieb, worüber die beiden Online-Blätter berichten, meiner Meinung nach der sichere Tod qualitativ hochwertiger Produkte der Central, denn wer seine Produkte ausschließlich über Strukturvertriebe verkauft, der versucht Scheiße zu Gold zu machen. Mein Beileid.

Ein Beitrag von Andreas Steffens

Quellen:

Financial Times Deutschland, 28.08.2011, Central-Krankenversicherung vor Radikalumbau

Financial Times Deutschland, 16.09.2011, Versicherungskolumne: Eigentor in Köln

HNA.de, 25.03.2010, Schulden an der Tankstelle

Cash.Online, 29.08.2011, Central: Außendienst vor dem Aus

Cash.Online, 15.09.2011, Central-Vertrieb soll an DVAG ausgelagert werden

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