Montag , 9 Dezember 2024
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„Die Atomlobby manipuliert unsere Schüler!“

screenshot_kernfragen_deSo offen kritisierte Beat Zemp, Präsident des Schweizer Lehrerverbands, die Informationspolitik von „Swissnuclear“. In seinem Unterrichtsmaterial für Schulen unterschlage der Konzern wichtige Informationen, so Zemp weiter in der Basler Zeitung. So würden Windräder als lärmend und das Landschaftsbild störend dargestellt, die Sonnenbestrahlung der Schweiz würde für die Produktion großer Solarstrommengen nicht ausreichen und der Einsatz fossiler Brennstoffe berge große Risiken. Radioaktive Strahlen hätten zwar eine schädigende Wirkung, Radioaktivität an sich sei aber ein allgegenwärtiges natürliches Phänomen.

Themen, die gesellschaftlich umstritten seien, dürften in der Schule nicht einseitig dargestellt werden. Für die Energieproblematik gelte dies besonders. Zemp weist jedoch auch darauf hin, dass die Verantwortung letztlich beim einzelnen Lehrer und bei der Schulleitung liege.

Auch in der BRD ist der einzelne Lehrer gut beraten, sich nicht allein auf die angebotenen Materialien des Forums für Kernenergie zu verlassen: Dieser Informationskreis informiert nach eigenem Bekunden umfassend, aktuell, neutral und sachlich über die friedliche Nutzung der Kernenergie und möchte Denkanstöße geben. Manche Formulierungen sind aber durchaus geeignet, der Gedankenkugel einen Drive in die gewünschte Richtung zu geben. So ist z.B. unter dem Stichwort Störfall ist zu lesen:

Wenn in der Öffentlichkeit von einem „Störfall” gesprochen wird, dann ist das meistens ziemlich ungenau. Klar ist: Was ein „Störfall” ist, ist in Deutschland in der Strahlenschutzverordnung definiert. Darin heißt es: „…Störfall: Ereignisablauf, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind…“. Klar ist auch: Die Fachleute in den Kernkraftwerken sind erfahren und können einen möglichen Störfall ganz genau einordnen.

Eine Seite weiter folgt die kindgerechte Erklärung:

Wäre ein Fahrrad ein Kernreaktor, dann könnte man eine quietschende Kette oder eine lockere Schraube am Schutzblech als „Betriebsstörung” bezeichnen: Das Fahrrad fährt noch und ist auch noch verkehrssicher – es fehlen nur ein paar Tropfen Öl auf der Kette.

Welch Glück für die Gesellschaft, denn:

Strompreis abhängig von Erzeugungsform

Die Nutzung von Strom kostet natürlich auch Geld. Dabei ist der Preis, den eine Kilowattstunde Strom kostet, bei den einzelnen Erzeugungsarten sehr unterschiedlich: Strom, der aus Atomenergie und Kohle erzeugt wird, ist beispielsweise günstig, Strom aus erneuerbaren Energien teurer. Verschiebt man die Verhältnisse beim Energiemix, ändern sich natürlich auch die Gesamtkosten. Nimmt man beispielsweise die günstige Kernenergie aus dem Erzeugungsmix heraus, würde der Strompreis steigen.

Und wieder die „kindgerechte“ Aufbereitung unter der Überschrift „Nur gemeinsam sind wir stark:

Vergleicht man beispielsweise den Energiemix, also die Vielfalt der unterschiedlichen Energieerzeugungstechnologien, mit einer Fußballmannschaft. Würde bei einem Spiel ein Torwart nur mit 10 Abwehrspielern oder 10 Angreifern zum Spiel antreten? Ganz ehrlich: Die Aussicht auf ein siegreiches Spiel wäre mehr als nur gering. Viel besser und aussichtsreicher ist es doch, ein Team aufzustellen, das im Sturm, Mittelfeld und Abwehr miteinander harmoniert und insgesamt eine runde Sache ergibt. So verhält es sich auch bei den jeweiligen Energieerzeugungsformen: Nur gemeinsam sind sie stark.

Da wird an den Teamgeist appelliert, kein Kamerad darf ins Abseits gestellt werden. Was ich vermisse, ist die Haltung eines Teams gegenüber einem faulenden Spieler, der der Gesamtheit dadurch großen Schaden zufügt.

Nun gut, wie sieht es mit der umfassenden Objektivität in Arbeitsblättern, gezielt für den Unterricht aus?

Im Arbeitsblatt „Pro und Kontra Kernenergie“, zugeschnitten auf die Klassen 9 und 10, heißt es u.a.

…Jeder dieser Energielieferanten hat jedoch Vor- und Nachteile. Entsprechend gibt es Gegner und Befürworter der Kernenergie. Auch sie argumentieren mit den drei Zielen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit…

Darunter sind gegensätzliche Pressestimmen zum Thema aufgelistet. Im Aufgabenbereich sind die Schüler dann aufgefordert, die Aussagen zu analysieren, sowie die Argumente in stark oder schwach einzuteilen. Interessant ist die unter Punkt 2 gestellte Aufgabe:

Ergänzt in Zweierteams die Tabelle mit eigenen Argumenten. Berücksichtigt dabei auch die Interessen von Arbeitnehmern. Hierzu noch ein Zitat: „Die Atomindustrie in Deutschland blüht und wächst. Inmitten der Wirtschaftskrise gibt es sogar neue Arbeitsplätze und Aufträge aus dem Ausland.“ (Wirtschaftswoche, 18. Februar 2009)

Noch ein Beispiel: Im Arbeitsblatt „Sicherheit im KKW“ ist u.a. zu lesen:

Selbst im Ernstfall kann die Reaktoranlage durch mehrfach vorhandene und getrennt voneinander untergebrachte technische Vorrichtungen in einen sicheren Zustand überführt werden.

In Deutschland wurde 2008 lediglich ein Ereignis nach Stufe 1 der INES-Skala eingeordnet, alle übrigen meldepflichtigen Ereignisse waren unterhalb dessen einzuordnen, das heißt, es waren sogenannte „Null-Ereignisse“ ohne sicherheitstechnische Bedeutung.

Und wieder folgt eine Aufgabenstellung, mit einer subtilen Frage ergänzt:

Schaut euch die Erläuterungen zum INES-Schema im Internet an (siehe „Mehr Infos“). Diskutiert in der Klasse: Warum wurde für diese Darstellung die Form einer Pyramide gewählt?

Dies sind nur wenige Beispiele, die aber eines verdeutlichen: Solche Arbeitsblätter sind durchaus für den Unterricht geeignet, aber nicht in Fächern wie Chemie oder Physik, sondern allerhöchstens im Deutsch- oder Sozialkundeunterricht als Fallbeispiele gekonnt manipulierender Rhetorik.

Quellennachweis: Alle oben aufgeführten Beispiele wurden der Site kernfragen.de entnommen, Stand: 10.06.011

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