Freitag , 19 April 2024
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Syrien: Invasionsvorbereitungen hinter den Kulissen

panzer kanoneTrotz der vereinbarten Waffenruhe reißen die Berichte über ihre Verletzung nicht ab. Für uns als Endverbraucher dieser Nachrichten ist der Wahrheitsgehalt nicht überprüfbar. Die westlichen Medien stützen sich dabei fast ausschließlich auf Angaben aus den Kreisen der Opposition. Andere Sichtweisen wie die des ehemaligen CDU-Abgeordneten Jürgen Todenhöfer, fließen kaum ein in die Berichterstattung, obwohl er sich seit dem Beginn der Auseinandersetzungen mehrmals und über Wochen in Syrien aufgehalten hat.

Das bedeutet zwar nicht, dass seine Berichterstattung objektiver oder wahrheitsgemäßer ist, denn auch seine Darstellungen sind für uns nicht überprüfbar. Aber es zeigt doch sehr deutlich, dass man sich für eine Berichterstattung entschieden hat, die sich auf die Angaben der oppositionellen Kräfte stützt und damit auch deren Interessen unterstützt. Das ist eine politische Entscheidung für eine der Konfliktparteien. Von daher sind Zweifel angebracht sowohl an der Objektivität der Berichterstattung als auch am vorgegebenen Eintreten für Menschenrechte und die Interessen des syrischen Volkes durch die westlichen Medien und Regierungen.

Die Waffenruhe, die am Donnerstag, den 12.4, in Kraft getreten war, war von den westlichen Medien und Staaten nicht mit Begeisterung aufgenommen worden. Vor welchen Schwierigkeiten die Umsetzung der Waffenruhe steht, wird aus zwei Beiträgen der FAZ vom 11.4. deutlich. Bezüglich der Einhaltung dieser Vereinbarung durch die oppositionellen Kräfte selbst äußert sie Zweifel, „dass die zersplitterte Opposition tatsächlich in der Lage wäre, eine Waffenruhe, wie sie der Annan-Plan vorsieht, auf ihrer Seite durchzusetzen“. Die Freie Syrische Armee und der Syrische Nationalrat haben nach Angaben von Annan die Einhaltung zugesagt, jedoch die von der Regierung Assad geforderten Garantien nicht gegeben. Unklar ist zudem das Verhalten der vielen kleineren Milizen, die sich als eigene Verbände gegründet hatten und unabhängig von den beiden großen Organisationen handeln. Es kann bezweifelt werden, ob sie überhaupt für dieselben Ziele kämpfen. Denn mittlerweile räumt auch die FAZ ein, dass die Rebellen sich „immer häufiger auch zu Racheakten haben hinreißen lassen“. Das ist zwar in einem Krieg nicht ungewöhnlich und auch nachvollziehbar, ist aber bisher immer wieder vonseiten der Gegner der syrischen Regierung bestritten oder, wenn es nicht mehr bestritten werden konnte, gerechtfertigt worden.

Jedenfalls schätzt die FAZ die Lage so ein, dass diese Verbände nicht in die Freie Syrische Armee integrierbar sind und damit schwerlich sich an deren Aufforderung zur Waffenruhe halten werden. Sie führt dies auch nicht zuletzt darauf zurück, dass die syrische Armee „das Land wieder weitgehend unter Kontrolle gebracht hat“. Damit wird eingestanden, dass sich das Kräfteverhältnis erheblich zu Ungunsten der oppositionellen Kräfte verschoben hat. Diese Darstellungen der FAZ lassen aber auch die Aussichten auf eine Waffenruhe alleine aufgrund des inneren Zustandes der Opposition als zerbrechlich erscheinen. Denn die syrische Regierung wird, wie jede andere Regierung der Welt auch, bewaffnete Auseinandersetzungen auf ihrem Hoheitsgebiet nicht dulden, auch wenn eine Waffenruhe ausgerufen ist.

Eine andere Entwicklung ist jedoch wesentlich bedrohlicher für den Frieden in der Region. In dem Maße wie sich die Kräfteverhältnisse im Land zugunsten der Regierung Assad zu verändern scheinen, scheinen andererseits die Planungen für ein militärisches Eingreifen von außen voranzuschreiten.

Saudi-Arabien und Quatar hatten schon sehr früh die Opposition mit Waffen und Geld unterstützt und auch immer wieder die direkte Intervention gefordert. Mit der Niederlage der militärischen Kräfte im Land verliert die materielle Unterstützung zunehmend an Wirkung, alleine schon deshalb, weil immer weniger Anlaufstellen für diese Militärhilfe existieren. Je mehr aber die Aussicht auf einen Sieg der innersyrischen Kräfte an Wahrscheinlichkeit verliert, umso massiver werden die Vorbereitungen auf eine Militärintervention von außen vorangetrieben.

In der oben erwähnten Ausgabe der FAZ war bereits von Überlegungen der Türkei berichtet worden, unter welchen Bedingungen eine Intervention von ihrem Staatsgebiet aus als gerechtfertigt angesehen werden könnte. Aufgrund eines im Jahre 2010 mit Syrien geschlossenen Abkommens sieht sich die Türkei berechtigt „eine entmilitarisierte Zone oder einen humanitären Korridor notfalls mit Waffengewalt“ durchzusetzen. Voraussetzung dafür sei aber, dass zumindest von der Türkei die syrische Opposition „als einzige rechtmäßige Regierung Syriens“ anerkannt wird. Allerdings glaubte zu diesem Zeitpunkt die Türkei als NATO-Mitglied, sich nicht auf den Artikel 5 des NATO-Vertrages berufen zu können. Dieser betrachtet den Angriff auf ein NATO-Mitglied als einen Angriff auf alle Mitgliedsstaaten, was ein Eintreten der NATO in einen Konflikt zwischen Syrien und der Türkei ermöglichen würde.

Umso interessanter ist aber der Bericht der luxemburgischen Zeitung „Luxemburger Wort“ vom 21.4.2012, dass offensichtlich schon sehr intensiv über militärische Eingriffsmöglichkeiten der NATO hinter verschlossenen Türen in Brüssel diskutiert wird. Denn am Ende dieses Treffens hatte US-Außenministerin Clinton unter Berufung auf eben diesen Artikel 5 der Türkei Hilfe zugesagt, wenn sie von Syrien aus beschossen werden sollte. In diesem Zusammenhang wurden die Flüchtlingslager entlang der syrischen Grenze als ein besonderes Druckmittel gegenüber Syrien bezeichnet. Es ist zu befürchten, dass die Flüchtlingslager benutzt werden könnten, um von hier aus Syrien zum Beschuss türkischen Bodens zu provozieren. Womit dann ein Grund für eine Militäraktion als gegeben angesehen werden könnte. Im Gegensatz zum Luxemburger Wort hatte die FAZ nicht über dieses Treffen der NATO-Minister berichtet.

Auf dem Treffen der „Freunde Syriens“ in Paris, von dem die FAZ nun wieder berichtete, warnte US-Verteidigungsminister Panetta, „es sei nicht ratsam, ohne klare legale Basis etwas zu unternehmen“. Angesichts des vorangegangenen Treffens der NATO-Minister in Brüssel kann diese Aufforderung an die Politik eigentlich nur so verstanden werden, diese legale Basis zu schaffen. In dieselbe Richtung geht auch die Aufforderung Clintons, „im Sicherheitsrat sehr energisch auf eine Resolution nach Kapitel VII hinzuarbeiten“, das den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung von UN-Forderungen erlaubt.

Auch Außenminister Westerwelle scheint eine Vorbereitung von Gewaltmaßnahmen besonders durch die USA und Frankreich zu befürchten, weil diese beiden „öffentlich über Szenarien sprächen, über die in internen Verhandlungen nicht gesprochen worden sei“. Damit bezog er sich aber auf die Verhandlungen in Paris, nicht auf die von Brüssel. Er befürchtet zudem, dass die Golfmonarchien die syrische Opposition bewaffnen könnten, wenn der Annan-Plan scheitert.

Vielleicht dienen die Berichte über die erneute Zunahme der Kampfhandlungen, die im Widerspruch stehen zu der weiter oben beschriebenen Schwäche der innersyrischen Opposition, nicht zuletzt auch diesem Ziel. Denn, obwohl man um die Schwierigkeiten in der syrischen Opposition weiß, alle Gruppen der Einhaltung der Waffenruhe zu verpflichten, werden die Verstöße gegen die Vereinbarung nach Darstellung der FAZ alleine als das Werk der syrischen Regierung gesehen.

Unter dem Gesichtspunkt, eine Legitimation für einen Militärschlag schaffen zu können, bekommen auch die Auseinandersetzung um die Aufstellung der Beobachtergruppe eine ganz neue Bedeutung. Denn die Verzögerungen werden in erster Linie von den westlichen Vertretern in der UN mit zwei Argumenten begründet, der Sicherheitslage und der mangelnden Bewegungsfreiheit der UN-Beobachter. Hier wird aber eine nahezu unerfüllbare Forderung an die syrische Regierung gestellt. Denn anders als die FAZ stellt das Luxemburger Wort dar, dass die syrische Regierung auch für den Schutz der UN-Beobachter verantwortlich ist. Diesen kann sie aber nicht gewährleisten, wenn vonseiten des Westens gefordert wird, dass sich die Beobachter ohne Begleitung durch die syrischen Vertreter überall im Land sollen bewegen können, also auch in Kampfgebieten.

Zudem dehnten die westlichen Staaten die Forderungen an die Regierung Assad aus über die Bestimmungen des Abkommens hinaus. So bestätigt die FAZ am 13.4, „darüber hinaus ist – über Annans Plan hinaus – vorgesehen, von der syrischen Regierung zu verlangen, dass sie sofort ihre Truppen und schweren Waffen in die Kasernen und Stützpunkte zurückzieht“. Zudem wird gefordert, dass die Beobachter „auch Gefängnisse und Militäranlagen inspizieren“ dürfen, was der Annan-Plan nicht vorsieht. Damit werden natürlich der Einhaltung der Vereinbarungen durch die syrische Regierung zusätzliche Hindernisse aufgebaut.

Es ist zu befürchten, dass besonders die USA und Frankreich als NATO-Staaten und die Scharfmacher im Lager der Arabischen Liga den Misserfolg der Mission betreiben. Ähnlich war bereits die Beobachter-Mission der Arabischen Liga verlaufen, als die Untersuchungen drohten, zu positiv für die syrische Regierung auszufallen.

Denn scheitert der Waffenstillstand in Syrien, verbessern sich die Voraussetzungen für die Schaffung einer „legalen Basis“ von Militäreinsätzen. Besonders Frankreich scheint sich nach dem Bericht des Luxemburger Wort, vielleicht ermutigt durch seine Erfolge im Voranpreschen während des Libyen-Konflikts, auch in Syrien zu einem Vorreiter eines militärischen Vorgehens zu entwickeln.

Hier zeigt sich eine Parallele in der Entwicklung beider Konflikte. Auch in Libyen verhinderte der Einsatz der NATO-Kräfte die Niederlage der Opposition, die militärisch schon geschlagen war. Die NATO griff also erst ein, als die Kräfte im Land, auf die sich der Westen stützte, offensichtlich nicht mehr in der Lage waren, den Sieg aus eigener Kraft zu erringen.

Ähnlich scheint sich die Situation der Opposition in Syrien zu entwickeln. Die FAZ stellte bereits die zunehmende Kontrolle der syrischen Regierung über das ganze Staatsgebiet fest und das Nachlassen der Bewegungsfreiheit der militärischen Kräfte der Opposition.

Zudem werden, im Gegensatz zur Situation vor dem Referendum, immer seltener in den westlichen Medien Filmberichte über die Auseinandersetzungen in Syrien gesendet. Das lässt entweder auf ein Nachlassen der Kampftätigkeit oder der Fähigkeiten der Opposition schließen, die westlichen Medien mit solchem Material zu beliefern.

Aber anders als im Falle Libyens und seiner Randlage handelt es sich bei Syrien um ein arabisches Kernland. Ein Eingreifen dort würde nicht national beschränkt bleiben wie in Libyen. Zu viele andere Konfliktherde wären berührt. Die mühsam errungene innere Ruhe des Libanon könnte zerbrechen, wenn im Lande sich die Bevölkerung in Freunde und Feinde Assads spalten würde. Auch das Kurdenproblem könnte wieder erneut virulent werden und die Konflikte zwischen Syrien und der Türkei, aber auch dem Irak verschärfen, der nach dem Abzug amerikanischer Truppen immer weiter im Chaos versinkt und sich damit den Zuständen nähert, die vor der Machtergreifung Saddam Husseins geherrscht hatten.

Sicherlich würden sich auch Israel und der Iran nicht neutral verhalten, wenn von türkischem Boden aus NATO-Kräfte in Syrien einmarschieren. Zurzeit hält sich Israel zurück in dieser ganzen Auseinandersetzung. Besseres als die innere Zerstrittenheit der arabischen Staaten kann ihm nicht passieren.

Die größte Gefahr besteht aber in der geopolitischen Dimension, die ein Eingreifen der NATO in Syrien hervorrufen würde, denn Russland unterhält immer noch einen Stützpunkt in Syrien und auch China hat bereits vor einem militärischen Abenteuer in Syrien gewarnt. Zudem dürfte die syrische Armee ein Gegner sein, der den NATO-Verbänden an Bewaffnung, Kampferfahrung und Mannschaftsstärke mehr entgegenzusetzen hat als das Militär Gaddafis.

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