„Friede durch Angst“ war einst, während des sogenannten „Kalten Krieges“ zwischen West und Ost, der Begriff für den Umstand, der einen tatsächlichen Konflikt praktisch ausschloss. Genau diese Situation hat sich, aufgrund der Weiterentwicklung moderner Waffensysteme, noch deutlich verschärft. Können wir den Drohgebärden, die von der selbsternannten Weltpolizei USA und ihren Vasallenstaaten ausgehen, also unbesorgt zusehen? Werden sich militärische Überfälle auch in Zukunft auf wehrlose Staaten beschränken, wie es in Afghanistan, im Irak und in Libyen der Fall war?
Seit zwei Jahren herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Die Meinungen, wer als „gut“ und wer als „böse“ gilt, sind vorgefasst. Der von den Massenmedien weniger beeinflusste Teil hat schon lange erkannt, dass es sich bei Präsident Baschar al-Assad keineswegs um den so oft dargestellten skrupellosen Diktator handelt. Neben allem, was man der syrischen Regierung tatsächliche vorwerfen könnte, ist Assad zweifellos auch der Schutzpatron der religiösen Minderheiten im Land, zu denen, neben Drusen und Alawiten, rund drei Millionen Christen zählen. Wer jedoch davon ausgeht, dass es sich bei Demokratie nach amerikanischem Vorbild um die einzig zufriedenstellende Regierungsform handelt, der drückt gerne beide Augen zu, wenn er mit den Gräueltaten der Assad-Gegner konfrontiert wird.
Dazu vernehmen wir Meldungen, dass der US-Verbündete Israel zumindest zweimal Angriffe auf syrischem Hoheitsgebiet durchgeführt hatte, dass Syrien auf Tel Aviv gerichtete Raketen stationiert, dass, während der Westen die Rebellen/Terroristen unterstützt, Russland weiterhin Waffenlieferungen an Syrien durchführt und gleichzeitig, zusammen mit China, von den Westmächten eingeleitete UN-Resolutionen blockiert.
Der, mehrfacher Kriegsverbrechen verdächtigte, ehemalige US-Präsident George W. Bush hatte einst den Irak, Iran und Nordkorea als „Achse des Bösen“ bezeichnet. Während der Irak schon vor zehn Jahren überfallen wurde, müssen die beiden anderen genannten Staaten noch immer regelmäßig als „Bedroher des Weltfriedens“ herhalten. Gebetsmühlenartig werden die Regierungschefs der beiden Länder immer und immer wieder als unzurechenbare Monster beschrieben, dass es dem gemeinen Zeitungsleser erst gar nicht in den Sinn kommt, zu hinterfragen, wer eigentlich während der vergangenen Jahrzehnte überhaupt Kriege angezettelt hat; wer jemals eine Atombombe als Waffe eingesetzt hatte; wessen Arsenal mit Nuklearwaffen gefüllt ist; welcher Staat seine Militärmacht dafür nutzt, Land um Land der eigenen Wirtschaftsherrschaft zu unterwerfen.
Als am 15. April in Boston ein sonderbar mediengerechter Terroranschlag verübt wurde, bei dem drei Menschen getötet und 264 weitere verletzt wurden, war die Welt – natürlich durchaus berechtigt – von Mitgefühl für die Opfer erfüllt. Doch wo blieb dieses Mitgefühl in Zusammenhang mit den Toten, Verstümmelten und Verseuchten während der Angriffe auf den Irak, Afghanistan und Libyen? Warum scheint es, als würden Berichte über die tragischen Schicksale unzähliger Menschen keine Emotionen schüren, solange diese nicht in Deutschland oder in den Vereinigten Staaten leben? Könnte es sein, dass die Mehrzahl unserer Mitbürger bereits so sehr unter dem Einfluss der Meinungsmache steht, dass solche Gedanken gar nicht mehr auftauchen?
Zweifellos regen sich die Gemüter, wenn die eigene Haut auf dem Spiel steht. Wie sieht es also mit der Gefahr aus, dass ein neuer Krieg, etwa gegen Syrien, gegen den Iran oder gegen Nordkorea, zu einem außer Kontrolle geratenden Konflikt führen könnte, der Atommächte wie Russland und China einschließt? Unterstreichen russische Waffenlieferungen an Syrien nicht eine Bündnisbereitschaft, während die Möglichkeit, dass NATO-Mächte gegen Syrien ins Gefecht ziehen, weiterbesteht? Bezieht nicht China weiterhin Erdöl aus dem Iran – und dürfte von diesen Energieimporten auch abhängig sein – obwohl Amerika die ganze Welt zu einem Boykott aufruft? Ist den Chinesen das radikale Nordkorea nicht als Pufferzone gegen die Dominanz des Westens genehm?
Der zu Beginn erwähnte Begriff der 70er- und 80er-Jahre, „Friede durch Angst“, heißt auf Englisch: M. A. D. Abgesehen davon, dass diese drei Buchstaben, wenn zusammengeschrieben, auf Deutsch „verrückt“ bedeuten, sie stehen für: Mutually Assured Destruction – zu Deutsch: Gegenseitig zugesicherte Vernichtung.
Im Klartext bedeutet dies: Wenn ein Land über Massenvernichtungswaffen verfügt und im Falle eines Angriffes zu einem Gegenschlag fähig ist, so ist ein Angriff gegen dieses Land a priori auszuschließen.
Ungeachtet aller möglicherweise existierenden Waffensysteme, von denen die Weltöffentlichkeit nichts bis wenig weiß, eine Angriffsform, die mit einem Schlag einen ganzen Kontinent lahmlegen kann, ist durchaus bekannt: EMP – elektromagnetischer Puls. (In Zusammenhang mit den israelischen Angriffsdrohungen gegen den Iran im Vorjahr wurde auf diese Möglichkeit übrigens von israelischer Seite verwiesen.)
Wird ein nuklearer Sprengkopf in einer Höhe von mehreren hundert Kilometern gezündet, löst dies eine Strahlungswelle aus, die jegliche Elektronik auf dem Erdboden zerstört. (Details lassen sich bei Wikipedia – http://de.wikipedia.org/wiki/Emp – nachlesen.) Nachdem in unserer modernen Welt so gut wie alles auf Elektronik basiert, unsere Autos eingeschlossen, ließe sich durch eine solche Explosion die Infrastruktur eines Landes, bei größerer Höhe der Explosion auch eines ganzen Kontinents, mit einem Schlag lahmlegen. Es kann sich wohl jeder selbst ausmalen, was in Großstädten vor sich ginge, gäbe es plötzlich keinen Strom, keine Computer, keine Telekommunikation, keine Fahrzeuge und innerhalb von wenigen Tagen weder Nahrungsmittel noch Trinkwasser.
Wir können davon ausgehen, dass die Supermächte deswegen so sehr daran interessiert sind, dass Staaten, die noch nicht vom westlichen Finanzsystem dominiert sind, nicht in den Besitz nuklearer Sprengköpfe zuzüglich der erforderlichen Trägerraketen gelangen, dass ihnen, im Falle eines Angriffes, die Möglichkeit für einen derartigen Gegenschlag nicht offensteht. Mit der Sicherung des Weltfriedens hat dieses Bestreben absolut nichts zu tun, sondern mit der Erhaltung der Erpressbarkeit.
Was sich zweifellos nicht ausschließen lässt, ist ein begrenzter Konflikt, bei dem die großen Atommächte zwar als Unterstützer der gegnerischen Kriegsparteien auftreten, ohne sich jedoch gegenseitig direkt anzugreifen. So wie es in Korea der Fall war, in Vietnam und auch in Afghanistan zu Zeiten der Sowjetunion.
Dass heute noch Kriege ausbrechen könnten, weil einzelne ethnische Gruppen traditionelle Feindschaften gegeneinander hegen, eignet sich zwar bestens, um mit derlei Geschichten Zeitungen und Nachrichtensender zu füllen, hat mit der Realität aber herzlich wenig zu tun. Spätestens seit den Napoleonischen Kriegen – https://www.theintelligence.de/index.php/wissenschaft/geschichte/3600-jeder-grosse-krieg-beruht-auf-wirtschaftlichen-motiven.html – ist es deutlich erkennbar, dass hinter allen nennenswerten militärischen Auseinandersetzungen wirtschaftliche Motive stecken. Kriege verschlingen Unmengen an Geld und ergeben somit nur dann Sinn, wenn sie, im Falle eines Sieges, auch Unmengen an Geld einbringen. Soldaten und Zivilbevölkerung lässt sich natürlich aller möglicher Unsinn einreden. Das Böse muss besiegt, Diktatoren müssen gestürzt, Zivilisation und Christentum müssen verbreitet, Freiheit und Demokratie müssen eingeführt werden und noch einiges mehr. Wie schon einmal, in einem Artikel zum seinerzeitigen Reichstagsbrand – https://www.theintelligence.de/index.php/politik/international-int/1798-warum-gerade-der-reichstag.html – erwähnt, gab Hermann Göring am 18. April 1946 folgende Erklärung ab, die sich wohl für jede Epoche und für jedes Land gleichermaßen anwenden lässt (aus englischen Quellen – http://en.wikiquote.org/wiki/Hermann_G%C3%B6ring – ins Deutsche rückübersetzt):
„Ja, natürlich wollen die Menschen keinen Krieg. Warum sollte auch ein armer Bauer sein Leben riskieren wollen, wenn alles, was er dabei gewinnen könnte, darin besteht, in einem Stück auf seinen Bauernhof zurückzukommen. Natürlich wollen die normalen Menschen keinen Krieg, weder in Russland noch in England oder Amerika und auch nicht in Deutschland. Das ist bekannt. Aber, schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer einfach, die Menschen hinter sich zu bringen, egal ob es sich um eine Demokratie handelt oder eine faschistische Diktatur oder ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur.“
Wenn sich ein dritter Weltkrieg in dem Sinne, dass sich NATO und Russland und/oder China als Gegner direkt gegenüberstehen, zwar grundsätzlich ausschließen lässt, so gibt es doch noch große Teile der Welt, die noch nicht restlos ins westliche Wirtschaftssystem eingegliedert sind. Und wenn einzelne Staaten als Unterstützer, ungeachtet für wen, auf die internationale Bühne treten, so geschieht dies zweifellos nicht aus philanthropischen Motiven, sondern aus reinem Eigeninteresse. So wie wehrlose Ladenbesitzer entweder Schutzgeld an die Mafia oder Steuern an den Staat zu zahlen haben, so dürfen sich militärisch schwache Länder bestenfalls aussuchen, von welcher Seite sie sich ausbluten lassen.
Die Zukunft lässt sich immer nur von jenen Menschen vorhersagen, deren Position es erlaubt, die Entwicklungen entsprechend zu beeinflussen. Selbst der erfahrendste politische Analyst ist sicher nicht mit jenen Plänen vertraut, die den Herrschern über die Weltwirtschaft vorschweben.
Oh ja, natürlich, hier sei sofort eingefügt, dass derartige Pläne selten reibungslos in die Tat umgesetzt werden. Entwicklungen mögen vorgegeben sein, doch viele Hindernisse stehen im Wege. Unter anderem auch, dass es innerhalb der einflussreichsten Kreise keineswegs eine allgemeingültige Einigkeit gibt. Das Einzige, was diesbezüglich feststeht, ist, dass politische und wirtschaftliche Entwicklungen selten so vonstattengehen, wie es den Massenmedien zur Berichterstattung aufgetragen wird. Schlussfolgerungen, die auf den verfügbaren Informationen basieren, tragen zweifellos dazu bei, dem eigenen Gesamtverständnis weitere Puzzle-Steine hinzuzufügen, eigenen sich aber gleichzeitig selten dazu, die allgemeine Entwicklung sachlich und verständlich zu beleuchten.
Auch wenn es wenig Anlass gibt, sich bezüglich eines internationalen Atomkrieges den Kopf zu zerbrechen, politische Spannungen werden zu sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft erhalten bleiben. Nicht, weil es den Menschen nicht möglich ist, in Frieden miteinander zu leben, sondern weil ein Wirtschaftssystem, das von ununterbrochenem Wachstum abhängt, immer wieder neue Märkte braucht; und mit Sicherheit nicht auf bestehende Märkte, zu denen die Kriegsindustrie zählt, verzichten kann. Wo Spannungen aufgebaut werden, besteht gleichzeitig auch die Gefahr, dass sie sich entladen. Und damit muss jeder Mensch in grundsätzlich jedem Land rechnen. Denn Spannungen gibt es wohl überall. Die einzige Beruhigung, die diesbezüglich bleibt, ist jene, dass vorwiegend nur Gewehrkugeln verschossen werden – und keine nuklearen Sprengköpfe. Die Menschheit als Ganzes als fortschrittlich zu bezeichnen, diese Behauptung wurde jedoch zweifellos verfrüht populär gemacht.