Der ehemalige EU Kommissar Günter Verheugen, der sicherlich nicht den Ruf eines EU-Kritikers genießt, gab dem Spiegel ein Interview, in dem er sich sehr kritisch gegen die ausufernde Bürokratie in Brüssel äußerte: „27 Kommissare – das bedeutet 27 Generaldirektionen, und 27 Generaldirektionen bedeuten, dass alle beweisen müssen, dass man sie braucht, indem sie ständig Vorschriften, Strategien oder irgendwelche Projekte in die Welt setzen. Jedenfalls immer mehr, immer mehr, immer mehr.“
Das war im im Februar 2010. Damit hat er bewusst oder unbewusst eines der Probleme angesprochen, die die EU über kurz oder lang ins Wanken bringen wird. 27 Spitzenposten zu erfinden, deren Aufgaben sich mehrmals überschneiden, ist schon eine Meisterleistung.
Erinnert so etwas nicht irgendwie an die Schildbürger, die versuchten, die Dunkelheit im neuen, ohne Fenster gebauten, Rathaus durch das Einfangen des Sonnenlichtes mit Eimern oder Säcken zu besiegen?
Die EU-Bürokratie schafft regelmäßig neue Stellen. Welche Posten werden da wohl für die neuen Nettoempfängerstaaten, die in den Startlöchern zum Beitritt stehen, erfunden werden? Denn auch die brauchen ihre eigenen Kommissare. Als Vorbild könnte da die Regierung in meiner Heimatstadt Wien dienen. Hier wurden allen Ernstes ein Fahrrad- und ein Fußgängerbeauftragter aus dem Hut gezaubert. (Kein Scherz. Wenn Sie wollen, können Sie nachlesen: ORF.at.) Wenn ich mir erlauben darf, etwas beizutragen: Wie wär’s mit einem „Kommissar für die Fortbewegung ohne technisch freigemachter Energie“.
In Wirklichkeit ist das Thema Bürokratie in Brüssel zum Heulen und gar kein Anlass zum Witzemachen. Denn sämtliche Politiker, die von ihren Ländern nach Brüssel geschickt werden, verlieren binnen kürzester Zeit die Beziehung zur Realität. Die nicht unbedingt bescheidene Entlohnung mag dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Die Einfachheit und Klarheit des Denkens geht verloren. Es scheint in all zu vielen Fällen, als würden künstlich Probleme geschaffen, für die im nachhinein Lösungen angeboten werden.
Meiner Meinung nach erscheint es fast unmöglich, dass in Brüssel der richtige Weg erkannt werden wird. Ganz im Gegenteil. Die Bürokratie wird zum Selbstläufer, widmet sich Aufgaben, die durch und durch sinnlos erscheinen – ja oft sogar erst geschaffen werden, um die neu erfundenen Positionen zu rechtfertigen.
Ein wünschenswertes Europa wäre ein Kontinent von souveränen Nationalstaaten, die ihre Kräfte dort bündeln, wo es zweckmäßig erscheint. Gleichzeitig aber genügend Spielraum für individuelle Flexibilität offenlassen, um den einzelnen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit einzuräumen, ihre grundeigenen Stärken zu nützen und gleichzeitig ihre nationalen Eigenheiten zu erhalten.
Was für Unregelmäßigkeiten – um es vorsichtig auszudrücken – geschehen bei der Verteilung von Fördergeldern? Welche Projekte wurden nicht alle genehmigt, deren Zwielichtigkeit schon jedem besseren Grundschüler aufgefallen wäre. Wie viele Milliarden versickern dadurch sinnlos im Sand?
Sagenhafte Vermögen wurden ins spanische Baugewerbe gepumpt. Es entstand eine Immobilienblase. Und während Millionen sündteurer Eigentumswohnungen leer stehen, begeht so mancher Spanier Selbstmord, weil er sich die immer höher ansteigende Miete nicht mehr leisten kann.
Der Probleme gibt es unzählige. Und vermutlich gäbe es diese alle nicht oder nur in wesentlich geringerem Maße, wenn, anstatt der Brüsseler Denkfabrik, die (hoffentlich vernünftigen) Politiker der Nationalstaaten bestimmen würden, was mit den Geldern passiert. Wie viele Regeln wurden nicht alle erschaffen für Belange, die früher anstandslos funktionierten?
Die älteren Jahrgänge unter den Lesern werden sich, ebenso wie ich, daran erinnern, wie einfach doch das Leben war, bevor uns dieses Monstergebilde einer Europäischen Union aufgezwungen wurde. Und welche Normen wird man noch alle erfinden, um unser Leben zu verkomplizieren? Ob der ganze Zirkus den neu erschaffenen Beamtenposten dient, den Konzernen und Banken, die aus der EU Profit schlagen, oder beidem, kann ich selbst nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass sich unser aller Lebensqualität regelmäßig verschlechtert.
Mit welchen Worten begann Blaise Pascal einst ein Schreiben? „Bitte entschuldigen Sie den langen Brief, ich hatte keine Zeit, einen kurzen zu schreiben!“ Also, warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht!?
Doch insbesondere in Krisenzeiten sollten wir uns die alte Volksweisheit ins Gedächtnis rufen, sollten die EU-Bürokraten so oft es nur geht daran erinnern: Zu viele Köche verderben den Brei! Die Richtigkeit dieser Binsenweisheit wird in Brüssel regelmäßig und nachhaltig unter Beweis gestellt.