Samstag , 20 April 2024
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Ist Krieg ein Ausweg aus der Wirtschaftskrise?

bundeswehr reichstagDie Weltlage ist angespannt. „Crash oder Krieg“, was wird die (nahe) Zukunft bescheren? Führte der Zweite Weltkrieg, zumindest vom Standpunkt der USA aus betrachtet, nicht aus einer ähnlichen Krise heraus? Sind Sparmaßnahmen nicht rasch vergessen, wenn ein Krieg zum Aufrüsten zwingt? Folgt der Zerstörung nicht immer ein Wiederaufbau – also eine Belebung der Wirtschaft? Zwischen den 1930-Jahren und jetzt gibt es jedoch einen markanten Unterschied. Nicht, dass die Menschheit klüger geworden sei. Gewiss nicht. Die Schuldenlast war damals, im Vergleich zu heute, lächerlich niedrig. Der gigantische Schuldenberg, unter dem die gesamte westliche Welt heute leidet, lässt sich aber auch durch einen Krieg nicht wegwischen.

Über Wochen hinweg sah es aus, als wäre mit einem Angriff auf den Iran täglich zu rechnen. Doch ganz plötzlich wurde es wieder ausnehmend still um die angeblichen Bemühungen Irans, Atomwaffen herzustellen.

Im Zentrum eines möglichen Konfliktszenarios steht heute Syrien, ein Bündnispartner Irans. Auch wenn die Situation nicht ganz so extrem ist wie in Libyen, dass es einflussreichen Kreisen des Westens um den Sturz Assads und seiner Regierung geht, und keineswegs um das Wohlergehen der syrischen Bevölkerung, wird von keinem objektiven Beobachter mehr angezweifelt. Doch während sich die beiden Supermächte Russland und China bei allen bisherigen Angriffskriegen, gegen den Irak, gegen Afghanistan und gegen Libyen, neutral verhielten, treten beide Länder als Schutzmächte sowohl Irans als auch Syriens auf.

Der Westen spielt weiter mit dem Feuer. Was genau zum Abschuss einer türkischen Militärmaschine vor der Küste Syriens geführt hat, ist nicht bekannt. Handelt es sich um eine türkische Provokation, um einen regionalen Konflikt in die Wege zu leiten? Russische und chinesische Reaktionen haben deutlich gezeigt, dass ein UN-Mandat gegen Syrien, wie im Vorjahr gegen Libyen, um einen NATO-Angriff zu ermöglichen, durch ein doppeltes Veto blockiert werden würde. Sollte zwischen Syrien und der Türkei jedoch eine Kettenreaktion der Gewalt einsetzen, wäre eine Unterstützung des NATO-Partners gewiss auch ohne Einschaltung des Weltsicherheitsrates möglich.

Ziehen wir diese Möglichkeit ins Kalkül, wäre die Strategie, die hinter einer derartigen Entwicklung stünde, nicht offensichtlich? Offensichtlich genug, um ein Einschreiten Russlands und Chinas mit sich zu bringen?

Eine wahrhaft grauenhafte Vorstellung. Denn zweifellos würde ein offener Konflikt zwischen den genannten Militärmächten das Leben auf unserem Planeten dauerhaft verändern. Kann irgendein Mensch tatsächlich verrückt, machthungrig oder selbstherrlich genug sein, um eine derartige Katastrophe in die Wege zu leiten? Ich spreche dabei nicht von Skrupeln. Dass auf solche nicht gezählt werden kann, haben viele Ereignisse der Geschichte unter Beweis gestellt, vom Abwurf zweier Atombomben auf Japan bis hin zur systematischen Verseuchung Falludschas. Doch in all diesen Fällen konnte sich der Aggressor das rücksichtslose Vorgehen deswegen leisten, weil er keinen ebenbürtigen Gegenschlag zu fürchten brauchte. In einem – zum Glück noch undenkbaren – Krieg zwischen USA/NATO und Russland/China stünde jedoch auf allen Seiten ausreichendes Potential zur Verfügung, um auf jeden auch noch so verheerenden Militärschlag durch einen nicht minder verheerenden Gegenschlag zu antworten. „Friede durch Angst“ betitelte der österreichische Journalist Hugo Portisch eine lange zurückliegende Analyse des Kräfteverhältnisses zu Zeiten des Kalten Krieges. Für uns Erdenbürger bleibt zu hoffen, dass diese Angst niemals überwunden wird.

Zweifellos beleben auch beschränkte Konflikte die Wirtschaft. Westliche Konzerne übernehmen die Kontrolle der besetzten Staaten, beuten die Rohstoffquellen aus, organisieren den Wiederaufbau, finden Wege, das lokale Humankapital gewinnbringend zu nutzen. Der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler hatte sich diesbezüglich im Mai 2010 einen diplomatischen Fehltritt geleistet, indem er auf die wirtschaftlichen Vorteile der deutschen Beteiligung am Afghanistan-Feldzug verwies.

Doch, wie die Entwicklungen während der vergangenen Jahre verdeutlichen, führten die genannten Eroberungskriege zu absolut keiner wirtschaftlichen Verbesserung seitens der Siegermächte. Wie auch? Während die Kriegskosten durch öffentliche Mittel finanziert werden, fließen die Profite in die Kassen der begünstigten Konzerne. Die Schuldenberge Europas und Amerikas wachsen weiter. Die Zinslast schwillt weiter an. Die dem Volk zur Verfügung stehenden Mittel werden knapper. Und je mehr der Finanzsektor auf die Begleichung anlaufender Zinsen besteht, desto mehr leidet die Wirtschaft der betroffenen Staaten, weil die abgezogenen Gelder als Kaufkraft ausfallen.

Wie schon mehrmals erwähnt: Während viele Menschen gerne mehr konsumieren und viele Betriebe gerne mehr produzieren würden, fehlt es an Geld, um das vorhandene Potential auszuschöpfen.

Genau diese Situation war aber auch schon in den 1930er-Jahren in den USA gegeben. Der, durch einen Konsumboom ausgelöste sagenhafte Aufschwung der 1920er-Jahre, an dem Deutschland als Weltkriegsverlierer nicht teilhaben konnte, kam durch die künstliche Verknappung des Geldumlaufes zu einem plötzlichen Ende. Während der 1930er-Jahre litt ein großer Teil der US-amerikanischen Bevölkerung empfindliche Not, die erst durch den Kriegseintritt der USA, Dezember 1941, gelindert wurde.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte ein neuer Aufschwung, der sich über Jahrzehnte erstreckte. Entsprechend der Rekonstruktionshypothese bot das zerstörte Europa traumhafte Investitionsmöglichkeiten. Die nicht gegebene Zerstörung in den USA wurde durch überschwängliches Konsumverhalten ebenso ausgeglichen wie durch sogenannte Suberbs, neu errichtete Wohnviertel außerhalb der Städte.

Zweifellos trugen noch viele andere Details zum über Jahrzehnte vorangetriebenen Wirtschaftswachstum bei. Gleichzeitig nahm aber auch das Geld-, und dadurch das Schuldenvolumen, regelmäßig zu. Bis eines Tages der Zeitpunkt erreicht war, an dem sich sowohl Europa als auch die Vereinigten Staaten heute befinden: Die Schulden sind so hoch angestiegen, dass die Begleichung der Zinsen, und der damit verbundene Abzug von Kaufkraft, deutliche Auswirkungen auf die Realwirtschaft mit sich bringen. Und alles Gerede bezüglich einer Lösung der Krise birgt die Unmöglichkeit in sich, durch Verringerung der Kaufkraft (Sparmaßnahmen) das Schuldenwachstums einzudämmen und gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln.

Das regelmäßige Kriegsgerassel bringt nun gelegentlich den voreiligen Schluss mit sich, dass schon in der Vergangenheit Wirtschaftskrisen durch Kriege abgelöst wurden. Abgesehen davon, dass dies 1914, zu Ausbruch des Ersten Weltkrieges, nicht der Fall war, lässt sich auch die Situation der 1930-Jahre nicht mit der heutigen vergleichen. Die damalige Krise wurde durch die künstliche Reduktion des Geldumlaufvolumens ausgelöst. In der derzeitigen Krise wächst das Geldvolumen, wenn auch nicht in Händen der Bürger, jedoch regelmäßig an. Immer wieder werden dem Finanzsektor neue Mittel zur Verfügung gestellt (Quantitative Lockerung) und Spielraum für eine Erweiterung der öffentlichen Verbindlichkeiten ist so gut wie keiner mehr gegeben.

Ein kostenintensiver Konflikt in der gegebenen Situation wäre somit keineswegs als Lösung der Wirtschaftskrise zu verstehen, sondern eher als letzter Schritt in den restlosen Zusammenbruch.

So erschreckend die Vorstellungen bezüglich eines totalen Finanzcrashs auch sein mögen, wenn Bankschalter geschlossen bleiben, keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen und somit auch keine neuen Waren in die Städte gebracht werden, sollte es tatsächlich eines Tages zu einem Zusammenbruch kommen, so dürfen wir davon ausgehen, dass er im Stillen schon lange vorbereitet war. Ein „kontrollierter Abbruch“, sozusagen.

Denken wir unter diesem Gesichtspunkt über mögliche militärische Auseinandersetzungen nach, so zeigt sich die Vorstellung, dass es sich um ein Kräftemessen, um den Versuch, eine globale Vorherrschaft zu erreichen, handeln könnte, als eindeutig im oberflächlichen Bereich liegend. Ein bewusst inszenierter und als zeitlich begrenzt geplanter Konflikt würde – den dramatischen Anstieg der Verschuldung berücksichtigend – ebenfalls zu keiner langfristigen Lösung führen. Es sei denn, der kurzfristig hervorgerufene Zusammenbruch des Geld- und Wirtschaftssystems wäre das eigentliche Ziel, um die Weltbevölkerung von einer notwendigen Neuordnung zu überzeugen.

Betrachten wir die Entwicklungen, insbesondere im Finanzbereich, während der vergangenen Jahre, so dürfen wir getrost davon ausgehen, dass nichts, weder das Platzen der Immobilienblase in den USA, noch die Schuldenkrise innerhalb der Eurozone, unvorhersehbar war. Dementsprechend lässt sich somit auch dahingehend spekulieren, dass auch die zukünftigen Entwicklungen einer, zumindest teilweisen, Steuerung unterliegen. Vermutungen zu äußern, welche Richtung eingeschlagen werden könnte, würde jedoch mit Sicherheit zu weit gehen. Es reicht allerdings, die weiteren Entwicklungen unter den angeführten Gesichtspunkten unter Beobachtung zu halten, um gewisse Tendenzen zu erkennen.

Eines steht allerdings unumstritten fest: Ohne weitreichende Veränderungen lässt sich das vorherrschende Wirtschafts- und Geldsystem nicht mehr lange erhalten. Darauf zu hoffen, dass alles eines Tages wieder „normal“ sein werde, so wie vor zwanzig oder dreißig Jahren, dafür bietet sich wenig Anlass. Die dafür notwendigen Schritte, die eine Entmachtung des Finanzsektors erforderten, werden von den westlichen Politikern nicht einmal im Ansatz angesprochen. Aber zumindest leben wir, und das ohne Zweifel, in einer spannenden Epoche der Weltgeschichte.

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