Donnerstag , 28 März 2024
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Einreiseverbot für Grass nach Israel – Einblicke in einen souveränen Staat

grenzkontrolle symbolGünter Grass darf nicht mehr nach Israel einreisen. Dies hat jüngst die israelische Regierung in Jerusalem beschlossen. Abgesehen davon, dass eigentlich grundsätzlich ein Einreiseverbot für ehemalige Angehörige der SS nach Israel besteht, ist dieses Verdikt – um einmal einen Begriff aus der Grass’schen Lyrik zu bemühen – mehrfach irritierend.

Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Schriftsteller darf ein anderes Land nicht mehr betreten, weil er ein Gedicht über dieses Land geschrieben hat, das kaum einem Menschen gefällt. Ich glaube, das hatten wir bisher so noch nicht.

Bisher hatten es Literaten meist in solchen Ländern schwer, die autoritär und undemokratisch regiert werden: Wenn sie dort etwas Kritisches schreiben, müssen sie sich entweder verstecken oder emigrieren. Hatten wir in unserem Land auch mal. Nun ist in Deutschland aber immerhin eine innere Einstellung eingekehrt, die es möglich macht, dass in ausländischen Gazetten Angela Merkel oder andere politische Repräsentanten in NS-Uniform und mit hitlerscher Rotzbremse dargestellt werden, ohne dass solches gleich von hier aus sanktioniert wird. Wie auch. Wir finden solche Dummheiten überwiegend nicht gut. Sie sind aber geschenkt.

Aber ich schweife ab. Es ist dieser Tage etwas Neues passiert: Ein Schriftsteller darf ein anderes Land nicht mehr betreten, weil er ein Gedicht über dieses Land geschrieben hat, das kaum einem Menschen gefällt. Ich glaube, das hatten wir bisher so noch nicht.

Und nun ist es also amtlich: Grass darf nicht mehr im Toten Meer baden, darf nicht in die Grabeskirche in Jerusalem, nicht faul am Strand von Netanja liegen und sich auch nicht die Reste der Kreuzfahrerfestung von Akko anschauen. Das hat das israelische Parlament so entschieden und Israels Innenminister damit begründet, dass Grass ein „antisemitischer Mensch“ sei, wie es der Spiegel meldet.

Laut „Spiegel“ und anderen Medien hat der israelische Historiker Tom Segev die neueste Maßnahme Israels gegen Günter Grass als „albern“ und „zynisch“ bezeichnet , wobei er gleichzeitig feststellte, dass „Israel sich damit selbst in die Nähe des Irans“ rücke.

Das israelische Verlagshaus Kinneret in Tel Aviv, bei dem die Werke von Grass in Israel verlegt werden, hat sich bisher weder zu dem Gedicht noch zu den neuesten Vorgängen geäußert – weder negativ noch positiv. Es ist aber zu vermuten, das die Büchermacher in Zukunft dort im besten Fall mittelfristig auf ihren Grass-Titeln sitzen bleiben werden – wohl gemerkt: Im besten Fall. Denn wie um dem ganzen Wutgeschnaube noch das Sahnehäubchen aufzusetzen, hat Israels Innenminister Jischai just die die Aberkennung des Nobelpreises für Günter Grass gefordert.

Die paar Stimmen, die für Günter Grass und seine neuesten, literarisch nicht besonders wertvollen Zeilen hierzulande und anderswo Position bezogen haben, sind an einer Hand abzuzählen. Zu ihnen gehören im Übrigen auch der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“ Ansonsten hat sich die deutsche Presse nicht entblödet, mit Verve und in ungeahnter Einigkeit unisono ein Konzert anzustimmen, das im tiefsten Basso Continuo auf das Eintönigste nichts unversucht lässt, den Schriftsteller niederzuschmettern, als ginge es um die Mauern von Jericho.

Es könnte allerdings sein, dass angesichts der neuesten Einlassungen israelischer Top-Politiker ein paar Menschen mehr die Augen geöffnet werden und auch die Meinung der Presse etwas differenzierter wird. Die Sanktionen Israels, die es gegen den Schriftsteller Grass erlässt, sind alles andere als souverän und erinnern weniger an einen stabilen Staat, sondern eher an einen Kindergarten. Ein Kindergarten, der allerdings Atommacht ist. Und das macht genau jene Angst, die Grass in seinem Gedicht zum Ausdruck bringt. Seine neueste Mahnung auch nur einmal mehr gründlich zu lesen, kann nicht schaden.

Ein souveräner Staat muss sich übrigens immer auch messen lassen an der Verhältnismäßigkeit der Mittel, wie er mit seinen Kritikern umgeht. Der Staat Israel hat sich selbst pünklich zum Pessachfest – respektive zum Osterfest – ein Ei ins eigene Nest gelegt, das nicht unbeobachtet bleiben wird.

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