Dienstag , 23 April 2024
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Merkel wankt wie noch nie – ESM-Abstimmung mit Vertrauensfrage?

merkel gruebeltDas neuerliche Rettungspaket für Griechenland hat den Bundestag passiert. Hiermit enden allerdings die guten Nachrichten für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Am gestrigen Montag brachte sie zwar den deutschen Steuerzahler um einen nicht unerheblichen Euro-Betrag, aber sie hat dabei viel politisches Porzellan zerschlagen.

Es ist schon erstaunlich: Bei dem ersten Rettungspaket für Griechenland beziehungsweise für den Finanzsektor stand bei der damaligen Abstimmung im Bundestag vor allen Dingen die Frage im Raum, ob Merkel ihre eigenen Reihen wird geschlossen halten können. Damals brachte sie dies noch zustande. Nun aber verweigern ihr immer mehr Abgeordnete die Gefolgschaft, was angesichts ihres mindestens als autoritär zu bezeichnenden Regierungsstil nicht wirklich verwundern kann. Die Konsequenz, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen, blieb uns unsere Regierungschefin bislang allerdings schuldig und der bundesdeutsche Blätterwald macht bei weitem nicht solch große Backen, wie man es von ihm hätte erwarten können.

Warum sollte Merkel die Vertrauensfrage stellen, die Regierungschefin hat doch nur diese ominöse Kanzlermehrheit verloren, mag die Leserschaft einwenden. Der aktuelle Bundestag setzt sich aus 620 Abgeordneten zusammen. Um die absolute Mehrheit, also 50 Prozent plus eine Stimme, zu erreichen, benötigt man folglich 311 Stimmen. Die Union kommt zusammen mit den Liberalen auf 330 Abgeordnete, ein vergleichsweise dickes Polster. Bei der gestrigen Verabschiedung des neuerlichen Griffs in das Steuerzahler-Portemonnaie stimmten jedoch nur 304 Abgeordnete der noch amtierenden Regierung für eben jenen Griff. Merkel brachte das Rettungspaket dennoch durch und war dabei nicht einmal – wie man es vermuten könnte – auf die Stimmen der Steigbügelhalter unserer Kanzlerin, den Sozialdemokraten und den Grünen, beides Parteien, die sich in Sachen Asozialität in Nichts nachstehen, angewiesen. Bei der Verabschiedung des Rettungspakets reichte, wie bei so gut wie allen anderen Entscheidungen des Bundestags, die einfache Mehrheit. Hätten sich also von den 620 Mitgliedern des Bundestags 617 enthalten, hätte einer mit Nein gestimmt und zwei mit Ja, wäre das Rettungspaket dennoch durchgewinkt worden. Die absolute Mehrheit ist im Bundestag lediglich „bei der Wahl des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter, des Bundeskanzlers und des Wehrbeauftragten, bei einer Vertrauensfrage des Kanzlers, der Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrats und beim konstruktiven Misstrauensvotum“ von Nöten.

SPD, Grüne und Linke kommen zusammen auf 290 Stimmen. Selbst wenn also alle drei Parteien geschlossen gegen das Hilfspaket für die Hellenen gestimmt hätten, wäre mit den 304 Ja-Sagern das Paket mit der einfachen Mehrheit verabschiedet worden. Insofern ist der Einwand, dass Merkel lediglich wegen des Verlustes der Kanzlermehrheit nicht die Vertrauensfrage stellen muss, arithmetisch und verfassungsrechtlich berechtigt. Dennoch wird sie auf kurz oder lang nicht darum herumkommen, sich des Vertrauens des Bundestags zu vergewissern.

Merkels Macht erodiert zusehends, nicht nur aber gerade bei europapolitischen Entscheidungen. Sechs Abgeordnete aus den Reihen der Union und den Liberalen waren gar nicht erst gekommen, sie hatten sich krank gemeldet oder waren auf Dienstreise. 20 Abgeordnete verweigerten Merkel die Gefolgschaft, indem sie das Rettungspaket ablehnten (17 Abgeordnete) oder sich enthielten (3). Es steht nicht zu erwarten, dass sich die Riege der sogenannten Abweichler bei den anstehenden Entscheidungen lichten wird, im Gegenteil.

Die Abstimmung zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) dürfte zur Nagelprobe der Regierung Merkel werden. Unsere Bundeskanzlerin muss sich darauf einstellen, das ESM-Gesetz mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen, so sie sicherstellen will, dass ihre Koalition handlungsfähig bleibt.

Jener ESM, der Befürwortern wie Gegnern schlaflose Nächte bereitet, muss noch durch den Bundestag gepeitscht werden, und sollten sich die Politiker der Union und FDP dieses Brüsseler Machwerk tatsächlich durchlesen, ist die Hoffnung berechtigt, dass sich mehr als 39 Parlamentarier finden, die dieses ablehnen. Merkel müsste in solch einem Falle auf die Stimmen der SPD und der Grünen hoffen, in der Folge allerdings die Vertrauensfrage stellen, da sie sich einer eigenen (einfachen) Mehrheit nicht mehr sicher sein kann. Böte sich die Chance, Merkel auszubooten, würden selbst die einstigen Sozialisten und die grüne Bionaden-Bourgeoisie die Gelegenheit beim Schopfe packen. Ein Regieren mit wechselnden Mehrheiten war auf Bundesebene in der Vergangenheit in der Realität schließlich nicht vorhanden, was durchaus triftige Gründe hat.

SPD und Grüne könnten es bei der ESM-Abstimmung also darauf ankommen und Merkel über die Klinge springen lassen, um nur wenige Stunden oder Minuten später den ESM zu verabschieden. Die Installation des verfassungsrechtlich fragwürdigen ESM wäre dadurch natürlich nicht gestoppt, soweit würde es die Konsens-Sauce, wie Gregor Gysi (Die Linke) den CDUCSUSPDFDPGrünen-Block zutreffend beschrieb, dann doch nicht kommen lassen.

Und so lautet die traurige Erkenntnis: Ein Abgang Merkels wäre nicht mehr als ein Pyrrhus-Sieg für all jene, die sich gegen den Ausverkauf der bundesdeutschen Demokratie aussprechen. Dafür werden die Sozialdemokraten und die Grünen schon sorgen, wenn Merkel es nicht selbst hinkriegt und sich als letzte Amtsaufgabe zum Bauernopfer degradieren lässt.

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