Freitag , 19 April 2024
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Gauck! Und die Welt steht Kopf!

erde kopfstandSteht die Welt Kopf? Wenigstens die Welt der Politauguren, die da abends dem staunenden Publikum ihre verwinkelten Erklärungen aus der Befindlichkeit und Psyche der Herrschenden als Motive ihres Handelns in die Wohnstuben träufeln. Keiner von diesen Fachleuten des Berliner Politgeschäfts hatte im Vorhinein mit Gauck gerechnet und alle hatten sie hoch psychologische Erklärungen dafür, weshalb er es nicht werden könne. „Merkel werde diese Blamage nicht hinnehmen“ und ähnliches psychologistisches Geschwätz, das nur auf dem dümmlichen Weltbild beruht, dass die Politiker die Geschichte machen. Sie alle glauben, dass die meisten Volksvertreter aus persönlichen Motiven handeln, so wie sie selbst oder der vielzitierte Wutbürger, dessen Wut eigentlich nur herrührt aus seiner enttäuschten Selbstgefälligkeit.

Die Kaffeesatzleser der Politik und die Wutbürger, sie alle glauben an die besondere Bedeutung des Individuums. Sie glauben diesen Unsinn von der Selbstbestimmung und dass das Individuum, der aufgeklärte Bürger, das Maß aller Dinge sei. Und dann müssen sie feststellen in Stuttgart und sonstwo, dass man ihnen was hustet, und sie fallen aus allen Wolken, merken sie doch zum ersten Male vielleicht, dass die Wirklichkeit eine andere ist, als man ihnen Jahre lang vorgelesen hat und sie auch ebenso lange geglaubt haben. Der Wutbürger ist in weiten Teilen das trotzige Kind, das seinen Willen nicht bekommt. Der Wutbürger und in Teilen auch der Beobachter des politischen Vogelflugs sind aber bei weitem nicht das, was die bestimmenden und lenkenden Leute unserer Gesellschaft sind, politisch. Auch wenn sie sich mit Politik beschäftigen und politisch anmutende Diskussionen führen, so sind sie doch im Wesen unpolitisch, denn sie denken nur privat, persönlich, getrieben von persönlicher Enttäuschung, bestimmt von Beleidigtsein.

Politisch bedeutet nämlich genau das Gegenteil vom Persönlichen. Der politisch denkende Mensch stellt seine persönlichen Interessen zurück zugunsten eines politischen Ziels. Er trennt zwischen den Zielen und Ideen, für die er eintritt, und seinen persönlichen Empfindungen und Befindlichkeiten. Bei den meisten Wutbürgern, Aktivisten und sonstigen Bewegten ist das umgekehrt. Da stehen persönliche Eitelkeiten an vorderster Stelle und Engagement und Solidarität wechseln mit diesen Eitelkeiten. Frau Merkel handelte politisch trotz vielleicht aller eventuellen persönlichen Empörung und Verärgerung über den Vorschlag Gauck vonseiten der FDP. Sie wollte Ruhe haben, anstatt nach dem Rummel um Wulff sich jetzt noch mit dem Hickhack um seinen Nachfolger belasten zu müssen, wo es doch in Athen um nichts Geringeres geht als den Zusammenbruch der Europäischen Währung(sunion), ja vielleicht sogar des weltweiten Bankensystems.

Sie hatte auch erkannt, dass es wichtiger ist, die europäischen Probleme zu lösen als sich um diesen Presserummel um Wulff zu kümmern. Sicherlich hat es ihr nicht gepasst, aber sie hat sich neutral verhalten. Nicht weil sie persönliche Sympathien hatte oder Antipathien, sondern weil es die Sache nicht wert war, weil sie in dieser Auseinandersetzung nur hätte verlieren können, wenn sie Stellung bezogen hätte. So konnte sie sich in aller Ruhe um die Rettung des Euro und Griechenlands kümmern, während der selbstgefällige Wutbürger sich ausgelassen hat über das unmögliche Verhalten des Herrn Wulff. Da sind sie drüber hergefallen, wie der Pawlow’sche Hund, dem man das Fressen vorsetzt. Und kamen sich dabei unheimlich politisch vor, weil sie das gut oder nicht gut finden konnten. Als ob das irgendetwas an der politischen Lage ändert, wenn der Wutbürger oder der sich für politisch Haltende etwas gut oder nicht gut findet. Wer glaubt, dass sein privates politisches Urteil irgendeine Bedeutung hat, erweist sich als der Unpolitische, für den er sich eigentlich nicht hält.

Politische Bedeutung hat nur, was den erklärten Interessen einer Gruppe oder Teilen der Bevölkerung dient. Politisch ist, was im eigenen Interesse unternommen wird zur Durchsetzung dieses Interesses und im Bewusstsein darum, weshalb das alles geschieht und unternommen wird. Politisch ist nicht die Aufregung über Wulff, weshalb sie ja auch so lange von der Bildzeitung am Kochen gehalten wurde, damit sich der Wutbürger darüber ereifert und die Bildzeitung mal wieder als die Kämpferin des kleinen Mannes dastehen kann.

Politisch aber ist es zu versuchen, eine Abwehr aufzubauen gegen die Ausplünderung des kleinen Mannes und der kleinen Frau an den Zapfsäulen. Das wäre politisch in unserem Interesse, dem Interesse der Menschen, die täglich ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, von dem für sie immer weniger übrigbleibt, weil die Energiekonzerne dank ihrer Monopolstellung uns immer mehr davon aus dem Geldbeutel ziehen können.

Politisch war es, als Frau Merkel den Vorgänger Wulffs zum Rücktritt drängte. Da ging es nämlich um Wesentliches, und da ging es dann auch schnell. Denn Köhler hatte in seiner politischen Naivität geglaubt, die Wahrheit sagen zu dürfen. Die bestand zwar nur in einem kurzen Satz, war aber politischer Sprengstoff, dass nämlich Kriege, auch die Kriege Deutschlands, aus auch wirtschaftlichen Gründen geführt werden. Was soll daran politisch sein, das weiß doch jeder? Ja, das stimmt, das weiß jeder, aber hier hat es zum ersten Male der höchste Mann im Staate bestätigt. Und welchem Kritiker hätte man in Zukunft noch um die Ohren hauen können, dass seine Kritik an den deutschen Kriegen eine Unverschämtheit sei, wo doch deutsche Soldaten ihr Leben ließen für das Menschenrecht auf Selbstbestimmung und ein Leben ohne Burka, wenn der höchste Mann im Staate öffentlich bestätigt hatte, dass es auch um wirtschaftliche Interessen geht.

Nicht auszudenken, wenn sich die Absetzung Köhlers als ähnlicher Todeskampf dargestellt hätte und in dessen Verlauf soviel Politisches über die deutschen Kriegseinsätze öffentlich diskutiert worden wäre, wie bei Wulff Privates ausgebreitet wurde. Da hatte Frau Merkel entschlossen gehandelt, da ging es auch um Wesentliches, um Politisches, nicht um Persönliches. Da drohte der gesellschaftlichen Ordnung Gefahr. Das ist bei Wulff und Gauck nicht der Fall.

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