Freitag , 29 März 2024
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Und ewig klebt der Präsident

klebstoffZugegeben: In unserer sich schnell drehenden Welt kann sich die Öffentlichkeit nicht wochenlang an einem Thema festhalten, erst recht nicht, wenn es um den Inhaber eines Amtes geht, welches von Natur aus mit wenig Machtfülle ausgestattet ist. Die Causa Wulff ist die Ausnahme von dieser Regel.

Nun hält sich Christian Wulff (CDU) ja schon über einen Monat im Amt, obwohl der Druck auf ihn, endlich aus dem Amt zu weichen, historisch hoch war. Wulff, der sich in einem „Stahlgewitter“ wähnte, scheint bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Nachhilfe in Sachen Aussitzen genommen zu haben. Die immer neuen Enthüllungen nehmen sich vergleichsweise klein aus, während der deutsche Michel erschöpft ist von der medialen Aufmerksamkeit für unser Staatsoberhaupt und sich nach Ruhe sehnt.

Fraglich ist allerdings, mit welcher Art der Ruhe die deutsche Bevölkerung bedacht wird. Angesichts der vielen vielen Ungereimtheiten und Halbwahrheiten, mit denen Wulff in seinem früheren Leben als niedersächsischer Ministerpräsident jonglierte und erst von ihnen abrückte, als ohnehin schon jeder wusste, dass die Wulff’sche Wahrheit wenig mit der der Öffentlichkeit gemein hat, ist die Frage berechtigt, ob wir es nicht mit einer Art Friedhofsruhe zu tun haben. Nun muss man ja nicht sofort von einem Ausverkauf der Demokratie schreiben – obschon dies berechtigt wäre – wenn man sich der Akte Wulff anzunähern versucht. Ein Trauerspiel in der noch jungen deutschen Demokratie ist es aber zweifelsfrei, wenn sich der oberste Repräsentant und das Aushängeschild unseres politischen Systems dazu verleiten lässt, an seinem Stuhl zu kleben, die Aufklärung zu verhindern und sich dann tatsächlich auch noch dazu hinreißen lässt, von einer neuen Form der Transparenz zu schwadronieren.

Die Fehler eines Einzelnen. Der Fehler der Masse oder vielmehr das Problem der Masse wiegt jedoch schwerer und liegt in der uns antrainierten kurzen Aufmerksamkeitsspanne. So lehren uns die Geschichten um unseren Skandal-Präsidenten doch vor allem eines: Wer mit genügend Sitzfleisch ausgestattet ist, muss eigentlich nur die ersten zwei oder drei Wochen durchstehen, die Medienkarawane und mit ihr der Fokus der Öffentlichkeit wird weiter ziehen. Insofern ist Wulff ein Paradebeispiel für den modernen Politiker, der es tunlichst vermeidet, vergangene Fehltritte zum Anlass zu nehmen, die eigenen Charakterzüge zu überdenken, im besten Falle zu korrigieren. Warum sollte er auch, es interessiert ja ohnehin niemanden.

Und so bleibt Wulff unser Präsident. Nicht etwa weil die von ihm begangenen Fehltritte nicht für einen Rücktritt ausreichen würden, sondern weil er sich einer Öffentlichkeit gegenübersieht, für die längst festzustehen scheint, dass Politiker es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau nehmen. Wen interessiert es da schon, dass er vor dem Hohen Hause Niedersachsens, der Landtag zu Hannover, an Gedächtnisschwund litt. Überhaupt wusste unser Bundespräsident recht wenig von dem, was sich in seinem direkten Umfeld abspielte. Ob nun ein Hotel- oder Flug-Upgrade, die Machenschaften seines langjährigen politischen Weggefährten und ehemaligen Sprechers oder die Interessen seiner Freunde aus der Wirtschaft, von allem wusste Wulff nichts. Er wusste wahrscheinlich auch nicht, dass er nach Informationen der Bild-Zeitung bis zum Juli 2011 eine Vereinbarung für eine Mitarbeiterschaft in einer Rechtsanwaltskanzlei hatte. Zufälligerweise mietete sich diese Kanzlei ihre Räumlichkeiten von seinem alten Weggefährten Egon Geerkens, dieser wurde von der Kanzlei auch mehrfach vertreten.

Wir haben es also offenbar mit einem Bundespräsidenten zu tun, der an einer heimtückischen Krankheit leidet. Der Verlust der Erinnerung und das fehlerhafte Einordnen von geschäftlichen Beziehungen sind akut behandlungsbedürftig. Dass Wulff überhaupt als Ministerpräsident und später als Bundespräsident arbeiten konnte, grenzt an ein Wunder. Dennoch sollte man im Kanzleramt nun darüber nachdenken, ob man Wulff einen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen nahelegen sollte. Demnächst vergisst er noch, wichtige Gesetze zu unterschreiben, wie beispielsweise das Gesetz über den jüngst vereinbarten dauerhaften Rettungsmechanismus ESM. Nein, da droht natürlich keine Gefahr und wenn Merkel die tattrige Hand von Wulff zur Unterzeichnung des Gesetzes führen muss. Die von unserer Verfassung garantierte Unabhängigkeit des Bundespräsidenten wird damit zwar ad acta gelegt, aber auch das scheint keinen zu kümmern. Die sogenannten „Checks and Balances“, die gegenseitige Kontrolle der Verfassungsorgane, sind zwar immanent für ein repräsentativ-demokratisches System, aber das überbordende Vertrauen, welches Merkel entgegenschlägt, wetzt diese Scharte locker wieder aus. Oder auch nicht…

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