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Jetzt dürfen die Spanier zeigen, ob …

stierkampf„Wir Spanier lassen uns doch das Rauchen nicht verbieten!“,  meinte einst, anno 2006, der Mann neben mir an der Bar, siegesbewusst und voller Stolz in seiner Brust. „Tenemos Bolas“, fügte er noch überzeugt hinzu. Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen. Nun hat Ministerpräsident Zapatero ein neues, ein wesentlich strengeres Gesetz durchgeboxt, das ein Drittel der Bürger, all jene, die sich dem Tabakkonsum verschrieben haben, von nun an diskriminiert. Seit gestern, den 2. Januar 2010, ist das Rauchen in allen spanischen Restaurants, Bars und sonstigen Kneipen ausnahmslos verboten. Prohibido! Jetzt wird sich zeigen, wie es um die dort so gerne zitierten „Bolas“ steht.

In Deutschland würde sich eine derartige Frage natürlich erst gar nicht stellen. Ist ein Gesetz einmal erlassen, dann wird es auch respektiert, ungeachtet, in welche Richtung es tendiert. Anders im südlichen Nachbarland Österreich, wo man sich, zumindest im Grenzgebiet, eines steigenden Raucher-Tourismus erfreut. Gemütlichkeit als Ideologie lässt immer Wege offen, um Gewohnheiten weiter zu führen, auch wenn sie nicht unbedingt der Gesundheit dienen. Und mit Gesetzen ist man etwas vorsichtiger, wenn man von Anfang an weiß, dass sie ohnehin keine sonderliche Beachtung finden.

Die Spanier betrachten sich als stolzes Volk. Sie lieben es, das Leben bei gutem Essen und noch besserem Wein zu genießen. Und wer seit seinen Jugendtagen daran gewöhnt ist, den Rauch von Zigaretten in seine Lungen einzusaugen, der hätte – bis heute – niemals daran gedacht, dass es eine Autorität geben könnte, die ihm dieses Vergnügen plötzlich zu untersagen versucht.

Die Medien lieben es, von neuen Rauchverboten zu berichten. Gewohnt uniform begrüßen sie den Schutz der nichtrauchenden Bevölkerung, das Anheben der Volksgesundheit, selbstverständlich regelmäßig mit dem Hinweis, dass vor allem Kinder unter der lästigen Plage leiden, etc. etc. etc. So geschah es schon im Jahr 2006, dass von einem „totalen Rauchverbot“ in Spanien berichtet wurde. Und noch während ich im Flugzeug nach Barcelona saß, bereitete ich mich, des Spanischen mächtig, darauf vor, Vorträge über den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie zu halten. Generalissimo Franco hätte derart bevormundende Schritte wohl kaum gewagt. Sobald ich im Hotel eingecheckt hatte, begab ich mich an die Bar und bestellte ein Glas Whisky, was in Spanien ein Erlebnis für sich darstellt. Zuerst wird das Glas zur Hälfte mit Eis gefüllt und dann gießt der Barkeeper dieses Glas voll – bis zum Rand. Nix da mit Zentiliter oder kleinen Messbecherchen. Doch noch bevor ich den Anblick des randvollen Whiskyglases genießen konnte, fielen mir sowohl die Aschenbecher als auch die rauchenden Gäste auf. Also, die spanische Welt schien ja doch noch in Ordnung.

Beim zweiten Glas Whisky kam ich mit Edgardo ins Gespräch, einem netten Herrn Anfang sechzig. Er klärte mich über die eigentliche – damalige –  Gesetzeslage auf, die lediglich vorschrieb, Gaststätten, in denen geraucht wurde, mit entsprechenden Warnhinweisen zu versehen. Er wusste von den Rauchverboten in bestimmten Teilen Nordamerikas, in Italien und in Irland. Doch so etwas könnte es in Spanien niemals geben, ließ er mich wissen. „Wir lassen uns das Rauchen von niemandem verbieten“, gab er stolz von sich und verwies gleichzeitig auf etwas wie Zivilcourage, was er mit den Worten: „Tenemos Bolas“, direkter ausdrückte. „Ich bin 63 Jahre alt“, erzählte er weiter. „Ich rauche seit über 40 Jahren. Glauben Sie, ein Kellner oder gar ein Polizist wäre respektlos genug, einem alten Mann seine angestammten Gewohnheiten zu verbieten? Nicht in Spanien, mein lieber Freund!“

Der befürchteten Zivilcourage wegen, trat das mittlerweile nun doch erlassene Rauchverbot erst mit 2. Januar in Kraft. Dass mitten in der Sylvesternacht diesem Gesetz wohl kaum jemand Beachtung geschenkt hätte, war allen klar. Und wie sieht es heute aus?

Die spanische Zeitung ABC lässt in einem Artikel der Online-Ausgabe wissen, dass die Regierung zugesichert hätte, dass es keine Pläne für verstärkte Kontrollen gäbe. Allerdings, andere Zeitungen verweisen keineswegs auf geplante Toleranz. Von 60.000 Toten, die jährlich der Nikotinsucht erliegen sollen, wird berichtet. Und wie üblich scheint es, als handle es sich beim Rauchen um die einzige Gesundheitsgefährdung. Mit beruflichem Stress lässt sich doch leben, solange nicht geraucht wird. Auspuffabgase einatmen? Was soll an denen giftig sein? Da ist doch kein Nikotin drinnen. Chemikalien, mit denen wir regelmäßig konfrontiert werden, Lebensmittel-Zusatzstoffe, gar nicht zu reden von gentechnisch manipuliertem Getreide, das in Spanien fleißig angebaut wird, all das hat doch, so klingt der Tenor aus den Meldungen, keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Selbst Johannes Heesters hat dies eingesehen und kurz vor seinem 107. Geburtstag endlich das Rauchen aufgegeben. Und wer weiß, vielleicht wird sogar Helmut Schmidt eines Tages einsichtig werden und – etwa zum 100. Geburtstag – dem Tabakgenuss abschwören.

Sollte ein Leser in naher Zukunft Spanien bereisen, vielleicht könnte er so nett sein und uns schreiben, wie’s mit den legendären „Bolas“ dort nun wirklich aussieht.

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