Dienstag , 19 März 2024
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Bewaffnete vor dem Reichstag – mit dem Gesicht zum Volk

maschinenpistole_deutschlandHeute sah man Maschinenpistolen vor dem Reichstag. Die Träger hatten das Gesicht zum Volk. Menschen waren gekommen, um zu demonstrieren, sich „herzuzeigen“. Und ihre Meinung. Dass sie nicht einverstanden seien mit dem, was da drinnen beschlossen werden würde. Das Parlament befasst sich mit dem Haushalt. Und die Regierenden feiern es schon als Erfolg, dass die Aufnahme neuer Schulden geringer ausfalle, als gedacht; es ist ein Ritual. Der Wirtschaftsminister lässt Zweifel an der Qualität seiner Lektüre aufkommen mit der Formulierung, es gäbe einen „Aufschwung wie im Bilderbuch“.

Man beschließt den Haushalt am Tag, an dem die Amerikaner ebenso lange in Afghanistan sind wie einst die Russen. Und jeder fragt: „wie lange noch?“. Der Verteidigungsminister jedoch verleiht einen Orden. An einen Toten. Auch an diesem Tage. Es ist ein Novum. Mit Absichten verbunden.

Gleichzeitig klirren die Gazetten von sich täglich überstürzenden Meldungen von „größeren Rettungsschirmen“, die aufgespannt werden müssten, um den Euro zu retten. Irland, Spanien, Portugal – sie brauchen Geld. Vor allem ihre Banken. Von über einer Billion ist die Rede. Fast täglich verdoppelt sich die Summe, die aufgebracht werden müsse. Nach Meinung jener, die davon profitieren. Vom „Zerfall Europas“ ist gar die Rede. Der Haushalt wird beschlossen am Ende einer turbulenten Woche, die vom Wort „Terror“ bestimmt war.

Heute wird ein Brief öffentlich, in dem der Innenminister seiner Kollegin im Justizressort nahelegt, doch ihren Widerstand gegen zu verschärfende Gesetze aufzugeben. Die „Angst vor dem Terror“ bestimmt das veröffentlichte Bild dieser Tage. Es geht darum, nun endlich den Sicherheitsbehörden die Mittel in die Hand zu geben, die sie nach ihrer Meinung brauchen. Gegebenenfalls durch neues Gesetz. Das Volk ist aufgebracht. Die Kommentare in Gazetten und insbesondere im Netz werden sarkastischer, schärfer im Ton, ironischer. Man lacht sie aus. Die da drinnen. In jenem Haus, vor dem die Maschinenpistolen zu sehen sind.

Nicht nur in Deutschland.

Die FAZ von heute geht unter dem Titel „Der kommende Aufstand“ auf Entwicklungen in Frankreich ein. Auf jene Schrift, die dort unter gleichem Titel kursiert. Was jene Schrift beklagt, ist dies:

„Eine Entscheidung über diese Gesellschaft sei nahe. Ihre Familien korrodierten, die Arbeitswelt zerfalle, niemand glaube mehr an das, was sein Leben bestimme, jeder sei nur noch damit beschäftigt, sich selbst zu verkaufen.“ (FAZ-online von heute, 26.11.2010).

Jugendliche und Künstler sind wie Seismografen. Sie kündigen ein Beben an, bevor es kommt. Der Michel verurteilt sie gern als „Spinner“. Jugendliche Spinner zudem. Und macht es sich zu einfach damit.

Es gärt im Lande. Und zwar gewaltig. Wenn man aufmerksam Gazetten, TV und social media verfolgt, zeigt es sich schnell. Der Motiv-Mix, der selbst im ruhigen Stuttgart zum Massenprotest führt – längst geht es nicht mehr nur um eine Zughaltestelle und deren Kosten – wird nun sogar im Ländle sichtbar. Selbst alteingesessene Stuttgarter verstehen nicht mehr, was in ihrer Stadt vor sich geht. Man konnte es in der Zeitung lesen. Millionenfach haben Menschen öffentlich gezeigt, was sie von der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke halten, denen der Bundesrat nun heute zugestimmt hat. Und millionenfach wenden sich die Menschen ab und verschwinden im Privaten. Die Wahlbeteiligung spricht eine deutliche Sprache. Der Michel bunkert sich ein. Und schaut in die Röhre.

Der Graben zwischen einer Politik, die schon lange nicht mehr das Heft des Handelns in der Hand hält und einer Bevölkerung, die immer irritierter auf die Vorgänge schaut, die sie schon lange nicht mehr versteht, wird immer tiefer. Das Reden davon, es sei „auf einem guten Wege“, was man da beschlossen habe in jenem Haus, vor dem die Maschinenpistolen stehen, ist hohl. Niemand glaubt dem mehr. Selbst die nicht, die es sagen.

Der Kaiser ist nackt. Um es zu verbergen, stehen nun die Maschinenpistolen vor dem Parlament. Ihre Träger haben – das Gesicht zum Volk.

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