Um den Iran war es einige Zeit still. Zumindest in den Medien. Plötzlich tauchen wieder Berichte auf, dass Israel einen Angriff plane, und zwar noch vor den US-Wahlen im November. Sind diese Drohungen, die seit Jahren wiederholt werden, noch ernst zu nehmen? Selbst die israelische Zeitung Haaretz stellt die Frage, warum die Weltöffentlichkeit auf solche Ankündigungen gelassen reagiert. Sollte die Drohung nämlich wahr werden, würde dies weltumspannende Konsequenzen nach sich ziehen.
Auch Der Spiegel berichtet über die jüngste Hiobsbotschaft, zitiert die Formulierung „fast endgültig“, wie sie in den israelischen Medien Verwendung findet, schränkt die Warnung allerdings schon in der Schlagzeile mit dem Wort „angeblich“ entsprechend ein.
Die verschiedenen Meldungen erklären jedenfalls, dass sich Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak bereits einig seien. Noch vor den US-Wahlen im November solle der Militärschlag – auch ohne Absegnung durch die US- Regierung – durchgeführt werden. Nur so könne die weitere Existenz des Staates Israel gesichert werden, findet die monotone Rechtfertigung für die, zumindest verbale, Aggressionspolitik die altbekannte Rechtfertigung. Allerdings, offizielle Stellungnahmen wurden sowohl von der israelischen als auch von der US-Regierung unterlassen.
Behauptungen, ein Krieg gegen den Iran sei unabwendbar, kursieren schon seit langem. So verlauteten israelische Medien etwa im August 2010, dass mit einem Angriff noch vor Jahresende zu rechnen sei. Ähnliche angespannt schien die Situation im November 2011. So wundert es eigentlich wenig, wenn derartige Drohungen bestenfalls beiläufig Erwähnung finden. Haaretz schreibt diesbezüglich in einer Schlagzeile: „Die Welt scheint keineswegs besorgt über Netanjahus Drohungen, den Iran anzugreifen.“
Auch wenn es an offiziellen Erklärungen mangelt, dass es zwischen den beiden eng befreundeten Nationen USA und Israel keine internen Absprachen vor einem Militärschlag geben solle, widerspräche jeglicher Logik. Und auch wenn der Kreis der Eingeweihten noch so klein sein mag, wäre ein Militärschlag tatsächlich bereits beschlossene Sache, sollte zu erwarten sein, dass sich dies durch erhöhte Handelsvolumen und steigende Preise bei Kriegsaktien ausdrücken müsste. Der Handel an der New Yorker Börse verlief am Freitag, am Tag der Veröffentlichung der jüngsten Kriegsdrohung, sehr ausgeglichen und der Dow Jones Index schloss mit einem Plus von 0,38%. Genau dieser Tendenz entsprach auch der Handel von Lockheed Martin (LMT), Hersteller der „Nighthawk“ Tarnkappenbomber: Bei einem Handelsvolumen, das um mehr als 40% niedriger lag als der Drei-Monats-Durchschnitt, legten die Papiere um lediglich 0,54% zu. Auch Raytheon (RTN), wo „Tomahawk“ Marschflugkörper produziert werden, schloss mit einem knappen Kursanstieg von 0,27%, bei ebenfalls niedrigerem Handelsvolumen. Andere kriegsbezogene Werte, L-3 Communications (LLL) oder Alliant Techsystems (ATK), verzeichneten sogar Kurseinbußen.
Zweifellos ist die Weltlage auf mehreren Ebenen äußerst gespannt. Die Schuldenkrise der Vereinigten Staaten ist keineswegs harmloser als die europäische. Bloß durch die mangelnde Transparenz entsteht der Eindruck scheinbarer Stabilität. Die US-Notenbank unterliegt weder Buchprüfungen noch wird die Geldmenge M3 bekanntgegeben (letzte Veröffentlichung im Jahr 2006).
Die wirtschaftlichen Aussichten sind auf beiden Seiten des Atlantiks katastrophal. Historische Vergleichsbeispiele hernehmend, könnte diese Situation die Wahrscheinlichkeit eines großen Krieges durchaus erhöhen.
Dass es sich bei einem israelischen Angriff auf den Iran um einen folgenschweren Schritt handeln würde, darüber hat The Intelligence bereits berichtet. Während sich Israel einer Allianz mit USA/NATO sicher sein kann, wurde dem Iran Unterstützung sowohl von Russland als auch von China zugesichert. Sollte dieser Krieg also tatsächlich ausbrechen, müsste der Rest der Welt wohl miterleben, wozu modernes Waffenpotential imstande ist.
Dementsprechend ist es gewiss angenehmer, der berechtigten Vermutung Vorrang einzuräumen, dass es sich auch bei den jüngsten Meldungen um die üblichen leeren Drohungen handelt. Wenn nicht, dann bräuchten wir uns nämlich um die weitere Entwicklung der Schuldenkrise keine Sorgen mehr zu machen, denn in einem solchen Fall würde die vordergründigste Frage lauten: Gibt es überhaupt noch eine Zukunft?