12 Millionen Menschen in Ostafrika leiden unter der anhaltenden Dürre, 3,7 Millionen sind akut vom Hungertod bedroht und das Kinderhilfswerk UNICEF spricht von bereits 2,3 Millionen unterernährten Kindern in Somalia, Kenia, Uganda, Äthiopien und Dschibuti. „Es gibt kein akuteres, dringlicheres, eiligeres Problem für die Weltgemeinschaft“ wird Barbara Stockinger, Chefin der Hilfsorganisation Oxfam von Zeit online zitiert. Frau Merkel kam nicht umhin, anlässlich ihres Afrikabesuches eine ganze Million an Soforthilfe zuzusichern, Niebel und Westerwelle stockten um weitere 5 Millionen auf. Großzügig regnete es nochmals 15 Millionen Euro, der internationale Druck und die öffentliche Meinung spielten dabei wohl eine nicht unerhebliche Rolle.
Deshalb wurde Niebel nicht müde, weitere 15 Millionen aus dem Hut zu zaubern, dies fiel nicht schwer, waren sie bereits Anfang 2011 als Hilfe für die betroffene Region vorgesehen. Zusammen mit den EU-Hilfen, zu denen die BRD mit 20% beteiligt ist, kommt unser Land wenigstens auf 60 Millionen Euro, die dem Elend entgegenwirken sollen. Unvorstellbare Zahlen, einerseits das Ausmaß den humanitären Flächenbrand betreffend, andererseits der Umfang des Tropfens, den die Regierung als medientauglich angedachtes Löschmittel in die Flammen katapultiert. Sollte dies ein Zeichen plötzlicher Bescheidenheit einer Regierung sein, die immer zuerst hier schreit, wen es darum geht, zugunsten EU-weiter Gemeinschaft und Bankenverflechtungen die eigenen Bürger zu schröpfen? Oder reagiert Frau Merkel pikiert, weil dieses lange angekündigte und stets verdrängte Drama zur Unzeit und in den falschen Ländern mit spitzem Stachel am wirtschaftlich korrekten Bild des Chancenkontinents kratzt?
Selbst Japan steuerte mehr zur humanitären Hilfe bei, was allerdings von der japanischen Bevölkerung selbst durchaus als Hohn empfunden werden dürfte angesichts der desolaten Hilfe für Tsunami-, Erdbeben- und Strahlenopfer und einer real nicht existierenden Informationspolitik die Folgen Fukushimas betreffend. Aber das ist eine andere Problematik, das Tragische an der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika ist die Tatsache, dass Warnungen der Hilfsorganisationen ungehört verhallten und die Hilfsgüter mangels Infrastruktur, und auf Grund von Korruption und Vetternwirtschaft in den zuständigen Behörden nicht dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
In Somalia verweigert die Schabab-Miliz internationalen Hilfsorganisationen den Zugang in die Krisengebiete. Und die Warnung Niebels, abgeworfene Hilfsmittel könnten in falsche Hände gelangen, kann man genauso wenig wegdiskutieren wie die Gefahren, denen Teams der Hilfsorganisationen ausgesetzt sein würden, sollten sie die betroffenen Gebiete dennoch betreten.
Entwicklungspolitisch wäre es sicherlich sinnvoller, die Landwirtschaft in Somalia, bzw. die Infrastruktur zu stärken oder besser, erst einmal aufzubauen, um die Flüchtlinge, die vor allem die Auffanglager Kenias und Äthiopiens überschwemmen, zur Rückkehr zu bewegen. In dieser Hinsicht hat die deutsche Entwicklungshilfe beachtliche Erfolge vorzuweisen: In Kenia ist die Förderung der Landwirtschaft Schwerpunkt der bilateralen Zusammenarbeit, und auch in Somalia ist die BRD trotz schwierigster Rahmenbedingungen über Nichtregierungsorganisationen aktiv, bekräftigt Niebel in einem Interview mit der Zeit online.
Einnebeln kann er damit niemanden mehr. Schon in Zeiten vor Bankenkrise und EU-Rettungsschirm hätte man für dieses „maßvolle Haushalten“ als Begründung für eine Soforthilfe weit unterhalb der Milliardengrenze wenig Verständnis aufgebracht angesichts abertausender Menschenseelen, die in jeder Stunde den Hungertod sterben.
Dieser Tage mag man sich nur noch kopfschüttelnd vorstellen, was man mit jedem einzelnen in Bad Banks gesteckten Euro an medizinischem Gerät, Erstversorgungspaketen, Trinkwasseraufbereitungsanlagen und vor allem Nahrungsmitteln in den Flüchtlingslagern erreichen könnte. Und fassungslos dreht sich der Magen um, angesichts der Milliardengewinne allein aus dem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien.
Dem Kritiker, der mir vorwirft, Birnen mit Äpfeln zu vergleichen, sei gesagt: Richtig! Beides ist Obst und somit Nahrung, die zum Überleben beiträgt. Nur, dass die einen Empfänger auf bodenschatzreicher Erde stehen, während man mit den anderen nicht weiß wohin, sollten sie wider Erwarten durchkommen.
Wenn die Menschlichkeit verkümmert, verhungern nicht nur Kinder.