Hätten deutsche Wähler anno 2008 darüber entschieden, wer zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt werden sollte, so hätte Barack Obama, den damaligen Umfrage-Ergebnissen zufolge, mit noch wesentlich deutlicherer Mehrheit gewonnen. „Change“ – Veränderung hatte er in Aussicht gestellt. Die laufenden Kriege zu beenden, das Folterlager von Guantanamo Bay zu schließen, keine neuen Konflikte zu beginnen, all dies gehörte zu seinen Wahlversprechungen. Und, bevor er noch irgend etwas davon unter Beweis stellen konnte, wurde er sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Vor einer Woche begann ein neuer Krieg, an dem die Vereinigten Staaten beteiligt sind. Obamas eigenen Worten zufolge, handelt es sich dabei um einen Verfassungsbruch.
Als Präsidentschaftskandidat zeigte Obama Charisma. Nicht nur in den USA, weltweit glaubten die Menschen an ihn. Hofften auf ein friedliches Miteinander, auf eine Verbesserung der Lebenssituation, auf ein Ende unnötigen Blutvergießens. Und wenn wir uns an die Umfrageergebnisse in Deutschland erinnern, so waren die Sympathien für ihn durchaus überwältigend.
Eigentlich braucht es nicht wiederholt zu werden. Nichts von all dem Versprochenen ist eingetroffen. Der Krieg in Afghanistan wird weiter geführt. US-Soldaten im Irak werden durch Blackwatch-Söldner ersetzt. Das Folterlager in Guantanamo Bay gibt es, mehr als zwei Jahre nach seinem Amtsantritt, immer noch. Und aus welchem Grund er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, war von Anfang an niemandem so richtig klar.
Doch nun zur Rechtslage bezüglich des Libyen-Konflikts. Die dortige Situation ist uns bestens bekannt. Ein Teil des libyschen Volkes erhob sich gegen die Gaddafi-Regierung. Ob berechtigt oder nicht, ob Gaddafis Reaktionen im Einklang mit libyschen Gesetzen stehen, soll nicht Thema dieses Artikels sein. Es geht um die Frage, ob die amerikanische Verfassung den Präsidenten dazu ermächtigt, ohne Zustimmung des Kongresses, Militäraktionen gegen ein anderes Land anzuordnen. Niemand geringerer als der damalige Senator Barack Obama gab am 20. Dezember 2007 dem Boston Globe gegenüber eine Stellungnahme dazu ab. Wörtlich:
„Der Verfassung entsprechend, hat der Präsident nicht die Macht, einseitig einen militärischen Angriff in einer Situation zu autorisieren, die nicht die Beendigung einer gegebenen oder unmittelbar bevorstehenden Bedrohung der Nation mit sich bringt.“
(The President does not have power under the Constitution to unilaterally authorize a military attack in a situation that does not involve stopping an actual or imminent threat to the nation.)
Die gestellte Frage bezog sich natürlich auf den Iran und auf die Möglichkeit eines Bombenangriffes auf dort befindliche Kernforschungsanlagen, um der Gefahr der Entwicklung einer Atombombe vorzubeugen. Eine Resolution des Weltsicherheitsrates autorisiert in keinem Fall, das Verfassungsrecht des eigenen Landes zu brechen.
Doch nicht nur Obama drückte sich derart unmissverständlich aus. Auch Joe-Biden, ebenfalls Senator bis zu seiner Ernennung zum Vize-Präsidenten, machte es noch deutlicher, noch dazu seine Kompetenz unterstreichend:
„17 Jahre lang war ich Vorsitzender bzw. Mitglied des Rechtsausschusses. Ich unterrichte über Gewaltentrennung im Verfassungsrecht. Das sind Dinge, über die ich bescheid weiß. Also habe ich eine Gruppe von Verfassungs-Experten zusammen gebracht, um ein Schriftstück zu verfassen, das ich dem gesamten Senat der Vereinigten Staaten präsentieren werde und das darauf verweist, dass der Präsident über keine verfassungsgemäße Autorität verfügt, diese Nation in einen Krieg gegen ein Land mit 70 Millionen Leuten zu verwickeln, außer wir werden angegriffen oder es gibt einen Beweis dafür, dass ein Angriff vor der Tür steht. Und wenn er es tut, wenn er es tut, dann werde ich vortreten und ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn beantragen. Offensichtlich muss dies vom Repräsentantenhaus gemacht werden, aber ich würde die Bemühungen einleiten, die Anklage gegen ihn einzubringen. …“
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Das amerikanische Verfassungsrecht ist eindeutig. Nur im Falle eines drohenden Angriffes gegen die Vereinigten Staaten ist der Präsident als Oberbefehlshaber der Armee berechtigt, Militäraktionen zu autorisieren, ohne vorher die Zustimmung des Kongresses einzuholen.
Der letzte Präsident der Vereinigten Staaten, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren eingebracht wurde, war Bill Clinton. Und zwar, aus wesentlich geringerem Anlass, wie wir uns erinnern. Wegen einer sexuellen Affäre mit einer volljährigen Mitarbeiterin des Weißen Hauses, namens Monika Lewinsky. Präsident Barack Obama hat durch seine Beteiligung an den Angriffen gegen Libyen das amerikanische Verfassungsrecht gebrochen.
Natürlich, es handelt sich dabei um eine inneramerikanische Angelegenheit. Es ist die Aufgabe des Kongresses der Vereinigten Staaten, und vielleicht auch der US-Medien, sich dieser Angelegenheit anzunehmen.
Die internationale Gemeinschaft jedoch – um diesen mittlerweile so geläufigen Begriff zu verwenden – könnte sich dafür aussprechen, Barack Obama den Friedensnobelpreis wieder abzuerkennen. Denn mit Friedenspolitik haben die bisherigen Aktionen des Staatsoberhauptes der USA absolut nichts zu tun.