Der Durchbruch schien geglückt. Mit der billionenschweren Flutung der Märkte durch die Europäische Zentralbank (EZB) widmeten sich die Medien und die Bürger wieder den wirklich wichtigen Dingen im Leben. Nun jedoch entpuppt sich der vermeintliche EZB-Coup ebenso als Rohrkrepierer wie die vorherigen unbeholfenen Rettungsaktionen.
Politiker, die sich auf die Schultern klopften, Medienmacher, die die geglückte Ausweitung des ESM als richtige Antwort auf die Nervosität der Märkte feierten und eine Bevölkerung, die des Themas Griechenland überdrüssig war, sorgten dafür, dass in den vergangenen Wochen kaum noch über das Siechtum der europäischen Gemeinschaftswährung geschrieben oder gesprochen wurde.
Stattdessen jagte man einen Terroristen in Frankreich und man beschäftigte sich mit einem Gedicht eines Literaturnobelpreisträgers, in dem dieser völlig zu recht das Gebaren Israels im schwelenden Konflikt mit dem Iran anprangerte. „Krise? Welche Krise?“, hörte man landauf landab. Mitten in diese Kakophonie der Nichtigkeiten platzt nun der neue Kandidat, der Euroland mindestens ins Straucheln bringen dürfte.
Die Rede ist von Spanien. Die Iberer verlegten sich in der jüngeren Vergangenheit – ähnlich wie die USA oder China – darauf, ihren Immobilienmarkt über Gebühr aufzublähen, ein wahrer Immobilien-Rausch setzte ein. Der Kater folgte, spanische Banken haben momentan rund 176 Milliarden Euro an „problematischen Papieren“ in ihren Bilanzen schlummern. Noch ziert sich die spanische Regierung, weitere Hilfsgelder in den maroden Bankensektor des Landes zu versenken. Allerdings nicht etwa weil sich die Regierung um Ministerpräsident Mariano Rajoy auf einmal an marktwirtschaftliche Grundsätze, wie etwa dem Risiko, mit einer Unternehmung oder einer Bank pleitegehen zu können, erinnern würde. Ihr fehlt schlicht das Geld, um den Finanzinstituten, diesen Schwarzen Löchern auf unserer Erde, abermals Milliarden Euro an Steuergeldern hinterherzuwerfen. Im Jahr 2011 betrug das Defizit Spaniens 8,5 Prozent, die Maastricht-Kriterien sehen, nur der Erinnerung halber, ein maximales Defizit von drei Prozent vor. Auch in diesem Jahr dürfte das spanische Defizit wieder deutlich oberhalb von fünf Prozent liegen. Erschwerend kommen folgende Punkte hinzu:
- Die Industrieproduktion Spaniens ist seit einem halben Jahr auf Talfahrt, im Februar ging es um 5,1 Prozent nach unten.
- Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei nahezu 50 Prozent, ein beschämender Wert, der auch sozialen Zündstoff in sich birgt.
- Die spanische Wirtschaft befindet sich in einer Rezession, dieses Jahr dürfte es um 1,7 Prozent abwärts gehen.
Nimmt man diese offiziellen Daten für bare Münze, so kann einem eigentlich nur schwindelig werden. Und was macht der iberische Ministerpräsident Rajoy?
Er spart. 27 Milliarden Euro sind bereits fest eingeplant. Hinzu kommen sollen nun weitere zehn Milliarden Euro, die selbstredend nicht etwa beim Militär oder an anderen Stellen, an denen sich durchaus kürzen ließe, eingespart werden. Die Macht der Gewohnheit oder aber die Stumpfsinnigkeit der europäischen Politiker macht auch vor Spanien nicht halt, konsequenterweise wird nun also im Bildungs- und Gesundheitssektor gespart. Nun wurde unser „Hunger-Kanzler“ Heinrich Brüning ja schon recht oft bemüht, wenn es um historische Vergleiche dieser Sparorgie in Europa ging. Es ist bekannt, was mit Deutschland nach der Rosskur Brünings passierte und wem es anheimfiel.
Die EZB ihrerseits ließ am heutigen Mittwoch vorsorglich wissen, dass sie das alte Ankaufprogramm von Anleihen kriselnder Euro-Länder abstauben und wieder einsatzfähig machen könne. Wenn die Zinsen, die auf dem Anleihe-Markt für die Staatsanleihen Spaniens, Italiens und der anderen Länder fällig werden, also weiterhin steigen sollten, die Refinanzierung für diese Länder dadurch immer teurer oder faktisch unmöglich wird, würde die EZB erneut einspringen und diese aufkaufen. Dieses hilflose Manöver der Zentralbanker löst allerdings keine Probleme, die „Dicke Bertha“ von EZB-Chef Draghi löst ebenfalls keine Probleme und auch der neue Schutzwall ESM, so dieser überhaupt in Kraft treten sollte, kann Europa nicht vor dem unausweichlichen Schulden-Reset bewahren. Diesen bezahlen selbstverständlich nicht die Banken, sondern die jeweiligen Völker, entweder, indem ihre Sparguthaben per Inflation verwässert werden oder aber durch Kürzungen in den Bereichen, die für die Bevölkerung von Belang sind.
Wenn man sich die vergangenen Jahre, in denen die Schuldenproblematik innerhalb Europas sichtbar wurde, anschaut, erkennt man eine klare Tendenz: Konnten die selbsternannten Euro-Retter zu Beginn der Krise mit vergleichsweise geringen Beträgen relativ viel Zeit kaufen, so sind mittlerweile exorbitante Summen im Billionenbereich vonnöten, um sich wenigstens für ein paar Wochen Ruhe zu genehmigen.
Unsere durch und durch inkompetente Bundeskanzlerin befindet sich derweil im Osterurlaub. Nicht etwa in Paraguay, wo sie Gerüchten zufolge eine kleine Fluchtburg ihr Eigen nennt, sondern auf Ischia. Ihr sei die kleine Verschnaufpause gegönnt, immerhin hat sie zweifellos einen der anstrengendsten Jobs in Deutschland. Wenn sie jedoch zurück im nasskalten Berlin ist, warten viele Entscheidungen, um die sie sich, tapsig wie sie das so tut, herum lavieren muss. Zuvorderst steht jedoch die Entscheidung im Raum, wie lange sich Deutschland die intensivmedizinische Betreuung des bereits vor zwei Jahren gestorbenen Patienten Euro noch leisten möchte und wie viel teuer erkaufte Zeit noch verstreichen muss, bis allen Beteiligten klar wird, dass sie sich auf einem Himmelfahrtskommando befinden.