Freitag , 19 April 2024
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Der Pyrrhussieg der Angela M.

pyrrhusAngela Merkel (CDU) ist auf dem neuerlichen EU-Gipfel hart geblieben und – anders als zu erwarten war – nicht umgefallen. Die Briten haben sich wie angekündigt innereuropäisch isoliert, der komplette EU-Ausstieg der Briten scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein. Unabhängig davon ist der von Merkel und Sarkozy eingeschlagene Weg nicht zur Beendigung der Krise geeignet.

Die EU hat sich am Freitag zu einem bunten Potpourri an Maßnahmen durchgerungen, die alle erst mittel- und langfristig greifen, so sie überhaupt kommen. Ob sich die ominösen Märkte tatsächlich von der Vorverlegung des dauerhaften Rettungsmechanismus und der Absichtserklärung, künftig Schuldenbremsen in nationales Recht zu verankern, beruhigen lassen, muss bezweifelt werden. Nicht nur weil die Maßnahmen bestenfalls erst in einigen Monaten greifen werden, sondern insbesondere deshalb, weil nicht klar ist, ob sie überhaupt mit geltendem EU-Recht zu vereinen sind und die jeweiligen Nationalstaaten ihre Absicht auch in die Tat umsetzen. An dieser Stelle muss erneut auf die Aussagen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hingewiesen werden, der unlängst erklärt hatte, dass die sogenannte europäische Integration in den Grenzen des Grundgesetzes weitgehend ausgereizt sei.

Ob die Fiskalunion also tatsächlich mit der deutschen Verfassung zu vereinen ist, wird frühestens im kommenden Jahr in Karlsruhe zu klären sein. Der Hinweis von Voßkuhle lässt jedoch erahnen, dass der von Merkozy eingeschlagene Weg nicht ohne Schlaglöcher ist. Überhaupt erscheint es mehr als nur unwahrscheinlich, dass die EU innerhalb einer Zeitspanne von Monaten ihre eigenen Verträge wird ändern können. Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg, hatte kurz vor dem Gipfel erklärt, dass Vertragsänderungen „nur mühselig und schwierig umzusetzen“ seien.

Merkel kann sich in den kommenden Tagen jedoch zunächst einmal dafür ruhmsonnen, nicht umgefallen zu sein und ihre Vorschläge durchgebracht zu haben, da dies von der deutschen Regierungschefin nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Dennoch dürfte sich der Sieg von Merkel als Pyrrhussieg entpuppen, also viel zu teuer erkauft.

Die EU-Verträge können über zwei Wege geändert werden: das „ordentliche Änderungsverfahren“ und das „vereinfachte Änderungsverfahren“. Bei Ersterem muss ein Konvent einberufen werden, in dem nicht nur die nationalen Regierungen, sondern auch Vertreter der nationalen Parlamente, des Europaparlaments sowie der EU-Kommission über die Änderungen beratschlagen. Ein offensichtlich langwieriger und komplizierter Akt. Überdies müssten alle EU-Staaten, also auch die Briten, den Änderungen zustimmen. Auch beim „vereinfachten Änderungsverfahren“ ist der Weg zu Vertragsänderungen lang, außerdem kann diese Form der Vertragsänderung nur gewählt werden, wenn die Zuständigkeiten der EU nicht ausgedehnt werden. Angesichts von automatischen Sanktionsmechanismen und Durchgriffsrechten für die EU stellt auch dieses Verfahren keine Möglichkeit zur Änderung der Verträge dar.

Nach dem Motto „Wenn der Brite nicht mag, machen wir einen neuen Vertrag“ haben sich die Staats- und Regierungschefs nun dazu durchgerungen, einen neuen intergouvernementalen Vertrag zu schließen, der die Fiskalunion bis März 2012 gründen soll. Ob dieser dann auch tatsächlich kommt, was er beinhaltet und welche Länder ihn schlussendlich unterzeichnen, bleibt abzuwarten. Auch die Vereinbarung, dass die nationalen Zentralbanken Europas dem Internationalen Währungsfonds (IWF) insgesamt 200 Milliarden Euro bereitstellen, damit dieser bei Bedarf Euro-Krisenländer stützen kann, birgt Zündstoff.

Die jüngste Warnung der Ratingagentur Standard & Poor’s hat bereits verdeutlicht, dass die Topratings der verbliebenen AAA-Länder schon jetzt in akuter Gefahr sind. Deutschland wird sein Toprating aller Voraussicht nach wohl behalten, wenn nicht noch ein paar Milliarden oben drauf gepackt werden. Frankreich hingegen muss nun fast schon davon ausgehen, demnächst sein AAA zu verlieren.

Der zwischenstaatliche Vertrag, der das Königsrecht der Parlamente, das Budgetrecht, zumindest schmälert, muss überdies selbstverständlich durch die nationalen Parlamente gepeitscht werden, auch wenn die EU-Granden peinlich genau darauf achten, dies nicht zu erwähnen. Würde der Vertrag nicht von den Parlamenten abgenickt werden, wäre dieser allein schon deshalb verfassungswidrig, weil die faktische Teilentmachtung der nationalen Parlamente nicht ohne deren Zustimmung vollzogen werden kann. Auch innerhalb der politischen Landschaft vom Musterknaben Europas drohen einige Fallstricke für den neuen Vertrag.

So wissen die deutschen Liberalen ja noch nicht einmal, was sie vom ESM halten sollen und nun soll der Bundestag mittels eines neuen Vertrages teilweise entmachtet werden. Und dies nach Möglichkeit ganz schnell. Da kann man schon skeptisch werden, ob der Durchsetzungsfähigkeit dieser scheinbar fixen Idee. Alles in allem bleibt vom letzten EU-Gipfel nicht viel mehr, als die Isolation Großbritanniens und die Verkündung von Maßnahmen, die eher an Wunschdenken erinnern lassen, denn an durchsetzungsfähigen Vereinbarungen. Für das nächste Kursfeuerwerk an den europäischen Börsen scheint jedoch gesorgt zu sein, auf das sich das Rad der Spekulation noch ein wenig weiter drehen möge, ehe sich die Erkenntnis, dass eigentlich alle westlichen Länder pleite und die Absichtserklärungen des Europas der 26 nicht viel mehr als heiße Luft sind, ihre Bahnen bricht.

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