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Ungern in Ungarn – Jahr 1 nach der Kolontar-Katastrophe und die Pressefreiheit

kolontar_rotschlammAm 4. Oktober 2010 ergossen sich rund eine Million Kubikmeter hochgiftiger und ätzender Rotschlamm über den Landstrich rund um die ungarische Ortschaft Kolontar. Beherztes Durchsetzen europaweiter Standards sowie schnelle Umsetzung von Expertenempfehlungen hätten dieses Unglück vielleicht verhindern können. The Intelligence berichtete darüber, auch über die Möglichkeit weiterer solcher Unfälle, nicht zuletzt begünstigt durch die lasche Durchsetzungskraft zuständiger EU-Behörden und Vertuschung seitens der Betreiberfirma MAL noch ein halbes Jahr danach. Doch wie sieht es heute aus, ein vollendetes Jahr nach dieser Katastrophe?

Das Fazit, nicht nur von Greenpeace-Aktivisten, ist so ernüchternd wie beunruhigend: Der Fluss Torna beispielsweise ist immer noch hoch mit Aluminium belastet. Hier wurden Werte von 670 Mikrogramm pro Liter gemessen. Für einige Fischarten sind jedoch schon 100 Mikrogramm pro Liter gefährlich, so Herwig Schuster, das Aluminium lagert sich in den Kiemen ein, erläutert der Greenpeace-Chemiker weiter. Dies sei aber nicht allein auf das Unglück von Kolontar zurückzuführen. Weitere Gefahren gehen beispielsweise von einer Giftmülldeponie im westungarischen Almasfüzitö aus.

Laut Betreiberfirma Tatai diene das Rotschlammbecken der Kompostierung, in Wahrheit jedoch werden dort pro Jahr 412.000 Tonnen Müll, darunter 132.000 Tonnen gefährlicher organischer und anorganischer Giftmüll deponiert, direkt neben der Donau. In seinem technischen Gutachten belegt Professor Karl E. Lorber, Leiter des Instituts für Entsorgungs- und Deponietechnik der Montanuniversität Leoben (IED), dass „das Gefahrenpotenzial der Deponie in Almásfüzitö als ‘hoch’ einzuschätzen ist. Man muss davon ausgehen, dass vor allem unter … möglichen extremen Bedingungen, wie Erdbeben oder Hochwasser, ein massives Austreten von Schadstoffen zu erwarten ist. Meiner Ansicht nach ist es unerlässlich, umgehend angemessene Maßnahmen zu setzen. Es besteht Gefahr in Verzug“.

Der Studie zufolge befindet sich die Deponie in Erdbebengebiet und grenzt an die Donau sowie an das Natura 2000-Schutzgebiet. „Ein Dammbruch wie vor etwa einem Jahr im ungarischen Kolontar wäre verheerend und würde durch die Verschmutzung der direkt an die Deponie grenzenden Donau zu einer Umweltkatastrophe internationalen Ausmaßes führen.“

Die Betreiberfirma Tatai jedenfalls hat sich systematisch über ungarisches sowie Eu-Recht hinweggesetzt. Kurz vor dem Jahrestag des Rotschlammunfalls in Kolontar brachten Greenpeace-Aktivisten deshalb auf dem Becken der Mülldeponie ein 70 x 200 Meter großes Transparent mit der Aufschrift „Stop“ an, um auf diese Missstände aufmerksam zu machen.

Weitere neue EU-Mitgliedsstaaten haben ebenfalls mit Giftmülldeponien zu kämpfen. Im rumänischen Tulcea-Aluminiumwerk beispielsweise „lagert derzeit auf rund 20 Hektar genau der Rotschlamm, der gerade die Region nordwestlich des Plattensees verseucht hat „, weiß WWF-Experte Martin Geiger zu berichten. „Ein Unfall würde das Donaudelta mit seiner einzigartigen Tierwelt massiv bedrohen.“ Und es gibt noch weitere brisante Standorte, der WWF hat dazu eine Kartenansicht über osteuropäische Altlasten online gestellt.

Meldungen über zunehmende Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn lassen befürchten, dass solche Aktionen und Berichte über Unregelmäßigkeiten auch internationalen Ausmaßes seltener werden könnten, sofern sie den Staatsinteressen wenig dienlich erscheinen. Möglich ist die durchaus, unter der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán trennte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits von Hunderten kritischer Journalisten, selbst Pulitzerpreisträger fielen in Ungnade. Auch Rumänien liegt auf der von „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichten Liste zur Pressefreiheit lediglich auf Rang 52, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. Ob die Transparenz auf EU-Ebene eher gegeben ist, sei dahingestellt: Auf der o.g. Liste zur Pressefreiheit rangiert die BRD auf Platz 17, lediglich 13 der 27 EU-Mitgliedsstaaten liegen unter den ersten 20. EU-Gründungsmitglied Frankreich gar hat lediglich Platz 44 inne, Italien Nr. 49. Den 70. Rang teilt sich Griechenland mit Bulgarien.

„In einer Demokratie kontrollieren die Medien die Politik“. So ist auch der Grad der Pressefreiheit ein Indiz für eine gut funktionierende Demokratie.

Oben genannte Zahlen verdeutlichen, dass die Pressefreiheit gefährdet und unsere Demokratie verbesserungswürdig ist. Der weltweite Aktionstag am Samstag, 15. Oktober, bietet uns allen die Möglichkeit, für die (Wieder-)Erlangung der echten Demokratie einzustehen. Lasst diese Chance nicht verstreichen!

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