Wenn auch nur „umgangssprachlich“, so könnte die Präsenz bewaffneter Soldaten in einem fremden Land, mit Toten auf beiden Seiten, als Krieg bezeichnet werden. Die Mehrheit der Deutschen sprach sich gegen eine Beteiligung am Afghanistan-Krieg aus. Die Mehrheit der Deutschen ist für einen Abzug. Gleichzeitig wird von langer Hand an einem neuen Feindbild gebastelt, und zwar mit unglaublichem Erfolg. Selbst kritisch denkende Menschen zweifeln nicht daran, dass es sich bei Irans Präsident um einen Bösewicht handelt. Und während Angela Merkel Israel eindeutige Zugeständnisse macht, erlernen Bundeswehrsoldaten bereits die persische Sprache.
„Ist jaa schelik mikonam!“ Das ist Persisch und bedeutet: „Halt oder ich schieße!“ Dabei handelt es sich um einen von vielen militärischen Phrasen aus dem „Sprachführer für die Bundeswehr“. Das auf dem Cover zu ersehende Datum des Nachdrucks: Mai 2008. Während Staatssekretär Christian Schmidt in einer Sitzung des Bundestags umschweifend auf persisch sprechende Minderheiten in Afghanistan verweist, lässt er die direkte Frage, warum in diesem Sprachführer auch Sätze wie: „Iran ist ein schönes Land“, übersetzt seien, unbeantwortet. (Video)
Israels Staatspräsident, Shimon Peres, erklärte am 27. Januar 2010 in seiner Rede vor dem deutschen Bundestag:
„Und Sie, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, haben die Herzen unseres Volkes mit Ihrer Aufrichtigkeit und Wärme erobert. Sie erklärten vor den beiden Kammern des US-amerikanischen Kongresses: ‚Ein Angriff auf Israel kommt einem Angriff auf Deutschland gleich’. Diese bewegenden Worte unverbrüchlicher Unterstützung werden wir niemals vergessen.“
Der genaue Wortlaut, den Angela Merkel jedoch verwendete, klang, wie bei Welt-Online nachzulesen, etwas anders:
„Wer Israel bedroht, bedroht auch uns!“
Ohne die einzelnen Vorwürfe gegen den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad hier noch einmal durchzukauen, erinnert dieses Szenario nicht deutlich an Saddam Hussein? Mit unhaltbaren Beschuldigungen wurde er als Sicherheitsrisiko für die ganze Welt dargestellt. Lokale Konflikte mit Kurden, ungeachtet der Hintergründe, wurden immer wieder aufgerollt. Wie oft wurde, vor rund sieben Jahren und somit schon lange wieder vergessen, behauptet, der Irak würde über gefährliche Massenvernichtungsmittel verfügen? Der damalige amerikanische Außenminister Colin Powell ist wegen dieser Lüge, die er aufgrund von Falschinformationen vor dem Weltsicherheitsrat vorgetragen hatte, am 15. November 2004 von seinem Amt zurückgetreten.
Ob Saddam Hussein in dem Land, das von ihm regiert wurde, Fehler begangen hatte oder nicht, hat nichts mit einem Weltsicherheitsrisiko zu tun, rechtfertigt keinen Einmarsch und schon gar nicht die Zahl der Opfer. Und ob die irakische Bevölkerung mit der jetzigen Situation zufriedener ist als unter der Herrschaft Husseins, darauf lässt sich leicht eine Antwort finden, wenn man die Zahl der toten Zivilisten hernimmt, die Opfer des Einsatzes von abgereichertem Uran, die nachgewiesenen Folterungen irakischer Soldaten.
Deutschland hat sich, unter bösartigen Protesten Amerikas, am Irak-Krieg nicht beteiligt. Sehr wohl sind deutsche Truppen aber in Afghanistan stationiert. Und nun werfen wir einen Blick auf eine Landkarte:
Iran liegt genau zwischen den beiden besetzten Staaten, Irak und Afghanistan. Iran wird, so wie einst Irak, als Sicherheitsrisiko für den Weltfrieden dargestellt, schlimmer noch, die Sicherheit Israels stünde auf dem Spiel. Ganz nebenbei gehört der Iran zu den größten erdölproduzierenden Staaten der Welt und wagt es, seine Türen nicht der „freien Marktwirtschaft“, der Herrschaft multinationaler Großkonzerne und international tätiger Banken zu öffnen. Der einzige Schutz, den Iran vor einem militärischen Angriff genießt, ist die Unterstützung Chinas, das, zumindest teilweise, von iranischen Ölimporten abhängig ist, und vermutlich auch Russlands. Vor allem die Gespräche mit Russland, bezüglich Sanktionen gegenüber dem Irak, werden von der internationalen Presse völlig anders dargestellt als von der russischen.
Am 26. April veröffentlichte der Spiegel einen Artikel mit dem Titel: „Die schmutzige Wahrheit!“ Darin wird, anschaulich und absolut lesenswert, erläutert, mit welchen Mitteln den deutschen Bürgern Beteiligungen an Kriegen schmackhaft gemacht werden. Als es um Serbien ging, wurde dem damaligen Bösewicht Milosevic vorgeworfen, ein „neues Auschwitz“ zu planen. Nur eine „humanitäre Intervention“, ein „gerechter Krieg“, hätte die Verhinderung des Undenkbaren herbeiführen können.
Der Spiegel schreibt:
Auschwitz, so hieß das Monster bei Joschka Fischer im Kosovo.
Atombombe, so heißt es jetzt bei Angela Merkel in Afghanistan. Wer den Abzug will, müsse damit rechnen, dass Atomwaffen in die Hände von Islamisten fallen.
Und Mahmud Ahmadinedschad will sie auch, die Atombombe. So wird behauptet. Natürlich nicht, um sein Land zu sichern, sondern um die Welt, vor allem aber Israel, anzugreifen. Russland liefert die Bauteile für ein Atomkraftwerk zur friedlichen Nutzung. So eine Behauptung, friedliche Energiegewinnung, die aus einem Land stammt, das – laut Ex-Präsident George W. Bush – der „Achse des Bösen“ angehört, muss eine Lüge sein.
Natürlich gibt es schon genügend, viel zu viele, Atomsprengköpfe auf dieser Welt. Natürlich sehnt sich niemand danach, ein weiteres Land in die Riege der Atommächte einzureihen. Doch können wir, nach all den Lügen, die zum Krieg gegen Afghanistan und zum Krieg gegen den Irak geführt haben, nach all den Toten und dem Leiden, das dadurch entstanden ist, den gleichen Leuten noch immer Glauben schenken, wenn sie nun planen, ein weiteres Land anzugreifen?
In Deutschland gibt es ein Ministerium, das sich Verteidigungsministerium nennt. Die Bundeswehr dient ebenfalls der Landesverteidigung. Der deutsche Bürger erachtet das NATO-Bündnis als der Verteidigung dienlich. Mit absoluter Sicherheit wehrt sich eine überwiegende Mehrheit gegen die Idee, einen weiteren Krieg, in weiter Ferne, auf einem anderen Kontinent anzuzetteln. Wie viele Millionen schlossen sich im Jahr 2003 weltweit den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg an? Diese Millionen behielten recht. Saddam Hussein stellte keine Bedrohung für den Weltfrieden dar. Dafür sicherte er aber die Stabilität im eigenen Land, wo jetzt täglich Menschen sterben, teils durch Besatzungstruppen, teils durch einen – aufgrund der Kriegswirren entstandenen – offenen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten.
Die fortschreitende Globalisierung führt einen einzigen positiven Effekt mit sich. Den Traum vom anhaltenden Frieden. Wäre es aber Krieg, der eine weltweite Harmonisierung herbeiführen sollte, dann wäre es absurd, an anhaltenden Frieden auch nur im entferntesten zu denken. Eine Eskalation der ohnehin bereits fortgeschrittenen Spannungen in der betroffenen Region würde katastrophale Folgen, weltumspannende Folgen, nach sich ziehen. Und es bleibt eine einzige Frage zu beantworten: Wer ist es wirklich, der diesen Krieg will?
Quellen: Spiegel-Online, Gerhard Wisnewski (Kopp-Verlag)