Freitag , 29 März 2024
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Die Bürgerferne der Politik

schloss bellevue 250Wird die sogenannte Bürgerferne der Politik noch von jemandem bezweifelt? Kaum. Doch in welcher Form drückt sie sich wirklich aus? Stellt sie sich dadurch unter Beweis, dass ein zurückgetretener Bundespräsident einen ansehnlichen Ehrensold erhalten soll? Wie viele Wulffs ließen sich mit dem Geld finanzieren, das bisher nach Griechenland geschickt wurde? Oder mit den unglaublichen Vermögen, die der Staat vor wenigen Jahren an „systemrelevante“ Banken überwies? Oder mit den vielen Milliarden, die jährlich für Zinszahlungen aufgewendet werden, weil sich der Staat beim privaten Sektor verschuldet? Über all dies entscheiden Politiker. Wie wäre es, sie deswegen ins Kreuzfeuer der Kritik zu nehmen?

199.000 Euro pro Jahr soll Christian Wulff erhalten, der in Schande zurückgetretene Bundespräsident, der es gewagt hat, sich von Freunden Geld auszuleihen, sich – vermutlich – auf Urlaube einladen und – als Gipfel der Unverschämtheit – sogar ein Handy zur Verfügung stellen ließ. Und jetzt will er gar noch, so wie seine Vorgänger auch, auf Kosten der Steuerzahler ein Büro mit einem eigenen Mitarbeiter. Alles zusammengerechnet würde dies bedeuten, dass dieser Mann Jahr für Jahr eine halbe Million Euro an Kosten verursacht. Das weckt Neid. Zweifellos. Und völlig berechtigt lässt Der Spiegel wissen, dass es sich dabei um „Bürgerferne der Politik“ handelt.

Lassen wir uns diese Unsumme auf der Zunge zergehen: Fünfhunderttausend Euro. Das Zwanzigfache eines durchschnittlichen Einkommens. So etwas regt die Gemüter!

Wissen die Leute, die in Anbetracht solcher „Unsummen“ in Schockstarre verfallen, eigentlich, wie viele Millionen eine Milliarde sind? Wie viele Millionen eine Billion? Nur zum Vergleich: Von 60 Herzschlägen pro Minute ausgehend, dauert es knapp mehr als 11 Tage, bis das Herz eine Million mal geschlagen hat. Für eine Milliarde Schläge bedarf es bereits mehr als 31 Jahre. Und 31.700 Jahre für eine Billion Herzschläge.

Wie schon in vielen anderen Artikeln erklärt, bräuchten Staaten sich nicht zu verschulden, würden sie Geld selbst in Umlauf setzen, anstatt dies dem privaten Finanzsektor zu überlassen. Abrahm Lincoln hatte dies zur Zeit des Amerikanischen Bürgerkrieges auch getan. Wer Böses denkt, könnte allerdings glatt vermuten, dass er gerade deswegen erschossen wurde (am 15. April 1865).

Die zwei Billionen Euro an öffentlichen Schulden in Deutschland bringen jährliche Zinszahlungen von rund 35 Milliarden Euro mit sich. Teilen wir diesen Betrag durch die Unkosten, die Wulff zu verursachen droht, so zeigt sich, dass sich damit 70.000 (i. W.: siebzigtausend) Wulffs finanzieren ließen.

Wie leicht lässt sich von Rettungspaketen über 100 Milliarden reden? Ungeachtet, ob für Griechenland, ein anderes Euro-Land zur Erhaltung dieser, den Bürgern aufgezwungenen, Währung, oder für systemrelevante Geldinstitute, wie es vor einigen Jahren der Fall war. Sollte Wulff die erwarteten Leistungen auf 30 Jahre in Anspruch nehmen, so wären dies in Summe 15 Millionen Euro. Jede einzelne Zahlung über 100 Milliarden Euro korrespondiert mit 6.666 Wulffs auf Lebenszeit. Wodurch also drückt sich die Bürgerferne der Politik aus? Durch die neiderweckende Rente für ein ehemaliges Staatsoberhaupt? Oder durch das Verschleudern von Vermögen, die in Größenordnungen liegen, die sich jenseits unserer Vorstellungsfähigkeiten befinden? Für die jedoch wir, unsere Kinder und deren Kinder zur Rechenschaft gezogen werden.

Doch es geht nicht nur um die direkte Verschwendung von Unsummen an Steuergeldern. Wofür sitzen 620 Abgeordnete im Bundestag? Abgesandte des Volkes! Um „abzunicken“, wie Insider Marco Bülow es in seinem Buch „Wir Abnicker“ unverblümt und ausführlich erklärt. Völlig legal genießen die meisten seiner Kollegen Extraeinkommen durch Nebenjobs, die meist mehr einbringen als das Basisgehalt, das vom Volk bezahlt wird. Und wessen Interessen werden die Damen und Herren im Bundestag wohl eher vertreten: Die der Wähler oder die der Konzerne und Lobbys, von denen sie den größeren Teil ihres Einkommens beziehen? Wie fern stehen diese Leute den Bürgern?

Das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun? Sofern es um den Neid gegenüber einer Person, in diesem Fall Christian Wulff, geht, gewiss nicht. Genau der Christian Wulff, den das Volk ursprünglich gar nicht zum Präsidenten wollte. Alle Meinungsumfragen im Sommer des Jahres 2010 verdeutlichten, dass die Bürger eindeutig Joachim Gauck den Vorzug gegeben hätten. Doch was zählt in der Politik schon das Volk? Wulff wurde vom Bundestag zum Präsidenten erkoren. Doch plötzlich, gegen Ende des Vorjahres, entschlossen sich die Medien zu einer uniformen Hetzkampagne. Warum? Es ließe sich spekulieren. Eindeutig ist lediglich die Einigkeit, mit der die Massenmedien über hin herfielen. Doch an solche Dinge sind wir ohnehin schon lange gewöhnt.

Ungeachtet, ob er sich ungeschickt verhalten haben mag oder, ob er gegen die beschlossene Absetzung ohnehin von Anfang an chancenlos war, die Bezahlung des Ehrensoldes, die den Deutschen im Durchschnitt 0,25 Cents pro Jahre kostet, und vielleicht 0,6 Cents, wenn er ein Büro mit Sekretär beanspruchen sollte, als Bürgerferne anzuführen, ist absolut lächerlich. (Wieviel verdienten die Top-Manager jener Banken, die durch deutsche Steuergelder gerettet wurden?)

Es ist, als würde eine organisierte Verbrecherbande gezielt ihre Ersparnisse plündern, Ihnen die Eigentumsrechte auf Ihr Haus streitig machen, Schutzgeld von Ihnen erpressen – und all dies nehmen Sie willig hin. Bis eines Tages jemand kommt und Ihnen ein Zwanziger aus der Brieftasche stielt. Und während sie die Betrügerbande, ohne auch nur einen Gedanken an sie zu verschwenden, weiter plündern lassen, richten sich Ihre Aufmerksamkeit, Ihr Groll und ihre Rachegelüste ausschließlich gegen den einen Taschendieb.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Vergleich mit der Verbrecherbande ist selbstverständlich rein metaphorisch gemeint. Bei Politikern, volksnah oder nicht, handelt es schließlich um ehrenwerte Menschen. Wiederholte nicht schon Marc Anton den Römern gegenüber, dass Brutus ein „ehrenwerter Mann“ war?

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