Freitag , 29 März 2024
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Sofern die Lage es zulässt – Ein Zwischenruf zum Afghanistan-Einsatz

bundeswehr_abzeichenPolitik besteht auch darin, „sich Spielräume offen zu halten“. Weshalb es klug sein kann, in Abstimmungstexten so zu formulieren, dass Bewegungsmöglichkeit bleibt. Oft ist es nicht ratsam, sich zu früh zu klar fest zu legen. Nun steht eine neue Entscheidung des Bundestages über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr an. Das Kabinett will in der kommenden Woche entscheiden, das Parlament soll die Entscheidung dann – geht es nach der Kanzlerin, möglichst mehrheitlich – absegnen. Seit längerem versuchen nun Außen- und Verteidigungsministerium, eine Formel zu finden, die dem einen (Westerwelle) vor allem innenpolitisch den Rücken stärkt und dem anderen (Guttenberg) militärisch Handlungsfreiräume ermöglicht.

Dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung diesen Krieg nicht (mehr) will, ist hinlänglich dokumentiert worden. Nun hat nicht zuletzt der PR-Besuch des Verteidigungsministers nebst Gattin und Embedded Journalist das Ziel gehabt, möglichst eine Zustimmung des Parlaments zum neuen Mandat zu erreichen. Es war leicht zu durchschauen und offensichtlich. Dass Westerwelle mit seiner Formulierung „Abzugsbeginn 2011“ weiße Salbe im Lande verteilet, war ebenso offensichtlich. Denn nicht zuletzt das Internationale Rote Kreuz hat kurz vor Weihnachten in einer bemerkenswerten öffentlichen Stellungnahme deutlich wie nie klar gemacht, wie dramatisch schlecht die Lage im Lande tatsächlich ist: der Krieg der Allianz hat eben nicht zu einer Befriedung des Landes geführt.

Man kann an der nun gefundenen Formel: „Abzug ….sofern die Lage es zulässt“ sehr gut studieren, wie das Spiel der politischen Kräften zwischen Außen- und Verteidigungsministerium sowie Kanzleramt stattgefunden hat. Es war die Kanzlerin, die in einer der Regierungserklärung Westerwelles folgenden öffentlichen Äußerung diese Formel in die Öffentlichkeit „gehoben“ hat: „sofern die Lage es zulässt.“ Das soll politische „Spielräume“ offen halten. Wobei es in einem Krieg nicht um Spiel geht.

Die zentrale Frage ist, ob eine erneute Verlängerung des Mandats für die 5.000 Bundeswehrsoldaten nebst 350 Reserve zu einer tatsächlichen Verbesserung „der Lage“ in Afghanistan beiträgt oder nicht. Die Frage ist, ob eine Verlängerung des Krieges „zielführend“ ist – also zu einem befriedeten Afghanistan führt, oder nicht. Natürlich steht Deutschland unter Druck. Insbesondere der Amerikaner. Petraeus hat mehrfach sehr klar gesagt, wofür er steht: Verlängerung des Mandats. Vielerlei Gründe werden dafür ins Feld geführt, die jedoch alle einen zentralen Fehler haben: sie stärken lediglich die militärische Beurteilung der Lage. 

Seit langem ist zu beobachten, dass die Militärs die Argumente liefern. Das ist in einem Krieg nicht verwunderlich. Da die Bundeswehr jedoch eine Parlamentsarmee ist, ist der Vorrang des militärischen Arguments nicht angemessen. Es geht also darum, den Primat des Politischen zurück zu gewinnen. Die Politik sagt, wo es lang geht, nicht das Militär. Das war in der Vergangenheit in Sachen Afghanistan nicht der Fall. Die Militärs haben sich in der Vergangenheit mit ihrer Argumentation weitgehend durchgesetzt. Das Mandat wurde immer wieder verlängert.

Dieses „Spiel“ soll nun erneut seine Fortsetzung finden. Durch eine Formulierung, die „genügend Spielräume ermöglicht“: „sofern die Lage es zulässt…..“ soll mit dem Abzug 2011 begonnen werden. Es ist ein Leichtes, zu jedem Zeitpunkt zu begründen, weshalb die Lage es eben „noch nicht zuließe“ – der Krieg also von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr weitergeht.  Solange die Politik nicht den Mut findet, ein klares Signal zu setzen – ähnlich, wie es die niederländischen Sozialdemokraten getan haben, die dafür sogar die Regierungsbeteiligung riskierten – solange wird das „Ritual“ der Mandatsverlängerung weitergehen wie bisher.

Deshalb geht es im Januar um mehr, als um eine erneute Verlängerung des Afghanistan-Mandats. Es geht auch um die Frage, wer eigentlich das Sagen hat in der Politik: die Militärs oder das Parlament?  Ich wünsche mir mutige Parlamentarier, die nicht nur die Argumente wiederholen, die ihnen hohe Militärs via Verteidigungsministerium oder Kanzleramt in die Sprechzettel und Anträge schreiben. Ich wünsche mir mutige Parlamentarier, die sich ihres Mandats bewusst sind. Sie, die gewählten Abgeordneten entscheiden, wo und wie es weiter geht.

Ein klares „Wir wollen diesen Krieg beenden. Deshalb beginnen wir mit dem Abzug des deutschen Kontingents 2011. Wir wollen, dass der Abzug spätestens 2014 beendet ist.“ wäre das richtige Signal. Die Amerikaner stehen nun schon länger in Afghanistan als die Russen. Eine weitere Verlängerung des Krieges führt nicht zu mehr Frieden. Denn: „Blut kann man nicht mit Blut abwaschen“ (Bertha von Suttner. Trägerin des Friedensnobelpreises). Deshalb wäre mit den Worten von Wolfgang Borchert zu wünschen: „Abgeordneter, wenn sie Dich fragen, ob du das Mandat für die Bundeswehr verlängern willst – sag Nein!“

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