Freitag , 19 April 2024
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Grundlagen der Demokratie – Parteien zwischen Kritik und Zustimmung

bundestagWenn es um Kritik an politischen Akteuren geht, dann sind Parteien, neben Abgeordneten, Politikern und Politik im Allgemeinen, gerne das Ziel. Kritisieren ist ein wichtiges und gutes Recht in unserer Demokratie. Aber ist die Kritik immer angebracht? Nicht dieser Frage wollen wir heute nachgehen, sondern der Frage, welche Aufgaben Parteien eigentlich haben. Denn nur wer weiß, wie der Soll-Zustand ist, kann den Ist-Zustand kritisieren. 

Parteien gehören heutzutage im Gegensatz zum Kaiserreich und zur Weimarer Republik zur Demokratie selbstverständlich dazu. Sie werden als „notwendiges“ Übel gesehen. Warum notwendig?

Parteien sind die Scharniere zwischen Politik und der Gesellschaft. Der Kitt zwischen dem „wir“ und „die“, möchte man fast sagen. Das kann eine Partei allein nicht leisten, würde doch eine Partei nicht einmal ansatzweise die unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, die verschiedenen Meinungen oder Wünsche der Bundsrepublik abbilden. Auch der Verzicht auf Parteien wäre schwierig. Wir können leider nicht wie die alten Griechen uns alle in einem Forum treffen und über die Politik unserer Stadt  debattieren. Allein die Größe verlangt, dass wir Abgeordnete wählen. Und diese Abgeordneten sind in der Regel Mitglied einer Partei.

Was sollen Parteien aber eigentlich tun? Was sind ihre Aufgaben? Darüber gibt das Parteiengesetz Aufschluss (1,1).

„Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen, die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozess der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen.“

Das klingt kompliziert und es klingt nach viel. Gemeinhin werden den Parteien auf dieser Grundlage aber einige wesentliche Aufgaben zugeschrieben (die ich hier versuche zum leichteren Verständnis vereinfacht darzustellen):

1. Transportfunktion

Parteien nehmen die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger wahr und tragen diese dorthin, wo Politik gemacht wird. Sie sind eine der Antennen des politischen Systems.

2. Bündelung von Interessen

Parteien versuchen viele Einzelinteressen zu bündeln und mehrere Interessen abzudecken. Das kann zu Konflikten führen, aber es unterscheidet Parteien zum Beispiel auch von Bürgerinitiativen, die meist nur ein bestimmtes Ziel verfolgen (z.B. Initiativen zur Schulreform oder Atom-Endlager). Die Konflikte entstehen auch, weil damit manchmal Einzelinteressen vernachlässigt werden, aber das Ziel von Parteien sollte sein, möglichst viele Wähler anzusprechen und eine breite Basis zu haben.

3. Mitmach-Funktion

Parteien sollen dazu einladen, sich aktiv an der Politik zu beteiligen. Viele Parteien laden auch in Nicht-Wahlzeiten zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen ein. Bei diesen Veranstaltungen haben Bürger die Gelegenheit über aktuelle Probleme mit Abgeordneten zu diskutieren und Abgeordnete berichten von ihrer Arbeit in Parlamenten und Ausschüssen. Manchmal berichten sie dabei aus dem Bundesparlament in Berlin, manche Veranstaltungen betreffen aber auch die Arbeit auf Landesebene oder sogar Stadtebene. Theoretisch können Sie als Bürger nicht nur solche Einladungen wahrnehmen, sondern auch zu normalen Parteisitzungen gehen und sich anschauen, welche akuten Probleme vielleicht gerade in ihrer kleinen Samtgemeinde diskutiert werden.  Die Wahrnehmung zwischen den „großen“ Parteien auf Bundesebene und den kleinen lokalen Partei-Armen ist oft sehr unterschiedlich. Mag die Politik auf Stadt- und Gemeindeebenen manchmal pragmatischer sein, die Aufgaben der Parteien bleiben dieselben.

4. Programme erstellen, Ziele formulieren und die Herrschaftsfunktion

Parteien sollen miteinander um Macht konkurrieren und dafür Programme entwerfen, die zum einen darüber informieren, welche Ziele verfolgt werden, die aber auch politische Alternativen aufzeigen. Hier liegt ein weiter schwieriger Punkt, denn auf der einen Seite ist Konkurrenz der Ideen gut um möglichst viele Bürger „ins Boot“ zu holen, andererseits wird sich oft von Parteien mehr Einigkeit gewünscht. Dafür gibt es keine einfachen Lösungen, aber man sollte sich bewusst darüber sein, dass das Streben nach Macht ein wichtiger Motor für Politik ist und als Ziel durchaus legitim und gewollt ist. Macht macht uns manchmal Angst. Sie ist aber der Kode mit dem alle politischen Systeme auf dieser Welt arbeiten. Man könnte sie auch bezeichnen als: das Streben danach, die Lösungen, die man für am besten geeignet findet, auch umsetzen zu wollen.  Ist man von einer Idee vollkommen überzeugt oder hat man sogar DIE Idee zur Lösung eines Problems, dann muss man an die Macht streben. Im Hobbykeller geborene Ideen und Wünsche werden nicht zur Politik, wenn sie nicht den Hobbykeller verlassen.

Wenn Ihnen als Bürger mal eine Partei begegnet, die behauptet sie wolle nicht an die Macht, dann sollten sie sich ernsthaft Gedanken machen. Auch darüber, ob sie eigentlich von ihren eigenen Ideen überzeugt ist. Oder ob sie es schafft unterschiedliche Interessen innerhalb der Partei zu bündeln. Horchen Sie mal hin und denken Sie darüber nach wenn wieder einmal nach einer Wahl eine Partei sagt, eine Zeit lang Opposition zu machen wäre ganz gut.

Wie bereits gesagt, wollen Parteien an die Macht. Und das ist zum Teil auch gut so. Bürger ärgern sich oft darüber, dass Programmpunkte nicht eingehalten werden, sobald diese Macht erreicht ist. Sehr oft zurecht. Und manchmal ist es einfach nicht anders machbar. Sie können ihre Ideen alleine haben, aber bei der Umsetzung stoßen sie auf andere Akteure. Wenn Sie in Ihrem Garten einen Zaun versetzen wollen, müssen Sie sich ja auch mit dem Nachbarn darüber einigen. Und manchmal kommt statt der geplanten zwei Meter dann nur einer dabei heraus. Das ist auch Politik.

Oft wird der Wunsch geäußert, Parteien mögen sich doch einfach auf das beste einigen. Aber die Frage danach, was das Beste ist, ist gar nicht immer so einfach zu beantworten. Haben Sie mal mit ihrem Partner über Wandfarben oder Fliesen gestritten? Dann stellen Sie sich mal vor, sie streiten über das Gesundheitssystem. Und alle ihre Familienmitglieder mischen sich mit ein. Und vergessen Sie nicht, dass ihr Schwiegersohn auch noch Arzt ist.

Herrschen ist nicht immer einfach. Politische Realitäten sehen manchmal anders aus, als man es sich bei der Erarbeitung von Zielen denkt. Kritikwürdig ist das dann, wenn man das bereits vorher wusste oder wenn man sich nicht einmal darum bemüht hat, Ziele auch zu erreichen.

5. Personalvermittler

Schließlich sorgen Parteien noch dafür, dass das politische System mit Personal ausgestattet wird. Sie rekrutieren den Nachwuchs. Das funktioniert natürlich nur wenn Interesse besteht.

Parteien spiegeln gesellschaftliche Konflikte wieder. Sie vertreten die vielen unterschiedlichen Interessen und bringen sie in die politischen Entscheidungsprozesse ein. Das Gemeinwohl ist demnach das Ergebnis von langwierigen Aushandlungsprozessen, von Konflikt und Konsens. Damit sind Parteien in westlichen Demokratien wie der Bundesrepublik Deutschland Bestandteil eines lebendigen Konkurrenz- und Wettbewerbssystems.“ (Quelle:bpb.de)

Parteien haben unterschiedliche Aufgaben. Die sie unterschiedlich gut erfüllen. Viele Kritikpunkte sind berechtigt.

hier kommt politik zum tragenAber wir sollten zumindest eines nicht vergessen: Parteien sind ein Teil unserer Gesellschaft. Sie funktionieren umso besser, je größer unser Interesse ist. Das kann praktisches Interesse daran sein, mit zu machen, dass kann aber auch Interesse an Informationen sein. Interesse an Programmen. Demokratie lebt von Interesse. Als Bürger sind wir oft nicht so ohnmächtig, wie wir es wahrnehmen. Parteien öffnen jedem Bürger die Tür dazu, Politik zu gestalten, zu überwachen und zu verändern.  Wie gut Parteien sind, wie gut sie Aufgaben erfüllen und wie zufrieden wir mit ihnen sind, dass hängt auch von uns selbst ab. Dazu müssen Sie nicht in eine Partei eintreten. Aber wieso nicht mal mit Ihrem Abgeordneten diskutieren?

Demokratie bietet Chancen, die Sie als Bürger wahrnehmen sollten. Demokratie ist kein Zuschauersport!

 

(Die Reihe „Grundlagen der Demokratie“ wird in unregelmäßigen Abständen fortgeführt. Wir möchten Sie als kritischen Leser und Bürger mit dem notwendigen Wissen ausstatten, um den Politikdschungel zu durchschauen und weiter kritisch zu begleiten. Schicken Sie uns daher gerne auch Ihre Fragen!)

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