Samstag , 20 April 2024
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Wahlergebnisse: Ein Weckruf für Europa

athen akropolis 250Wann, während der vergangenen Jahrzehnte, haben Wahlen wirklich eine Veränderung mit sich gebracht? Das Ergebnis von Frankreich, Hollande statt Sarkozy, deutet auf eine schlichte Wiederholung des Altbekannten: viel Gerede und wenig Neues. Anders hingegen in Griechenland. Die beiden Regierungsparteien wurden schlichtweg abgewählt. Die Stimmenverluste suchen ihresgleichen in der Geschichte der Demokratie. Und selbstverständlich kritisieren die Medien diese absolut logische Entwicklung. Vermutlich muss ein Volk den Hunger tatsächlich erst am eigenen Leib verspüren, bevor es aufwacht.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, seit das politische System, das Demokratie genannt wird, in Europa etabliert ist, lösten sich in den verschiedenen Ländern Konservative und Sozialisten immer wieder gegenseitig ab – mit kleinen Seitenschwüngen, solange sich die kleineren Parteien nicht zu volksnah gaben. Doch ungeachtet, wer sich für die Regierungsgeschäfte verantwortlich zeichnete, eine offensichtlich vorgegebene Entwicklung nahm ungehindert ihren Lauf. Jahrzehnt um Jahrzehnt wuchs die Staatsverschuldung an. Nationale Souveränität wich Schritt um Schritt der Globalisierung. Traditionelle Werte wichen sozialen Experimenten.

Europa steckt in einer Krise, deren Ausmaße den meisten Menschen nur deswegen noch nicht bewusst sind, weil sich die Massenmedien uniform einer Beschönigung verschreiben. Die Schulden, und nicht nur die des Staates, sind nicht bezahlbar, weil unser ganzes Geldsystem ausschließlich auf Kredit basiert. Der internationale Finanzapparat ist derart aufgebläht, dass es der Realwirtschaft immer schwerer fällt, den Profithunger der Kapitalgeber zu befriedigen. Der letztendlich Leidtragende ist der Bürger, von dem immer mehr Arbeit verlangt wird, der gleichzeitig aber auch seinen Eigenkonsum reduzieren soll, um jeden möglichen Wertgewinn dem Finanzsektor zukommen zu lassen.

In Frankreich haben die Wähler nun entschieden, wieder einmal einen Sozialisten, zum ersten Mal seit 1988, in den Élyséepalast zu wählen. Den Benzinpreis will François Hollande einfrieren – auf drei Monate halt. Das Rentenalter will er senken – hat er versprochen. Die Wirtschaft will er durch mehr Kaufkraft in Schwung bringen – das Gegenteil der zurzeit angewandten Sparmaßnahmen. Vom Kern des Auslösers der Krise, dem Geldsystem, das von privater Hand geführt wird, und der Allmacht des Finanzsektors, hört und liest man natürlich kein Wort.

Völlig anders ist die Situation in Griechenland. Von einem Wahlsieger lässt sich dort eigentlich nicht sprechen. Die Stimmengewinne verteilen sich insbesondere unter sogenannten Extremlinks- und Extremrechtsparteien, wie jede politische Bewegung genannt wird, die nicht nach den Vorstellungen des Finanzsektors und deren Sprachrohren – den Massenmedien – handelt. Wobei ich an dieser Stelle allerdings hinzufügen muss, dass es unter den Politikern, die sich nicht dem Willen der Hochfinanz beugen, wiederum zwei Gruppen gibt: die wirklich demokratisch Denkenden, für die das Wohlergehen der Bürger im Vordergrund steht, und den Befürwortern bekannter und nicht wirklich willkommener Ideologien, die bereits in der Vergangenheit scheiterten.

Für den Wähler ist es nun tatsächlich schwer, die wirklich beste Entscheidung zu treffen. Politische Parteien geben Parolen von sich, oft ziemlich aussagelos, denn was sie brauchen, sind Stimmen. Und die Masse lässt sich durch einfache Schlagworte nun einmal leichter beeindrucken als durch ausgearbeitete Vorschläge. Die Massenmedien dienen dabei keineswegs als Entscheidungshilfe. Sie sind gegen jede einschneidende Veränderung. Und in Griechenland ist die Stimmung mittlerweile so angeheizt, dass es den Wähler offensichtlich einfach darum ging, zu dem „nein“ zu sagen, was bis jetzt geschehen ist.

Über mehr als 77% der Stimmen verfügten die beiden Regierungsparteien zusammen. Die Verluste, die sie hinnehmen mussten, übertrafen – so wird berichtet – selbst die schlimmsten Befürchtungen. Die Konservativen fielen in der Wählergunst von 33,5% auf unter 19%. Und die Sozialisten gar von 43,9 auf 13,2%. Der Wähler hat gesprochen. Endlich einmal. Endlich löste er sich vom paralysierten Demokratiedenken, das so oft lautet: „Es muss sich etwas ändern – aber ja nicht zu viel!“

Von einer „Wahl des Zornes“ wird geschrieben. Na, was für eine Überraschung. Während immer mehr Griechen unter wirklich extremer wirtschaftlicher Not leiden, ging es der Regierung ausschließlich darum, den Finanzsektor zufriedenzustellen. Als Premierminister Papandreou vorschlug, das griechische Volk zu befragen, ob es überhaupt willens sei, die ausgearbeiteten Sparmaßnahmen zu akzeptieren, wurde er schlichtweg durch den Vollblut-Banker Papademos ersetzt, jenem Papademos, der durch das Fälschen der Bilanzen den Eintritt in die Eurozone einst ermöglicht hatte.

Die Weltenlenker haben durch dieses Wahlergebnis in Griechenland wohl etwas dazugelernt. Wenn der Bogen überspannt wird, dann kann es doch tatsächlich passieren, dass ein Volk aus dem Dornröschenschlaf erwacht. In anderen europäischen Ländern, wie etwa Frankreich, und natürlich auch Deutschland, steht die Mehrheit der Wähler ja noch immer überwiegend hinter den etablierten politischen Gruppen. Hinter jenen, die das Volk über Jahrzehnte hinweg, teils unwissentlich, teils bösartig, teils egoistisch, an den internationalen Finanzsektor ausgeliefert hatten.

Durch die jüngste Wahlentscheidung hat das griechische Volk unter Beweis gestellt, dass es Respekt und Anerkennung verdient.

Allerdings, so ist zu fürchten, einer Lösung der Probleme dürfte Griechenland vermutlich nicht näher gekommen sein. Auch wenn den beiden bisherigen Regierungsparteien zwei Parlamentssitze fehlen werden, um die Mehrheit zu stellen, so ist kaum zu erwarten, dass die Wahlsieger fähig sein könnten, ein gemeinsames Konzept zu erstellen. Zu unterschiedlich scheinen die Ideologien zwischen Parteien wie „Konservative Unabhängige“ (10,6%), Kommunisten (8,5%) und der angeblich faschistisch orientierten Partei „Goldene Morgenröte“ (7%).

Bei diesem demokratischen System, wie wir es in Europa kennen, handelt es sich wohl um einen der klügsten Schachzüge, die der internationalen Hochfinanz jemals in den Sinn kamen. Denn für Fälle wie diesen, wie er nun in Griechenland eingetreten ist, steht ein Sicherheitsventil zur Verfügung. Ganz abgesehen von einer vorgegebenen Mindestzahl an Stimmen, um ins Paralament einziehen zu können, die einzelnen Parteien, die sich plötzlich der Wählergunst erfreuen, werden zu hoher Wahrscheinlichkeit in einen ideologischen Streit geraten. Es ist kaum zu erwarten, dass sie es schaffen werden zu erkennen, wer hinter den beiden Fronten, die sich gegeneinander richten, steht. Auf der eine Seite gibt es ein Volk, auf der anderen den Finanzsektor. Während dieser auf ein einziges Ziel hinarbeitet, seine eigene Macht weiter auszubauen, sind die Interessen des Volkes, in Unkenntnis der wahren Probleme, gespalten.

Vor einigen Jahren fasste Multimilliardär Warren Buffett die gegebene Situation in Worte. Von der New York Times am 26. November 2006 veröffentlicht, sagte er zu Ben Stein: „Es gibt einen Klassenkrieg. Richtig. Doch es ist meine Klasse, die Reichen, die diesen Krieg angezettelt hat. Und wir werden ihn gewinnen!“

Trotz allem, die Griechen haben den ersten wichtigen Schritt getan. Sie haben jenen Parteien, die ihnen die Misere eingebrockt haben, erst einmal einen schmerzhaften Denkzettel verpasst. Vielleicht schaffen es die Wahlsieger trotz gewichtiger ideologischer Gegensätze doch, sich zu einigen; erst einmal jenen bedeutenden Fakten, die für die Krise verantwortlich sind, die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken: das Geldsystem und die Globalisierung. Warren Buffett ist nicht der Drahtzieher, er ist ein Mitspieler. Doch er hat verraten, was auf unserer Welt gerade vor sich geht. Und vielleicht gelingt es den 99,99% der Menschen doch, sich gegen 0,01% zur Wehr zu setzen.

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