Samstag , 20 April 2024
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Ketzerische Gedanken zur Demokratie

parlament bundestagEs gibt viele Gesellschaftsformen auf unserer schönen Erde. Es gibt zum Beispiel Diktaturen, es gibt Monarchien, es gibt Stammesgesellschaften und dergleichen mehr. Jedoch gibt es heutzutage keine Gesellschaftsform, die derart vehement die moralische Lufthoheit für sich reklamiert, wie die Demokratie.

Was nimmt sie nicht alles für sich in Anspruch: Sie behauptet, Volkes Stimme zu repräsentieren. Sie gibt vor, Menschenrechte und -würde zu schützen, zu achten und sicherzustellen. Sie stellt sich als Retter der Menschheit, des Gemeinwohls und des wirtschaftlichen Wohlstandes dar. Kurzum: Der unbedarfte Leser könnte meinen, die Demokratie sei der Gipfel der moralischen Entwicklung und somit über alle anderen Gesellschaftsformen erhaben. Manche Demokraten glauben gar, in Gottes eigenem Land zu leben. Ein schöner Gedanke, bei dem es sich ruhig schlummern lässt – in dem Gefühl, vom Himmel auserkoren zu sein. Amen.

Bei genauerem Hinschauen will es dem ketzerischen Geist jedoch scheinen, dass der öffentlich zur Schau getragene Heiligenschein der Demokratie einige Rostflecken aufzuweisen hat. Gestatten wir uns eine Rückschau:

Als Erstes fällt das göttliche Sendungsbewusstsein auf, mit dem die Repräsentanten der Demokratie anderen, nicht so gesegneten Staaten, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ihre moralische Überlegenheit vorhalten: Nicht-demokratische Regierungen sind schlecht, demokratische hingegen gut. So einfach kann die Welt sein – wobei es Ausnahmen gibt: Selbst Diktaturen können des Heils teilhaftig werden! Sofern sie nur willig mit den führenden Demokratien dieser Welt zusammenarbeiten, ist ihnen die Absolution gewiss. Solchermaßen geläutert dürfen sie im eigenen Land getrost weiter nach Herzenslust undemokratischen Gepflogenheiten frönen, ohne befürchten zu müssen, des Segens der demokratischen Tugendwächter verlustig zu gehen. Demokratie zeichnet sich eben durch Toleranz aus.

Augenfällig ist auch, dass die Verbreitung der edlen demokratischen Gesellschaftsform bis heute nicht immer ganz einwandfrei nach den Maßstäben des Katechismus verläuft. Beispielsweise gab es in Gottes eigenem Land eine Menge lästiger Ureinwohner. Nachdem dieses Problem jedoch ganz pragmatisch gelöst war stand der Veredelung des Landes durch demokratische Besiedelung nichts mehr im Wege.

Englische Demokraten kolonisierten derweil die andere Seite der Welt. Leider wollte sich auch dort die verstockte Bevölkerung nicht immer einsichtig zeigen, so dass man schweren Herzens zur Verbreitung demokratischer Segnungen auch zu weniger christlichen Methoden, wie dem Anbinden unverbesserlicher Sünder vor Kanonen, Zuflucht nehmen musste.

Im 20. Jahrhundert wurde auch Europa demokratisch missioniert. Dies war um so mehr geboten, als sich dort, nach dem bis dahin schlimmsten aller Kriege, neue Regierungsformen etabliert hatten, die in ernstzunehmende Konkurrenz zur Demokratie zu treten drohten. Jedoch auch dieses Problem erwies sich als lösbar, wenn auch unter erheblichen Schwierigkeiten. Inzwischen war man jedoch zivilisierter: es wurde niemand mehr vor Kanonen gebunden. Zwar wurden ganze Städte durch in Humanität verpackte Bomben ausgelöscht, aber das Anbinden vor Kanonen betrachtete man als inhuman. Statt dessen ging man dazu über, die Menschen, die man zur Demokratie konvertieren wollte, durch Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder undemokratischer, böser Regierungen überzeugen zu wollen – wobei es allerdings noch ein kleines Ärgernis gab: Gesetze, gegen die diese hätten verstoßen können, existierten oftmals gar nicht. Aber auch hier fand sich eine demokratische Lösung: Die benötigten Gesetze wurden einfach neu kreiert, rückwirkend in Kraft gesetzt, und die Sünder dann ganz demokratisch korrekt abgeurteilt und gehängt. Somit hatte alles wieder seine moralische Ordnung. Den Umstand, dass auch die Richter selbst in reichlichem Maße gegen diese neugeschaffenen Gesetze verstoßen hatten, übersah man dabei geflissentlich. Schließlich handelte man im Namen des Guten. Wir sollten diesen Punkt jedoch im Auge behalten – er wird uns noch öfter begegnen.

Um dann noch sicher zu gehen, dass die neu eingeführte Demokratie auch Bestand hatte, unterzog man die nun befreite Bevölkerung umgehend einer vollständigen, bis heute andauernden und erfolgreichen demokratischen Erziehung. Wie bei allen Konvertiten gab und gibt es auch hier neben den normalen Gläubigen besonders eifrige Demokraten. Diese wurden wegen ihrer besonderen Zuverlässigkeit in verantwortliche Positionen bei Funk, Fernsehen, Zeitungen gebracht – bis hin zur Regierung, in der nur die besonders demokratischen Demokraten ihre segensreiche Tätigkeit entfalten dürfen. Alle, alle ohne Ausnahme haben ihre Hundeschule absolviert: sie gehen brav bei Fuß, machen Männchen, geben Pfötchen, und sind stubenrein – in Herrchens Stube, versteht sich. In die Eigene zu pinkeln ist hingegen sogar erwünscht – Nestbeschmutzer genießen in der modernen Demokratie höchstes Ansehen.

Noch einmal wurde im Namen der Demokratie gehängt – diesmal war es nur einer, aber auch er Mitglied einer Regierung. Nachdem Saddam Hussein tot war, war auch der Irak frei und demokratisch, und ist es bis heute. Die irakische Bevölkerung, die allein durch die vorangegangenen Sanktionen über eine Million Tote zu beklagen hatte und vormals in einem der fortschrittlichsten Staaten der arabischen Welt lebte, könnte dies jedoch möglicherweise kritischer sehen. Gemäß demokratischer Gepflogenheiten wurde sie vorsichtshalber nicht konsultiert.

Nach diesem für das Verständnis der Demokratie nicht unwichtigen Exkurs in die Vergangenheit schauen wir uns die aktuelle Lage an: Heutzutage betätigt sich die Demokratie wieder einmal besonders augenfällig sowohl innen- als auch außenpolitisch. In der Außenpolitik wird befreit wie eh und je. Dafür müssen die Befreiten auch schon mal Abstriche in Kauf nehmen – Libyen ist hier ein schönes Beispiel: Unter Gaddafi hatte dieses Land das wohl beste Sozialsystem in Afrika – mit kostenlosem Schulunterricht, freier Gesundheitsversorgung, Witwen-, Waisen- und Altersrenten und noch einigem mehr. Gaddafi war sogar – man lese und staune – für den UN-Menschenrechtspreis vorgeschlagen worden (Bericht der Arbeitsgruppe zur Libyschen Arabischen Dschamahirija – Dokument A/HRC/WG.6/9/L.13). Nach der Befreiung hatte sich die Sache mit den Sozialsystemen erledigt: Es gibt keine mehr. Alle sind nun gleich arm – ganz demokratisch. Bezüglich der Person Gaddafis machte man sich die Mühe eines Gerichtsverfahrens nicht mehr. Nach widerwärtigen Misshandlungen wurde er schlicht erschossen. Dies sparte Zeit und lästige Gerichtsverfahren, die vielleicht gar Peinlichkeiten hätten zutage fördern können. Der Demokratie ist damit Genüge getan, in Libyen sind nun die Konvertiten m Werk.

Afghanistan wurde und wird immer noch demokratisiert. Das augenfälligste Ergebnis dieser edlen Tat ist der Anstieg der Opiumproduktion unter dem Schutz der NATO um über 90 Prozent, nachdem die Taliban den Opiumanbau zuvor nahezu zum Erliegen gebracht hatten. Ansonsten mag man zu dem Eindruck gelangen, dass sich in diesem geschundenen Land nicht allzu viel geändert hat. Wo allerdings mit dem schmutzigen Geld aus dem Opiumhandel überall Geheimdienstoperationen finanziert werden – darüber lohnt es sich sicher nachzudenken. Verwundern würde es nicht, wenn mit diesem Geld unter anderem „Freiheitskämpfer“ in Libyen oder Syrien finanziert wurden. Aber für Demokratie und Menschenrechte war es das sicher wert…..

Auch in Syrien erleben wir derzeit eine Befreiungsaktion nach gleichem Muster wie in Libyen: man bewaffnet und finanziert „Freiheitskämpfer“, die dann im Land ihr Unwesen treiben. Opfer werden dabei billigend in Kauf genommen, da sie sich propagandistisch wunderbar der Regierung in die Schuhe schieben lassen, die man loswerden möchte. Diejenigen, die für diese Opfer verantwortlich sind, vergießen die meisten Krokodilstränen, wenn es darum geht, das Morden zu kritisieren. Das Ergebnis steht noch aus, allerdings steht zu befürchten, dass es ähnlich segensreich wie in Libyen ausfallen könnte.

Innenpolitisch lässt sich das Wirken der Demokratie besonders gut am Beispiel der Finanzkrise dokumentieren: Die vereinte Finanzwelt hat es erfolgreich fertiggebracht, die westliche Welt an den Rand des Abgrundes zu zocken. Nun sollte man annehmen, dass die Regierungen, den edlen Grundsätzen der Demokratie folgend, das Gemeinwohl zum Maßstab aller Entscheidungen machen und den Verursachern dieser Krise das Handwerk ein für alle Male legen, würden. Jedoch: weit gefehlt! Stattdessen gehen die demokratischen Regierungen des Westens her, refinanzieren die Spielschulden der Banken aus Steuergeldern, und erzählen den vorher nicht dazu befragten Bürgern, sie würden über ihre Verhältnisse leben, weshalb sie den Gürtel enger zu schnallen hätten. Damit nicht genug: Bei der Ausarbeitung neuer Gesetze zum Finanzmarkt sitzen ganz unverhohlen Bankenvertreter mit am Tisch, ja, die Regierungen übernehmen nahezu unverändert von diesen Herrschaften ausgearbeitete Gesetzesvorlagen – so geschehen in Deutschland. Das ist Demokratie – das muss man genießen!

Inzwischen ist man einen Schritt weiter und hat auch im Innenverhältnis die demokratische Maske fallenlassen, wovon aktuell gerade die Griechen ein Lied singen können: Hemmungslos wird dieses Land nun zur Schlachtbank geführt – Shylock will sein Pfund Fleisch! Unnötig zu erwähnen, dass das Volk ganz demokratisch nicht gefragt wird – ebenso wenig wie die Deutschen, die Niederländer oder die Franzosen, wenn es darum geht, einen Billionen-Rettungsschirm nach dem anderen für die Banken aus Steuergeldern zu garantieren, während man den Bürgern unterstellt, sie würden über ihre Verhältnisse leben, weshalb für die Menschen kein Geld mehr da sei. Als Krönung der Machtübernahme durch die Finanzwelt soll nun der Europäische Stabilitäts-Mechanismus ins Leben gerufen werden, dessen Verantwortliche zwar nicht demokratisch gewählt werden, dafür jedoch volle Immunität genießen sollen. Ein modernes Ermächtigungsgesetz mit implementierter Narrenfreiheit All dies wird den Bürgern von ihren Regierungen als alternativlos verkauft. Die Demokratie wird alternativlos abgeschafft.

Zum Schluss möchte ich mir noch zur Verdeutlichung einen kleinen Vergleich zwischen ein paar „Schurkenstaaten“ und den leuchtenden Führern der westlichen Demokratie erlauben:

Während Staaten wie China, Iran oder Nordkorea nur äußerst wenige Kriegsbeteiligungen seit 1945 vorzuweisen haben, finden wir die USA und Großbritannien bis heute immer wieder in weltweite Konflikte mit Millionen Opfern verwickelt. In angeblich „undemokratischen“ Ländern wie China wird das durch das Volk erwirtschaftete Geld in den Aufbau von Infrastruktur, Gesundheitswesen, Modernisierungen etc. investiert. In den westlichen Demokratien sehen wir den entgegengesetzten Trend des Sozialabbaus, der Privatisierung des Volksvermögens, der Demontage politischer Entscheidungsmöglichkeiten – ohne dass das Volk je dazu befragt worden wäre. Seitens der westlichen Regierungen werden Verletzungen der Menschenrechte oder der Meinungsfreiheit in missliebigen Staaten mit lautstarker Empörung gebrandmarkt, während im eigenen Machtbereich Menschen wegen verbotener Meinungsäußerungen inhaftiert und sogar Lager wie Guantanamo Bay möglich gemacht werden.

Aus all dem ergibt sich für mich eine Überlegung: Was wollen die Bürger eines Staates wirklich? Sicher sind wir uns darüber einig, dass sie vor allem ein sicheres Leben in Frieden, ihr Auskommen, Schulbildung für ihre Kinder, eine ordentliche Gesundheitsversorgung etc. wollen. Ist dies gegeben, so interessieren sich für gewöhnlich nicht dafür, ob sie in einer Demokratie, einer Diktatur, oder in einem Familienbetrieb wie Saudi Arabien leben.

Die Kernfrage ist demnach: Was ist den Menschen, ihrem Recht auf ein gesichertes Auskommen und ein friedliches Leben dienlicher? Eine gutgemeinte kleine Diktatur, die den Menschen Ihr Auskommen sichert, sich um Gesundheitsversorgung, Schulbildung und Aufbau des Landes kümmert, Kriege möglichst vermeidet, und die Richtigen liebevoll unterdrückt (warum fallen mir da ausgerechnet die Banken ein…??) – oder eine Demokratie, die die ihre Bürger für die Profitinteressen der Finanzwelt ausplündert, ihre mühsam aufgebauten Sozialsysteme demontiert, ihr erarbeitetes Volksvermögen verhökert, einen Angriffskrieg nach dem anderen nach Gutdünken führt, und den Bürgern zu alle dem faktisch keinerlei Mitspracherecht einräumt? Eine ketzerische Frage? Genau – denn wir leben in keiner Demokratie!

Wir leben nur in dem bigottesten aller Gesellschaftssysteme! Eine echte Demokratie fühlt sich in allererster Linie dem Gemeinwohl sowie Aufbau und Entwicklung des Landes in Frieden verpflichtet. Davon sind wir jedoch von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr weiter entfernt. Die sogenannte westliche Wertegemeinschaft ist zu einer verlogenen, heuchlerischen und gewalttätigen Staatsform mutiert, die den altehrwürdigen Begriff der Demokratie bis zur Unkenntlichkeit pervertiert und entstellt hat. Der Gott heißt Profit, mit Nachnamen Macht. Diesen Zielen einiger Weniger wird gnaden- und bedenkenlos alles geopfert, was uns lieb, wert und teuer ist! Schlimmer noch: Unter dem Deckmantel des Guten werden heutzutage für Gewinn- und Machtinteressen kaltlächelnd Untaten verübt, die selbst einen Dschingis Khan beschämt hätten. Wenn das Demokratie ist, dann bekenne ich, dass ich diese aus tiefstem Herzen ablehne und verachte!

Ketzerische Gedanken, meinen Sie? Ich sei ein Antidemokrat, ein gefährlicher Radikaler gar? Dann entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie aus Ihrem Schlummer aufgestört habe. Schlafen Sie bitte weiter.

Wenn Sie aber zunehmend ebenso empört sind wie ich, wenn wir gemeinsam eine wirkliche Demokratie im Sinne der Menschen, des Friedens und des Gemeinwohls wollen, so sind wir alle gefordert, uns gegen diese Entwicklung zu stemmen. Es liegt an uns, dies zuzulassen oder zu verhindern. Wir sind das Volk – nicht die, die heuchlerisch in unserem Sinne zu entscheiden vorgeben, während sie das Wohl ganzer Völker und den Weltfrieden den Gewinninteressen opfern!

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