Freitag , 29 März 2024
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Wahlrecht nur noch für aktive Steuerzahler

wahlzettel_kreuzDie Gedanken sind frei und so können Gott, die Welt und Grundwerte in Frage gestellt und darüber diskutiert werden. Anfang Mai stellte Ian Cowie, seit 1986 bei The Daily Telegraph beschäftigt, folgende Provokation online: “Why don’t we restrict votes to people who actually pay something into the system?” Wer zurzeit ohne Arbeit und auf Sozialhilfe angewiesen ist, soll kein Stimmrecht und somit auch keinen Einfluss auf Gesetze haben, die sein Leben unmittelbar betreffen. Die Würde des Menschen wird zumindest gedanklich mit Füßen getreten, der sozial geschwächte noch eine Reihe hinter Schwerstkriminelle gestellt, indem man ihm die bürgerlichen Ehrenrechte, zu denen zählt das Wahlrecht, beschneidet.

Nur, wer nachweislich mit mindestens 100 Pfund jährlich zur Finanzierung des Staates beiträgt, darf Kreuzchen machen. Cowie sieht seinen Vorschlag als Instrument gegen die Politikmüdigkeit und Anreiz für Arbeitslose, wieder früh aus den Federn zu kommen und zu arbeiten. Gönnerhaft schließt Cowie´s Vorschlag Rentner und Mütter von dieser angedachten Regelung aus, traut er sich wohl nicht zu leugnen, dass diese Personengruppen bereits einiges zum Gemeinwohl beigetragen haben. Dieser Schritt zurück in Zeiten, in denen nur die Privilegierten wahlberechtigt waren und somit den ihnen bequemen Status quo immer wieder aufrechterhalten konnten, fällt auf latent aufnahmebereiten Boden. Zumindest lässt die durchaus kontroverse Diskussion im Forum diesen Schluss zu. Wenn Sie nun meinen, dass die Briten eben schon immer ein wenig verschroben waren, erinnern sie sich bitte an Mai 2008:

Seinerzeit verbreitete der damals 25-jährige Vorsitzende des deutschen Rings Christlich-Demokratischer Studenten, Gottfried Ludewig, seine „Drei Thesen zur Stärkung der Leistungsträger“ unter allen Parteigremien der CDU:

Diejenigen, die den deutschen Wohlfahrtsstaat finanzieren und stützen, müssen in diesem Land wieder mehr Einfluss bekommen. Die Lösung könnte ein doppeltes Wahl- und Stimmrecht sein. Allein mit Hartz IV-Beziehern und Rentnern könne der soziale Ausgleich in Deutschland nicht funktionieren, zitiert n-tv in einem Beitrag, der am 23. Mai 2008 unter der denkwürdigen Überschrift „Origineller Vorschlag des RCDS: Rentner-Wahlrecht einschränken“ erschien.

Abgesehen davon, dass ein 25 jähriger Student in seinem jungen Leben nicht einmal den Bruchteil dessen beitragen konnte, was viele der seiner Meinung nach in die Wahlunwürdigkeit Abgerutschten schon längst beigesteuert haben, ist ihm auch entgangen, dass die Studenten in der Nachkriegszeit erst einmal Steine klopfen mussten, bevor sie einen Hörsaal von innen sehen konnten. Gut, es ging gar nicht anders, die Zeichen standen auf Aufbau nicht vorhandener oder zerstörter Gebäude und Neuanfang, aber hätten damals nicht alle mit angepackt, auch in ideeller Hinsicht, damit es die nachkommenden Generationen einmal besser haben, könnte eben dieser ver(w)irrte Nutznießer dieser Früchte nicht dermaßen unverschämt und bar jeder Kenntnis über Höhen, Tiefen und Wechselfälle des Lebens auf all seine Wegbereiter hinabschauen, die beim Meistern ihres Lebens eben nicht immer Glück hatten.

Brandgefährlich ist meines Erachtens die Verharmlosung solcher Gedanken, wie schon der Begriff originell in o.g. Beitrag verdeutlicht. Die willkürliche Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte einzelner Personengruppen ist verfassungswidrig, es verstößt gegen das Grundgesetz. Ach, Sie beruhigen sich damit, dass sie im Zweifelsfalle nicht betroffen wären, da sie gut situiert in gesichertem Brot und Arbeit stehen? Was könnte denn geschehen, wenn  Sie sich in irgendeiner Form kritisch und nicht Regierungskonform äußern? Ein Kündigungsgrund ist schnell gefunden, für den Freischaffenden bleiben methodisch die Aufträge aus, bis sie nicht mehr die Wahl haben werden, ihr Recht geltend zu machen. Diese Möglichkeiten haben bis dahin diejenigen, die sich zwischenzeitlich ihren Wahlvorteil verschafft haben, durch entsprechende Gesetzesanpassungen garantiert zunichte gemacht.

Wir kämpfen gegen Extremismus an, eigenartigerweise bekämpfen wir, je nach eigener Gesinnung, stärker Links oder Rechts. Dem potentiellen politischen Gefangenen dürfte es dabei jedoch völlig egal sein, ob das letzte Folterstündlein seines geschundenen Körpers im Gulag, im Konzentrationslager, in Bleiminen oder vielleicht in Zukunft in verstrahlten Atomkraftwerksruinen schlägt. Diese Diskussionen führen nur mehr zu entsprechend honorierten Einschaltquoten zahlreicher Endlostalkshows in gemütlicher Umgebung. Die Gefahr, die von politisch Ambitionierten ausgeht, die nicht einmal Basiskenntnisse in Sachen Grundgesetz vorweisen können und doch die Hüter unserer Verfassung sein sollten, unterschätzen wir gewaltig, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dabei müssen sie unser Grundgesetz gar nicht direkt torpedieren: Es genügt völlig, zuzulassen, dass Vorschriften aus Brüssel unsere bisher bewährten Gesetze zunehmend aushebeln.

Wir müssen uns die Freiheit nehmen, Gedanken zu stoppen, die die Würde des Menschen und seine Rechte auch nur ankratzen.

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