Freitag , 19 April 2024
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Politische Opposition als Bremsklotz

bundestagDer Ausgang der Wahlen in den USA führt zu Befürchtungen, dass die politische Arbeit für die nächsten zwei Jahre eingefroren sein könnte. Ein Präsident aus dem Lager der Demokraten, die Republikaner kontrollieren den Kongress und die Demokraten wiederum den Senat. Parteibezogene Interessen drängen sich in den Vordergrund. Positive Vorschläge werden von der Opposition abgewürgt, um den politischen Gegnern keinen Erfolg zukommen zu lassen. Dabei handelt es sich um eine altbewährte Strategie in der modernen Demokratie, die nur schwerlich dem Bürger dienen kann.

Eigentlich ist es bemerkenswert, dass sich in demokratischen Systemen so selten Führungspersönlichkeiten finden, denen es gelingt, eine überwiegende Mehrheit des Volkes zu überzeugen. Und damit meine ich nicht Wahlerfolge, die irgendwo über 50 Prozent liegen. Ich träume vor mich hin – und zwar von einem Kandidaten oder einer Partei, der oder die sich, aufgrund wirklich bürgernaher Politik, der Unterstützung des Großteils der Bevölkerung erfreuen darf. Sitzen nicht die meisten von uns im sprichwörtlich gleichen Boot? Geht es uns nicht allen darum, unsere Arbeit in Würde auszuführen, angemessen entlohnt zu werden, nach unseren Interessen konfliktfrei leben zu dürfen? Was spaltet das Volk demokratischer Länder in unterschiedliche Interessensgruppen? Warum scheint es überall ausgeschlossen zu sein, dass ein Mann oder eine Frau mit überzeugenden Vorschlägen vor die Öffentlichkeit tritt, die uns allen entgegen kommen?

Divide et impera – teile und herrsche! Der Volksmund würde sagen: „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte!“ Je mehr Uneinigkeit in einer Gemeinschaft vorherrscht desto mehr Möglichkeiten öffnen sich, die Gemeinschaft als ganzes zu kontrollieren und letztendlich auch auszunützen. James Carroll, allgemein respektierter Autor und Kolumnist für den Boston Globe schrieb dazu:

„Üblicherweise hängen imperialistische Mächte von der Unfähigkeit der unterdrückten Bevölkerung ab, einen Widerstand zu koordinieren, und die erfolgreichsten Unterdrücker zeichnen sich durch das Geschick aus, sich die Gegensätze innerhalb der Unterdrückten zunutze zu machen.“

In der Geschichte finden sich unzählige Beispiele. In der Politik des Römischen Reiches, in der Besetzung Indiens, erst durch die Araber und später durch die Engländer, oder im Schüren von Stammeskonflikten unter den Indianern Nordamerikas, um nur einige Beispiele anzuführen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass wir in den westlichen Demokratien frei und von außen unabhängig leben, so lassen sich trotzdem vergleichbare Tendenzen verzeichnen. Ob diese durch eine unabhängige Kraft gesteuert werden, darüber lässt sich, wie könnte es anders sein, bestenfalls spekulieren.

Greifen wir jene Gegensätze in unserem Leben auf, die zu einer deutlich getrennten Meinung innerhalb großer Bevölkerungsgruppen führen, so gibt es für jeden einzelnen dieser Punkte natürlich verständliche Erklärungen, warum es zu keiner Einigkeit kommen kann. Ein Teil wünscht sich niedrigere Steuern, ein anderer will auf Sozialleistungen nicht verzichten. Befürchtungen zum Untergang der eigenen Kultur stoßen auf Gegenargumente, die auf durchaus humanitären Beweggründen basieren. Raucher sind süchtig und Nichtraucher fürchten um ihre Gesundheit. So sehr jedoch das Scheiden der Meinungen in jedem einzelnen Beispiel – und es ließen sich gewiss Dutzende oder mehr davon anführen – verständlich sein mag, so erschreckend ist der Umstand, dass die Gemeinschaft dadurch immer wieder gespalten wird.

Natürlich ist es Politikern, die parteipolitische Interessen verfolgen, selten bewusst, dass sie zur Erhaltung von Spannungszuständen beitragen. Es kann nicht im Interesse der Opposition liegen, der regierenden Partei zu erlauben, die Lebensqualität der Bevölkerung deutlich zu verbessern. Die Chancen, bei der nächsten Wahl besser abzuschneiden, würden weiter schwinden. Erst die Unzufriedenheit mit der Politik der Regierungspartei lenkt die Aufmerksamkeit auf deren Gegner. Und diese Unzufriedenheit zu schüren, ist ein wesentlicher Teil der Politik. Dies erscheint als ernstzunehmende Schwachstelle im modernen System der Demokratie, für die sich wohl kaum eine Lösung finden wird.

Handelt es sich bei der anhaltenden Uneinigkeit um einen in der menschlichen Natur verankerten Drang zum Konflikt? Die Freude über die Wiedervereinigung des lange geteilten Deutschlands wurde rasch getrübt und es ist wohl nicht von Nöten, auf diesbezügliche Details zu verweisen. Auch gab es derartige Gegensätze schon vor einem Jahrhundert. Damals warfen die Preußen den Bayern Pazifismus und diese den Preußen wiederum Kriegslust vor. Und wie oft zeichnen sich Nachbarn durch die Unfähigkeit aus, friedlich nebeneinander zu leben? Wie oft werden die Autoritäten bemüht, harmlose Streitigkeiten zu schlichten?

In Indien, zu Zeiten von Mohandas Ghandi, „Mahatma“, die „große Seele“ genannt, gab es ebenfalls unzählige Uneinigkeiten, die, wie James Carroll erklärt, von den Engländern geschickt genutzt wurden. Doch dann gelang es plötzlich diesem einen Mann, das Augenmerk auf den äußeren Feind zu lenken. Es gelang ihm, einen nennenswerten Anteil des indischen Volkes, ungeachtet der Religion und der Kaste, dazu zu bewegen, die weniger bedeutenden Konflikte in den Hintergrund zu drängen, dem einen großen Ziel zu folgen, nämlich, die Besatzer aus dem eigenen Land zu vertreiben. Und, wie wir alle wissen, führte sein, durch lokale Medien unterstützter, Aufruf zum passiven Widerstand auch zum Erfolg. Zwar blieb die damalige Einigkeit keineswegs erhalten, doch die direkte Präsenz der Besatzungsmacht war zumindest beendet.

Lässt sich das Beispiel Indiens auf die Gegenwart in Deutschland oder Frankreich oder Italien oder Amerika anwenden? Gegen wen könnte oder sollte sich Widerstand richten? Gegen die regierende Partei oder gegen die Opposition? Ist ein äußeres Feindbild erforderlich, um Einigkeit zu schaffen?

Vermutlich bedarf es wirklich einer Personifizierung jener Kräfte, die einer Verbesserung der Lebensqualität entgegen wirken, um entsprechende Reaktionen zu bewirken. Doch, und hier könnte das unüberwindbare Problem liegen, es gibt weder ein Land noch eine identifizierbare Gruppe von Personen, denen eigennützige, volksfeindliche Bestrebungen vorgeworfen werden können. Wir leiden nicht unter dem Joch eines Tyrannen, nicht unter einer ausländischen Besatzungsmacht und auch nicht unter der Willkür einer bestimmten Gruppe. Wir sind einem System zum Opfer gefallen. Ein System, das die Macht des Kapitals zentralisiert, dementsprechend den Wettbewerb beeinflusst, den Geldumlauf steuert und unverantwortliche Verschuldung vorantreibt. Und während wir uns regelmäßig in unbedeutenden Konflikten verlieren, arbeiten die Mechanismen dieses Systems weiterhin in genau der Richtung, der wir die derzeitige Situation verdanken.

Dürfen wir darauf hoffen, dass sich eine Regierung einmal daran machen könnte, das Problem im Kern zu behandeln? Ich fürchte, nein, denn die Opposition wäre mit Sicherheit dagegen.

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