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Gefährliche Wuchtgeschosse: Uranmunition wird bis heute konsequent verharmlost

Das Thema beherrscht derzeit nicht gerade die Schlagzeilen, verdient es aber, näher beleuchtet werden. Zehn Jahre nach dem Irakkrieg ist das Stichwort Uranmunition immer noch aktuell. Am 6. November 2013 fand der Aktionstag für die Ächtung von Uranwaffen statt. Initiator war die globale, in 32 Staaten aktive ICUBW (International Coalition to Ban Uranium Weapons). Tatsache ist, dass Hintergrundinformationen über die wahre Tragweite von Uranmunition nach wie vor unterdrückt wird. Und Fakt ist außerdem, dass viele Staaten dafür ihre guten Gründe haben.

Was ist DU- oder Uranmunition?

By Gremi-ch (Own work) [CC-BY-3.0 , via Wikimedia Commons
By Gremi-ch (Own work) [CC-BY-3.0 , via Wikimedia Commons
Als DU-Munition (engl.: depleted uranium) werden panzerbrechende Geschosse mit Projektilen bezeichnet, die abgereichertes Uran enthalten. Im Gegensatz zum Natururan steckt darin nur ein geringer Anteil des spaltbaren Uranisotops U. Da Uran eine sehr hohe Dichte besitzt, verfügen Geschosse dieser Art über eine enorme Durchschlagskraft. Ca. 40 Prozent geringer fällt die Radioaktivität abgereicherten Urans aus, verglichen mit Natururan.

Tausende von Tonnen Munition dieses Kalibers kamen in der jüngeren Geschichte zum Einsatz – ihre Spur zieht sich über die Landkarte des Balkans und Asiens von Bosnien bis nach Afghanistan, von Tschetschenien bis zur Grenze zwischen Pakistan und Indien. Im Jahr 2003 setzte die sogenannte „Koalition der Willigen“ innerhalb von drei Wochen ein Quantum von 1.000 bis 2.200 Tonnen DU-Munition im Irakkrieg ein.

Angeblich haben weltweit 21 Armeen weiterhin Uranmunition in ihren Depots. Neben den „üblichen Verdächtigen“ wie China, Saudi-Arabien, Pakistan und Russland gehören auch die USA, Israel, Irak, die Türkei und Japan dazu. In Europa bunkern Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Griechenland, die Niederlande und Schweden DU-Geschosse, die seit den 70er-Jahren zum Einsatz gegen Panzerfahrzeuge kommen. Uran verleiht einem Geschoss ein hohes Gewicht. Die Dichte des chemischen Elements übertrifft die von Blei um 70 Prozent. Würde man eine Literflasche mit Uran füllen, brächte sie 19 Kilo auf die Waage.

Vor zehn Jahren: Die Alliierten hinterließen ein „strahlendes Vermächtnis!

2003 berichtete Spiegel Online, dass Experten damals davon ausgingen, die irakische Zivilbevölkerung sei nach dem Krieg extrem gefährdet durch Überreste radioaktiver Projektile. Amerikaner und Briten, die schon seit Jahrzehnten mit Uranmunition operierten, bestritten (und bestreiten bis heute), dass tatsächlich ein gesundheitliches Risiko bestünde. Zwei wichtige Schauplätze des Irakkrieges wurden damals von Wissenschaftlern des kanadischen UMCR (Uranium Medical Research Centre) untersucht.

Dasselbe Experten-Team hatte bereits in Afghanistan und im ehemaligen Jugoslawien ähnliche Aktionen durchgeführt und sorgte mit alarmierenden Analysen aus dem Irak ebenfalls für Aufsehen. So sei in der Stadt Abu Khasib, Schauplatz einer gigantischen Panzerschlacht, die radioaktive Strahlung 20-mal stärker gewesen als normal. Einzelne abgeschossene Panzer der Iraker wiesen nach Angaben der Wissenschaftler sogar eine 2.500-fach höhere als die natürliche Radioaktivität auf. Auf diesen Panzern spielten irakische Kinder, derweil britische Soldaten in Strahlenschutzanzügen eine Inspektion des Schlachtfeldes vornahmen.

Die UMRC bezog sich in ihrem Bericht auf offizielle Zahlen. Demnach hatten im Jahr 2003 britische und US-Soldaten 100 bis 200 Tonnen DU-Munition im Irak verballert. Anonyme Quellen im Pentagon und bei der UNO mutmaßten sogar, es sei die zehnfache Menge gewesen. Denn die Uranmunition hätte nicht nur militärische Ziele bei Wüstenschlachten getroffen, sondern wäre auch in besiedelten Gebieten eingesetzt worden – bis in die Innenstadt von Bagdad.

Mediziner befürchteten bereits damals, Uranmunition sei nicht nur für Soldaten gefährlich. Sondern alle Personen, die sich später Panzerwracks näherten, würden sich ebenfalls einem hohen gesundheitlichen Risiko aussetzen. Eingeatmete Uranpartikel könnten sich in der Lunge auflösen, in Blutbahn und Gewebe eindringen. Die Substanz könnte außerdem über Wunden in den Organismus gelangen, Krebs und Vergiftungen nach sich ziehen. Damit nicht genug: Damalige Schätzungen besagten, innerhalb von fünf bis zehn Jahren könnten DU-Geschosse im Boden korridieren. Die Folge: Das Uran würde im Grundwasser landen.

Golfkrieg-Syndom, Balkan-Syndrom – Uranmunition war immer dabei

Davon zeige sich bereits im Jahr 2001 der US-Arzt Asaf Durakovic überzeugt, ein ehemaliger Oberst, der im Golfkrieg 1991 eine Sanitätereinheit befehligt hatte. Als Professor für Radiologie und Nuklearmedizin lehrte er an der Georgetown Universität. Er verließ Washington aufgrund des massiven Drucks seitens der amerikanischen Behörden, der bis zu Todesdrohungen reichte. Der Grund: Durakovic hatte geforscht, ob ein Zusammenhang zwischen Uranmunition und Krebserkrankungen bestand. Die US-Administration bestritt aber offiziell die Existenz des sogenannten Golfkrieg-Syndroms.

Im Laufe der nächsten zehn Jahre sammelte Durakovic überzeugende Beweise für die Gefährlichkeit von Uranmunition, die sowohl im Golfkrieg als auch im Kosovokrieg 1999 verwendet worden war. Die Nato hatte zugegeben, dort 31.000 DU-Geschosse abgefeuert zu haben. Im Bosnienkrieg waren es 10.800 gewesen. Im Golfkrieg jedoch explodierten sage und schreibe rund 700.000 davon – mit dem Resultat, dass sich 320 Tonnen pulverisiertes, abgereichertes Uran in der Luft ausbreiteten.

Mediziner Durakovic hatte Bedeutendes herausgefunden und an die Behörden weitergegeben. Er stellte Nierenversagen, Lungen- und Knochenkrebs bei Soldaten fest, die Uran eingeatmet hatten. 24 US-Soldaten wurden 1991 in das Militärkrankenhaus Wilmington im US-Staat Delaware gebracht. Diese Männer hatten Reparaturen an US-Panzern ausgeführt, die unbeabsichtigt von DU-Geschossen der Alliierten getroffen worden waren. Sie hatten dabei keine Schutzanzüge getragen. Durakovic diagnostizierte bei 14 Männern radioaktive Verseuchungen.

Seine Untersuchungsberichte sowie die Urinproben der Betroffenen verschwanden, nachdem sie an ein Militärlabor weitergeschickt worden waren. Weitere Untersuchungen, die Durakovic vornehmen wollte, wurden abgebrochen. Der Mediziner wurde diskreditiert und schließlich gefeuert.

Folgen des Einsatzes von Uranmunition in Europa

In Großbritannien wurde das Golfkrieg-Syndrom ebenfalls publik – es betraf überwiegend Soldaten, die sich mit dem Abtransport von Panzern beschäftigten, welche von Uranmunition getroffen worden waren. Auch Sanitäter, die mit der Kleidung von verwundeten Irakern in Berührung gekommen waren, wiesen das sogenannte Golfkrieg-Syndrom auf.

Schon vor zehn Jahren vertrat Durakovic öffentlich den Standpunkt, dass die US-Streitkräfte und das britische Militär mangelndes Verantwortungsbewusstsein für ihre Soldaten beweisen würden, indem sie weiter Uranmunition einsetzen ließen. Bei Tierversuchen zeigte sich, dass 84 Prozent aller Hunde nach dem Einatmen von Uran an Lungenkrebs verendeten.

Doch die Nato stellte sich unwissend, obwohl es weitere Todesfälle gab: Fünf Italiener, die im Kosovo gekämpft hatten, bekamen Leukämie und starben daran, bei einem anderen war Hautkrebs die Todesursache. Vier Soldaten aus Frankreich erkrankten ebenfalls an Leukämie. Auch in Ungarn und in Portugal kam es zu Krankheitsfällen. Militärärzte schlossen in sämtlichen Fällen aus, dass eine Verstrahlung durch Uranmunition die Ursache für schwere Krankheiten und Tod sein könnte.

Die EU reagierte alarmiert und forderte Aufklärung von der Nato, doch George Robertson, von 1999 bis 2003 britischer Nato-Generalsekretär, stritt alles ab. Er beharrte darauf, dass sich keine Beweise für Gesundheitsrisiken erbringen ließen, denen Soldaten oder Zivilisten in den Balkanstaaten ausgesetzt wären. Im Januar 2001 gaben Nato-Oberfeldärzte eine offizielle Erklärung ab. Diese besagte, es ließen sich aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen keine Zusammenhänge zwischen dem Balkan-Syndrom und den in Bosnien und im Kosovo eingesetzten DU-Geschossen nachweisen. Die Ärzte in Uniform begründeten diese skandalöse Behauptung zu allem Überfluss damit, dass auf dem Balkan eine Konzentration von natürlichem Uran vorhanden sei, welche die von industriell abgereichertem Uran übertreffe. Weil aber keinerlei Schädigungen durch natürliches Uran bekannt seien, könne eine schwache Dosis abgereicherten Urans folglich auch keinen Schaden anrichten.

> Wen wundert es da, dass bis heute Uranmunition auch in den Waffenlagern europäischer Staaten lagert? <

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