Samstag , 20 April 2024
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Die zerbrochene Gesellschaft

broken_wall_fireWer Wind sät, wird Sturm ernten! Dass diese Weisheit stimmt, kann derzeit sehr deutlich bei den Protesten gegen die gewissenlose Finanzwirtschaft (die, so wie in Rom und Athen, oft in blinder Zerstörungswut enden) beobachtet werden. Insbesondere die Jugend beginnt sich zu wehren, denn die bemerkt sehr genau, wohin der Weg führt: In eine Welt, die nur mehr auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Wenn auch die Beweggründe für die Kundgebungen, die Ziele der Demonstrationen und die Anlässe für gelegentlich eskalierende Ausschreitungen nicht immer die gleichen sind, die Bilder scheinen trotzdem oft sehr ähnlich.

Nicht immer sind die Gründe für Manifestationen als ehrenwert zu bezeichnen. Unter einigen „Aktivisten“ existieren bereits geflügelte Sprüche, wie etwa „Bullenwagen entglast“ oder „tiefer gesetzt“, womit natürlich die Demolierung von Polizeifahrzeugen gemeint ist. Nicht nur in Frankreich wurden bereits mehrere Male private Autos zu Massen in Brand gesetzt. Auch in England hat es vor kurzer Zeit richtige Straßenschlachten in den Großstädten gegeben. Viele Polizisten wurden ernsthaft verletzt.

Bei aller Verachtung für diese Gewalt, glaube ich trotzdem, dass diese Jugend nicht nur Täter, sondern auch Opfer ist. Und ich hoffe, der Leser verzeiht mir, dass ich hier alle Arten von Beweggründen für die Ausschreitungen einfach in den gleichen Topf werfe. Doch die Grenzen der Motivation sind nicht immer eindeutig zu ziehen.

Die eigentlichen Ursachen für diese Exzesse sind für mich durch den Irrweg, den die „moderne Gesellschaft“ beschreitet, zu begründen.

Heißt es nicht, dass alles mit der Erziehung beginnt? Vor rund vier Jahrzehnten stellte sich die Pädagogik, die bis dahin von einer gewissen Strenge geprägt war, auf einen Kuschelkurs um. Die antiautoritäre Erziehung begann sich immer mehr durchzusetzen. Alles verstehen, alles verzeihen und ja nicht strafen, hieß ab nun das Motto. Wie soll ein junger Mensch erlernen, dass gesellschaftliches Zusammenleben gewissen Regeln unterworfen sein muss, wenn es für kein Fehlerverhalten mehr Konsequenzen gibt?

In einer Welt, in der sich Materialismus und Egoismus immer mehr ausprägen, bleibt nur wenig Platz für Kinder. Beide Elternteile gehen ihrem Beruf nach. Dann wird in den Supermarkt gehetzt, das Haus sauber gehalten, die Wäsche muss gewaschen und gebügelt werden. Endlich, spät am Abend, bleibt etwas Zeit, um sich vor dem Fernseher zu entspannen. Und wo bleibt das Familienleben? Kann es für die geistige Entwicklung unserer Kinder wirklich gut sein, mehr unter dem Einfluss von Spielfilmen, Werbespots und Videospielen zu stehen als unter dem der eigenen Eltern? Und nicht immer läuft alles so amüsant ab wie im Film, wenn „Kevin allein zu Haus“ ist.

Seit vier Jahrzehnten basteln Experten an neuen Erziehungsmethoden. Gleichzeitig wurde der Aufgabe, sich um die eigene Familie zu kümmern, jeder Respekt entzogen. Zur Selbstverwirklichung der Frauen, wie man so gerne sagt. Das, ebenfalls im gleichen Zeitraum über uns hereingebrochene, Informationszeitalter brachte eine Flut von Eindrücken mit sich, die das Weltbild Heranwachsender prägen, und zwar fern der Realität, abseits des täglichen Lebens. Spitzensportler, mit allen negativen Begleiterscheinungen auf die Gesundheit, von Doping gar nicht zu reden, wurden ebenso zu den großen Idolen wie die Stars aus der Unterhaltungsbranche mit all ihren publicityträchtigen Eskapaden.

Geld wurde, und das liegt schon länger zurück, vom Tauschmittel zum Instrument der Vermögensbildung erhoben, indem man es „arbeiten“ lässt. Geldinstitute ebenso wie die reinen Spekulationsinstrumente, die „Hedgefonds“ genannt werden, jonglieren mit unzähligen Milliarden im großen Casino der Märkte, wetten auf steigende Preise von praktisch allem, sogar von Lebensmitteln, und treiben dadurch die Lebenshaltungskosten regelmäßig in die Höhe. Das einzige Ideal, das junge Menschen heute noch vor sich sehen, ist Ruhm und Reichtum. Doch beides kann immer nur Wenigen beschert werden. Woran darf der Rest noch glauben? Was für einen Lebenssinn kann die Jugend darin erkennen, dazu verdammt zu sein, immer bloß den Zusehern anzugehören?

Ich fürchte, der Nachwuchs sucht vergebens nach Vorbildern, die einen Weg in eine lebenswerte Zukunft weisen können.

Jetzt finden wir uns in einer Situation, in der eine ganze Generation nicht mehr gelernt hat, dass jedes Zusammenleben auf gegenseitigem Respekt basiert. Wir können dies den jungen Menschen, auch wenn wir selbst zu den älteren Jahrgängen zählen, dabei nicht einmal verdenken. Wir haben es zugelassen, dass neue Erziehungspraktiken angewandt wurden. Wir haben unsere Kinder über viele Stunden hinweg die Scheinwelt der Bildschirme in sich aufsaugen lassen. Wir haben ihnen ihre ersten Computer gekauft und sie mit ihren Spielen experimentieren lassen. Wir waren mit uns selbst viel zu beschäftigt, um zu erkennen, wie wichtig es gewesen wäre, unseren Kindern mehr Zeit zu schenken.

Nun stehen wir vor den Trümmern einer völlig verfehlten Familienpolitik. Kommt nach dem „Arabischen Frühling“ ein „Europäischer Winter“?

Vielleicht bleibt uns aber doch noch etwas Zeit, um darüber nachzudenken, welche Werte es sind, die wir anstreben, die wir mit gutem Gewissen auch an unseren Nachwuchs weitergeben können. Tun wir dies jedoch nicht, ungeachtet ob aus Bequemlichkeit oder aus Ignoranz, welchen Weg kann dann unsere Zivilisation noch beschreiten? Was sonst könnte eine Katastrophe noch verhindern, wenn nicht das rasche – das sehr rasche – Erkennen jener menschlichen Werte, auf denen sich unsere Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg zu dem entwickelt hat, auf das wir von wenigen Jahrzehnten noch stolz sein konnten?

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