Freitag , 29 März 2024
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„Mein Name ist Sabine Müller – was kann ich für Sie tun?“

call_center_agentSo flötet mir eine monoton freundliche Stimme ins Ohr. In der einen Hand das Telefon und in der anderen den Zettel, mit den vermutlich für die kommenden Minuten relevanten Daten, befinde ich mich gerade in der Absicht mein Glück zu versuchen. Eingedenk der Tatsache, dass ich hier mittels einer relativ teuren Telefonverbindung kommuniziere, bin ich vorbereitet: Kundennummer, Produktbezeichnung, Seriennummer, Kaufdatum und natürlich eine stichwortartige Zusammenfassung meines ursächlichen Problems, habe ich mir vorsorglich notiert.

„Es geht um das seitens Ihrer Firma gelieferte EHO 1001C WLAN Modem O260. Es funktioniert nicht, und ich benötige einen Service“, lautet meine zuvor festgelegte Antwort. „Können Sie mir diesbezüglich weiterhelfen?“ Mein Blick ist fest auf den Spickzettel gerichtet. „Haben Sie Ihre UBH Nummer und die FIP Teilenummer parat?“ Das geben die Notizen auf meinem Zettel nicht her. Mit diesen Fragen habe ich real nicht gerechnet. Sabine Müller hingegen schon. „Notfalls geht es auch über die sechsstellige WP Bestellnummer, sie befindet sich auf der Rückseite des Geräts.“ Mein Problem scheint zu expandieren. „Das Gerät ist doch fest auf die Wand montiert, ergo komme ich momentan an die geforderte Nummer nicht ran. Können wir auf diese Angaben wirklich nicht verzichten?“ „Moment. Bleiben Sie dran. Ich verbinde weiter.“ Sabine Müller kann nichts für mich tun. Nicht das Geringste.

Die Weiterschaltung warte ich nicht ab. Nunmehr um die Erkenntnis reicher, dass ich doch nicht so gut vorbereitet bin, wie ich noch bis vor wenigen Sekunden dachte, lege ich auf. Welche Nummern werden gefordert? Wenigstens das hätte ich noch schnell erfragen sollen. Wie auch immer, nun ist es zu spät. Sie gefällt mir ganz und gar nicht, diese Form der Kommunikation, wenn man diese Bezeichnung für das, was einem da geboten wird, überhaupt wählen darf. Das kenne ich noch anders. Ganz anders. Es ist noch gar nicht mal so lange her, da rief der Kunde per Telefon im Sekretariat einer Firma an, und teilte dergestalt den Inhalt seiner gewünschten Serviceleistung mit. Wurde die getroffene Verabredung nicht zufriedenstellend bearbeitet, dann wurde erneut miteinander gesprochen, und entsprechend gehandelt. Mit der einen oder anderen Problemstellung einhergehend, verfügte man über gütliche Möglichkeiten der Verständigung.

Heute erreicht der Kunde über eine 0180er Hotline-Telefonnummer irgend ein Call Dispatch, das sich in irgend einem Teil unseres Erdenrunds befindet, und versucht sein Anliegen gegenüber irgend einer, in aller Regel nicht fachkundigen Person, zu formulieren. Klappt jene so anberaumte Transaktion im Ergebnis nicht, so wendet sich der zwangsweise unzufriedene Kunde erneut an das Call Dispatch, erreicht entweder niemanden, oder zumindest nicht den ursprünglichen Gesprächspartner, und artikuliert nochmals sein Problem. Das Nichterreichen wird mit einem Anrufbeantworter überbrückt, der so etwas wie ‚Beethovens 9. auf dem Xylophon‘ im Angebot hat. Intern wird der Vorgang, zusammen mit ähnlichen Fällen, zwischenzeitlich von einem Supervisor aufgenommen, und im Rahmen eines Jour Fix an einen 4th Level Manager weitergereicht, der umgehend ein Eskalationsprozedere einleitet.

Das besagte Problem des Kunden (hier: Endverbraucher) ist und wird natürlich nicht erledigt. Und nicht nur das, es befindet sich auch längst nicht mehr in den Erinnerungsgemächern der Firmenleitung. Nein. Letzteres ist nämlich allein schon deshalb nicht möglich, weil es stets und ständig mit den internen Abläufen kollidiert, sich ergo eindeutig als nicht systemkompatibel – ergo als Störfaktor erweist. Dessen ungeachtet ist in dem Zusammenhang vielleicht noch erwähnenswert, dass jene Manager selbstverständlich stets und ständig an dem Stand der Customer-User-Zufriedenheit interessiert sind (und hier nun stehen die Großhändler im Mittelpunkt), und so sollte es niemanden wundern, dass für diesen Kreis in regelmäßigen Abständen ein User Meeting anberaumt wird, bei dem dann diese Händler den für diesen Bereich zuständigen Account Managern ein Feedback geben.

Indes installiert im Rahmen einer Brainstorming Telefon-Konferenz der 1st Level Manager des Konsortiums einen Arbeitskreis, der sich ohne Delay Time um die neuen Hochglanz- Werbeprospekte mit der klingenden Überschrift ‚One-face-to-the-customer‘ kümmern soll – um es mal etwas überspitzt auszudrücken. Was letztlich dabei herauskommt, ja das behauptet sich dann stur steif im Vordergrund: „Guten Tag und herzlich willkommen bei …“ „Bitte halten Sie Ihre Kunden- oder Vertragsnummer bereit.“ „Sie können das folgende Menü … Wenn Sie mit der Tonwahl arbeiten möchten, drücken Sie bitte jetzt eine beliebige Taste auf Ihrem Telefon.“ „Haben Sie eine Frage bezüglich … dann drücken Sie die 1.“ „Haben Sie eine Frage bezüglich … dann drücken Sie die 2.“ „Leider sind zurzeit alle Leitungen besetzt.“ „Der nächste freie Mitarbeiter wird Sie gerne bedienen.“ „Mein Name ist … was kann ich für Sie tun?“

Nein, diese Sabine Müllers, die können im Ansatz nicht das Geringste für den hilfesuchenden Anrufer tun. Zumeist erweisen sich jene Anlaufstellen einerseits so ahnungslos wie ein Meter Feldweg aus der Oberammergauer Gebirgslandschaft, und andererseits eher als Hürden denn als Brücken. Klar, auch an dieser Stelle bestätigt die rühmliche Ausnahme die desillusionierende Regel. Aber, meine Gedanken entfernen sich von der eigentlichen Problemstellung, ich schweife ab. So, nun aber das EHO 1001C WLAN O260 von der Wand schrauben, die sechsstellige WP Nummer notieren, und dann erneut über das Call Dispatch …

© Peter Oebel

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