Schon gemerkt, Weihnachten steht vor der Tür, auch für Sie. In diesem Jahr ist dies eine besonders spannende Veranstaltung, denken wir nur an die politische Lage. Tja, wir haben wohl einen Koffer voller Probleme. Sobald wir uns an den Koffer machen, machen wir uns schon verdächtig. Der Verdacht reduziert sich nicht nur auf das Hantieren mit Schwarzpulver oder mit konspirativer Kommunikation, nein – das fängt schon beim Weihnachtsbaum an. Dem Herrn, sein Kind wird uns demnächst zum wiederholten Mal besuchen, steht eine Überraschung hinsichtlich des gewohnten Baumes bevor. Unsere Regierung kämpft mit Gesetzen und Rechtsverordnungen nicht nur gegen die Reichstagorientierung der mit Koffern bepackten Terroristen, diese Regierung sorgt auch für den richtigen Weihnachtsbaum.
Diese Geschichte gilt es aufzudecken, zu dokumentieren. Tapfer, so bin ich, habe ich auf Deckadressen oder falsche Namen verzichtet. Sollte in den nächsten Jahren nichts mehr von mir zu lesen sein, dann bin ich im Urlaub – auf Kuba. Für die dann notwendige Unterstützung hat der Verlag ein Spendenkonto eingerichtet, aber das ist ja wohl schon bekannt. Jetzt zur Aufdeckung des Skandals um die Weihnachtsbäume im Südwesten dieser Republik.
Nein, eigentlich ist dies keine Satire. Man könnte es für eine Mischung aus Report und Kommentar halten. Zu kompliziert? Gut, ich erkläre es noch mal.
Also, wie in den meisten meiner Geschichten ist der Auslöser für jene entweder ein Erlebnis oder etwas, was mir zum Lesen vor die Augen kam. Dieses Mal war es etwas zu lesen. Und als ich es gelesen hatte, da war mir klar, dass es eine Geschichte geben würde. Und an einem Mittag beim Rasenmähen ist mir diese Geschichte dann eingefallen. Der Kern war eine Notiz im amtlichen Teil des Wochenblattes meiner Heimatgemeinde. Diese ist Teil einer Verbandsgemeinde, welche für die Verwaltung, und was man dafür hält, zuständig ist. Da mir daran gelegen ist, weiter friedlich hier zu leben, werde ich den Namen der Verbandsgemeinde natürlich nicht nennen. Nur soviel sei verraten, der Name fängt an mit Bad B, und er endet mit ergzabern. Mehr Hinweise darf ich leider nicht geben.
Entlang unserer Hauptstraße in Kapellen-Drusweiler, der Straße nach Bad B., wurde ein neues Baugebiet erschlossen. Die Menschen taten dann etwas, was sie meist in Neubaugebieten tun: Sie bauten neu. In kurzer Zeit standen schmucke neue Häuser, die meisten von lieben Menschen bewohnt. Natürlich begannen diese fleißigen Menschen flugs damit, die zum jeweiligen Haus gehörenden Grundstücke in neue schmucke Gärten zu verwandeln. In einer anderen Geschichte habe ich geschildert, welche freudenspendenden Erlebnisse mit einem Garten verbunden sind. Entsprechend gestimmt und gelaunt verfolgte ich das Werden der Grünanlagen. Die Freude war durchaus ernst gemeint, da ich selbst mit dem Anlegen der Grünflächen nichts zu tun hatte.
Jetzt kommt die Verbandsgemeinde aus Bad B. ins Spiel. Im Amtsblatt wies man die ahnungslosen Neubürger darauf hin, dass man natürlich eine Pflanzverordnung erlassen habe, einschließlich Pflanzliste. Diese sei erstens einzusehen und schlussendlich einzuhalten. Andererseits wäre das Ignorieren der Pflanzverordnung selbstredend eine Ordnungswidrigkeit, welche die Härte eines Strafbescheides zur Folge hätte.
Besonders wurde darauf hinverwiesen, dass das Pflanzen von Nadelgehölz grundsätzlich verboten sei. Diese Art von Bäumen sei nicht landschaftstypisch, basta. Besagte Stelle im Amtsblatt musste ich zwei Mal lesen. Der Beamte, welcher für die Verordnung zuständig war, er hatte Recht. Meine Heimatgemeinde Kapellen-Drusweiler liegt am Fuße des Pfälzer Waldes und nicht weit vom Bienwald, einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands entfernt. Im Bienwald und im Pfälzer Wald beträgt der Anteil der Nadelhölzer nicht ganz 50 Prozent, also sind diese Bäume nicht typisch für unseren Landstrich.
Soweit die sachliche und meistens objektive Berichterstattung zu diesem wichtigen Verwaltungsakt. Ein Blick in die Baupläne unseres kleinen Reihenhauses genügte, um festzustellen, dass es sich bei meiner Frau und mir um ein Paar von Ordnungswidrigkeitenbegehern handelt. Auch uns hatte man vor langer Zeit untersagt, Nadelgehölze zu pflanzen. Und eines der verpflanzten Objekte ist, um es vorsichtig auszudrücken, eindeutig nicht eindeutig ein Laubgehölz. Die Geschichte ließ mir keine Ruhe. Ich begann, heimlich und konspirativ meine Nachbarn auszufragen. Mein Freund Otto berichtete über seine Erfahrungen. An der Grundstückskante zu einer Obstplantage hin hatte er einen Apfelbaum gepflanzt. Dieser fühlte sich recht wohl an seinem Platz, da er schnell Freundschaft mit den Apfelbäumen der Obstplantage geschlossen hatte.
Dummerweise waren Apfelbäume in der Pflanzverordnung nicht aufgeführt und somit nicht zugelassen. Otto wurde schriftlich aufgefordert, den Baum sofort zu entfernen. Er hat sich geweigert. Die Konsequenz war eine Hausdurchsuchung, beziehungsweise eine Ortsbegehung. Der Erlass zur Entfernung des Apfelbaums wurde nach der Begehung schriftlich bestätigt. Konsequenzen wurden angedroht, weil Otto nämlich ebenfalls ein Ordnungwidrigkeitenbegeher geworden war. Er hat sich geweigert und auf den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz verwiesen, der Bescheid wurde aufgehoben.
Ich habe lange über die Pflanzverordnung und die Pflanzverordnungserlasser und -beschliesser nachgedacht. Da die Ausbildungswege und Anforderungen für einen derart verantwortlichen Posten in der deutschen Verwaltung im Allgemeinen nicht gering sind, ist davon auszugehen, dass die handelnden Personen die höhere Baumschule besucht und abgeschlossen haben. An der notwendigen Erfahrung und dem entsprechenden Fachwissen scheint es nicht zu mangeln. Auch die Gründe für den Erlass einer Pflanzverordnung liegen auf der Hand.
Wo kämen wir hin in diesem Land, wenn die Bürger frei entscheiden dürften, welche Pflanzen und Bäume sie in ihrem Garten pflanzen? Ich sage nur ein Wort: Öko-Anarchie, Pfui Teufel.
Gott sei Dank haben die Beamten der Verbandsgemeinde erkannt, dass der Gestaltungsspielraum der Bürgerinnen und Bürger nicht akzeptiert werden kann, schon aus grundsätzlichen Erwägungen – und weil dies schon immer so war. Es handelt sich nämlich nicht um einen Gestaltungsspielraum, sondern um eine Regelungslücke – zumindest bis zum Erlass der Pflanzverordnung.
Froh und glücklich bin ich, dass man bemüht ist, mich, meine Frau, die Nachbarn und die Landschaft auf dem Pfad der Tugend zu halten. Nieder mit den Nadelbäumen und dem anderen nicht landschaftstypischen Gelumpe. Selbstredend hatte ich in der Zwischenzeit das subversive Gewächs von unserem Grundstück entfernt. In einer dunklen Nacht habe ich es zuerst ausgegraben und dann bei einem Nachbarn, der mir seit vielen Jahren unsympathisch ist, weil sein Hund unseren Garten für einen Hundeklo hält, an dessen Grundstückskante wieder eingegraben.
Als treuer Staatsbürger beschloss ich nun, meine Zeit und Kraft der Überwachung einer korrekten Durchführung der Pflanzverordnung zu widmen.
Auf der Gemarkung der Gemeinde habe ich auf eindeutig nachweisbaren, unterschiedlichen und privaten Grundstücken und Gärten zwei Obstbäume festgestellt, ferner fand ich an verschiedenen Häusern Kiwi-Pflanzen und Feigenbäume. Entsetzt musste ich registrieren, dass eine andere Abteilung der Verwaltung, nämlich das Tourismusbüro, mit eben diesen Kiwis und Feigen in unterschiedlichsten Prospekten und Broschüren Werbung treibt. Noch schlimmer, man hat in diesen Blättern die schöne Südpfalz als die Toskana Deutschlands bezeichnet. Jeder weiß doch, dass dieser ungepflegte Landstrich in Italien geradezu mit Nadelhölzern überwuchert ist.
Diverses fremdländisches Gestrüpp wie Olivenbäume und Palmen musste ich auf mehreren Terrassen zur Kenntnis nehmen, es gelang mir sogar, eines der Hölzer als einen afrikanischen Affenbrotbaum zu identifizieren. Nur so viel sei verraten, er steht in einem Garten in unmittelbarer Nähe des Rathauses in Bad B. Um das Rathaus herum zählte ich 17 Tannen! Mein Grausen und mein Zorn über diese wuchernde Gesetzlosigkeit sind nicht zu beschreiben. Es wird Anzeigen hageln, verlassen Sie sich darauf.
Am schrecklichsten war aber die Entdeckung, dass diverse anarchistische Umtriebe und Tendenzen auch in der hiesigen Stadtgärtnerei festzustellen sind. In der Fußgängerzone in Bad B. sollen städtische Blumenkübel gesichtet worden sein, in denen Palmen wachsen. Meines Erachtens ist dies ein Fall für den Verfassungsschutz.
Dank meiner Hilfe gelang es, einen Großteil der sogenannten Öko-Szene auszutrocknen. Meiner Aufmerksamkeit ist es zu verdanken, dass es dem MEK mit dem Tarnnamen „Tannentod“ gelang, einen Dealer zu verhaften, der die halbe Südpfalz mit nicht pflanzenlistenkonformer Ware versorgt haben soll. Er hatte sich äußerst raffiniert und verschlagen mit unglaublicher krimineller Energie und Kreativität als Gärtner mit eigenem Betrieb getarnt. Sogar an die Stadt Bad B. soll er geliefert haben. Der Spuk hat nun, Gott sei Dank, ein Ende.
Nächste Woche werde ich meinen nächsten Coup landen. Sämtliche Geschäftsführer von Bau- und Gartenmärkten werden angezeigt. Alle, wirklich alle, haben ohne irgendwelche Skrupel offen in ihren sogenannten Gartenmärkten mit der verbotenen Ware gehandelt. Wenn es mir weiter gelänge, mit Hilfe der Pamina die französischen Behörden in Alarmbereitschaft zu versetzen, auch die Nadelholz-Banden jenseits der Grenze würden ausgehoben. Dann wäre endlich Ruhe.
Irgendwann wird es die Gemeindeverwaltung geschafft haben, Nadelgehölze in der Südpfalz werden aufhören zu existieren. In den Schulbüchern wird man keine Hinweise oder Abbildungen finden, die Lexika und Fachbücher sind dann gereinigt. Auch entsprechende Seiten im Internet sind nicht mehr zugänglich. An Weihnachten haben die wackeren Rechtsbewahrer selbstverständlich auch gedacht. Im Landkreis, besonders natürlich in Bad B., dürfen ab diesem Jahr nur noch Weihnachtsbirken verkauft werden. Es soll sogar schon Blaubirken geben, und auch Nordmannbirken. Diese sind aus Erfahrung etwas teurer als die ordinäre deutsche Birke. Schönheit hat eben ihren Preis.
Sollte die Überwachung der Bepflanzung von Ziergärten nicht mehr notwendig ein, an Arbeit wird es dem Rathaus nicht mangeln. So kann man auch Schlafzimmer-Einrichtungen normieren, den Schokoladenverbrauch reglementieren oder die Kuss-Gewohnheiten der ortsansässigen Bevölkerung normieren. Eine bestens ausgestattete Schlafzimmermöbel-Überwachungsbehörde kann ich mir in dieser Stadt durchaus vorstellen.
Da zu befürchten ist, dass solche Pläne schon in der Schublade liegen, deshalb Leute, pflanzt Nadelbäume – viel und schnell und immer wieder.
© Peter Reuter