Freitag , 29 März 2024
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Marxismus, Marketing & Märchen – All Inklusive

hausfront_verspiegeltEs scheint als würden die Deutschen gesellschaftskritisch. Ein Licht am Ende des Tunnels von Ausbeutung, Manipulation, Korruption und politischer Lächerlichkeit: Auch die Medien werden kritischer. Wir erwarten keine Heilsversprechen oder Marketing-Märchen, sondern simple Wahrheiten. Wird die vierte Gewalt wieder gewaltig? „Träum‘ weiter!“, wenn Du verhältnismäßig zufrieden bleiben willst. Ansonsten musst Du Dich mit Deinem Sein, Deiner Freiheit konfrontieren. Davor haben schon viele Schriftsteller, Philosophen oder Science-Fiction-Autoren gewarnt: Wer frei sein will, muss einen Preis zahlen – sei es der Kampf mit der Gesellschaft, und schlimmer noch: der Kampf mit sich selbst. Dem Ego, der Einsicht, nur ein Teil des Ganzen zu sein, dass man als Sisyphos nur den Fels den Berg hinaufstemmen muss.

Um die natürlich-menschliche Krise zu verhindern, helfen uns Marketing-Experten heutzutage. Sie setzen dort an, wo frühere Religionen und Doktrin gescheitert sind: Im Inneren. Der Drang zur „Selbstverwirklichung“ wird aktiviert. (Dieser Begriff ist pervertiert, wie der Begriff Demokratie heute.) Früher war das Dasein als Sklave kein Geheimnis: Es war salonfähig. Bis die Sklaven erkannten, dass sie in der Überzahl waren. Selbst in der Oktoberrevolution 1917 galt das Prinzip: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!“ Der Starke Arm hatte leider kein vernetztes Gehirn. Was folgte, war Zynismus pur – wie in der heiligen Kirche.

Der Kapitalismus ist ebenso zynisch wie alles andere vor ihm. Seine Akteure wissen, wie jene aller Gesellschaftsformen vor ihm, was ihm schadet: Die Erkenntnis des Einzelnen, dass Sklaverei in der Moderne nicht abgelöst wurde. Eine Weile gelang es gut, die Massen ohne Propaganda bei Laune zu halten: Als es Aufschwung gab, soziale Strukturen und Ausbeutung Dritter. Wer bei dem Begriff „Gesellschaftsform“ ins Stocken geraten ist, dem sei versichert, dass dieser Begriff bewusst gewählt wurde. Korrekt muss man sagen: Es ist eine kapitalistische Aristokratie, die sich die Volksherrschaft zur Deckung nimmt. Es geht hier nicht um Verschwörungstheorien: Die aristokratische Gruppe ist dynamisch – sie besteht aus einem Unternehmens-Politiker-Gespann und sie hat damit wechselnde Gesichter.

Das Dogma vom Wachstum wird heutzutage bemüht, aber es zieht kaum noch. Wir können dem angeschlagenen System helfen, indem wir konsumieren und investieren. Kapitalismus ist ein Fahrrad, das sich auf einem Laufband in entgegengesetzter Richtung bewegt. Nur dass das Laufband ständig beschleunigt. Das Fahrrad muss immer schneller rollen, damit es nicht umfällt. Erfreulich, zu sehen, wie die Medien inzwischen immer kritischer werden, wie die Deutschen Zweifel am Wachstumsdogma hegen und andere Werte zurückkehren, die außerhalb unumschränkten Konsumdenkens liegen. Der Deutsche zweifelt, ob er sich seine Sorglosigkeit in Zukunft noch mittels schnödem Mammon erkaufen kann. Geld wird nämlich knapp. Er fragt sich, ob es nicht doch jenseits der Tretmühle (s.a. Fahrrad) eine Möglichkeit gibt, zu leben. Leben im Sinne von Glücklich-Sein auf eine alternative Weise.

Das Kapital hilft noch eine Weile, den Zynismus des aktuellen Systems zu verwischen, jedoch hört der Kampf um den Status quo nicht per se auf. Kapitalismus bedient sich alter Klischees, die schon immer funktioniert haben: panem et circensis. Das wird er in Zukunft verschärft tun. Es werden auf Seiten seiner Gegner Dogmen mit anti-kapitalistischer Intonation gelten, welche die Kapitalisten – die sich als Vertreter des großen Liberalismus brüsten werden – bekämpfen. Es wird heißen: ‚Lasst Euch nicht zum Glauben bekehren und an der Nase herumführen! Wir hatten das schon! Der Papst, Stalin, die modernen Regimes, Verschwörungstheoretiker, arme Irre…‘ etc.

Noch aber ist es nicht soweit: Wir müssen noch ein wenig Gehirnwäsche der seichten – und doch gewichtigen Art – über uns ergehen lassen. Beispiele? Hier:

Sie haben es sich verdient!

Das ist ein Spruch, meine Damen und Herren, der in vielen anderen Varianten auftaucht. Zum Beispiel: ‚Weil ich es mir wert bin!‘ oder ‚Da werden Sie geholfen!‘

Auch wenn man diese Slogans unmittelbar ihrem Zweck – der Produktwerbung – zuordnen kann, sieht man hier, wie mit Problem und Sorgen der Menschen gespielt wird. Mal vom Stress und dem grauen Alltag abschalten. Letztlich bedeuten diese Aussagen in ihrer Essenz: ‚Zerbrich‘ Dir nicht Deinen schönen Kopf! Iss, trink, wasche und kopuliere lieber!‘ Diese Botschaft ist bezeichnend für die Zerstreuung auf der Ebene des ‚Lifestyles‘. Aber sie steht auf wackeligen Füßen, denn ihr Inhalt ist abhängig von einer Möglichkeit des Luxus. Sie setzt eine etablierte Mittelschicht voraus – mit Ersparnissen. Und sie ist zum Teil so archaisch wie die Gehirne ihrer Adressaten. Da muss das System des Konsums schon mehr bieten als das. Zum Beispiel Talkshows. Ähnliches Niveau aber dafür eindringlich und kreischend; so dramatisch und anziehend wie Verkehrsunfälle: Wenn man erst mal drin verwickelt ist, kann man nicht wegsehen. Das ist verzwickt. Aber was interessant daran ist: In ‚Talkshows‘ zollen die ‚Talkmaster‘ ihren Gästen seriöse Aufmerksamkeit. So, als würden sie die Probleme ihrer Belustigungssubjekte interessieren. Aber eines sollte man sich im Kopf zergehen lassen: Was, wenn einer der Spinner tatsächlich ernste gesellschaftliche Probleme hat (nämlich die gleichen wie seine Zuschauer)? Oder wenn er ein Prophet ist? Kann man ja nie wissen. Das Publikum hat recht: Wenn’s soweit ist, werden wir sehen. Man sitzt auf den Rängen, die Spastis im Rampenlicht. Lachen wir erst mal herzhaft drüber!

Deine Familie ist Dein Glück!

Eher subtil, aber alles durchsetzend. Hollywood war ein erfolgreicher Prototyp in kapitalistischer PR. Wir haben Dramen, Comedy, Action, Abenteuer… Die Genres unterscheiden sich im Anspruch – nicht in der Botschaft: Sei Du selbst, aber bedenke, dass wer hoch fliegt, auch tief fallen kann. Am Ende landet man in den Armen seiner Lieben: der Geliebten und letztlich der Familie. Das beruhigende Bild von grünem Rasen, frischen oder vergilbten Erinnerungen und lachenden Kindern hebt das ruhige und geordnete Leben hervor, letztliches Ziel allen Daseins. Auch der Einzelgänger im Film sehnt sich danach. In Action-Reißern strebt der Held vom Chaos weg und wird gezähmt. Andernfalls entwickelt sich der Film zum Drama: Das fabrizierte Chaos ist heillos, tragisch, das Ende offen. Der Zuschauer hofft, dass der Held zur Ruhe kommt, sich aus dem Wahnsinn, in den er sich manövriert hat, befreit.

Wichtig dabei: Man predigt Bescheidenheit. Etwas, das die Kirche schon getan hat. Geld und Besitztümer sind wertlos im Vergleich zu den ‚wahren Werten‘. Stimmt! Aber man sollte genau hinschauen, was einem als „wahrer Wert“ verkauft wird!

Hier haben wir ein Phänomen des trickreichen Vorgehens von Marketing: Es werden Klischees aufgebaut, angekratzt und wiederverwendet. Es heißt: „Bitte! Begib Dich auf den Pfad der Erkenntnis. Rebelliere und suche Erleuchtung. Niemand wird Dich hindern! Und wenn Du dann erschöpft zurückkehrst, ausgelaugt, unglücklich, dann gibt es hier weiche Sessel und Therapieangebote.“

Apropos Rebellion: Unter Jugendlichen zieht die Familienmasche nicht. Aber die haben ja noch Zeit, „sich selbst zu finden.“ Die bekommen noch eine Weile das Image des jungen Wilden vorgesetzt, der ganz Anti ist – mit iPhone und zerrissenen Jeans. Oder, wenn alle zerrissene Jeans und iPhones herumtragen, dann eben Lederhose und Retro-Handy. Das Lebensgefühl wird in jedem Fall so vermittelt, dass jeder ausrufen will: Herrlich, ein nonkonformistischer Markenjeans-Träger zu sein!

Du musst nicht als Sklave arbeiten!

Richtig gut; sogar die wichtigste ‚Marketing-Message‘ überhaupt: Wenn der Held in einem ‚Cubicle‘ arbeitet, mit angepisstem, widerlichem Chef, schafft er den Befreiungsschlag und wird sein eigener Held. Wir empfinden den Ausbruch aus dem System als heilsam. Aber: Entweder wird der Held sterben am Ende, weil er durchgedreht ist („American Beauty“, „Falling Down“, etc.) oder er wird ein Superheld – was die Story unsinnig macht („Wanted“). Die Moral jeder dieser Geschichten ist: Man will Ruhe finden. Ein kleines Haus mit Garten, die große Liebe… etc. pp. Wir hatten es schon mit dem Stichwort „Bescheidenheit“.

Das Gefühl der eigenen Wahlmöglichkeit muss in jedem Fall aufrechterhalten werden. Dazu gehört insbesondere die permanente Erinnerung an die Möglichkeit der Abgrenzung von der tumben Masse. Das Problem der Jugendlichen auf die Mittelalterlichen in der Gesellschaft projiziert. Die Renter haben eh nix zu sagen.

Du bestimmst mit im politischen Prozess!

Ja genau! Wenn es eine Misere gibt, dann können Sie das ändern! Es fällt mir schwer, es zu schreiben: Demokratie, das Schwert des kleinen Mannes und der großen Armeen. Die gerechteste Herrschaftsform, die gar keine ist, weil ja jeder herrscht! Die Entschuldigung für Ressourcen-Kriege – ähm, nein: „bewaffneter Konflikte“. Hier haben wir ein Tantra, das es in sich hat: Politische Mitbestimmung wurde hart erkämpft! So lautet die Sage. Das ist ganz bestimmt die Wahrheit, doch es ist lange her. Seitdem haben Generationen von Politikern die jeweils erste Riege abgelöst. Fragen Sie sich selbst: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der zweite Nachfolger im Amt denselben Werten verpflichtet war wie sein Vorgänger? Schweigen wir uns über die nächsten Generationen aus, die von gut situierten „Institutionen“ wie BASF (http://www.spreeblick.com/2007/05/04/die-erfinder-von-helmut-kohl/ )in Deutschland oder EXXON (http://assimilatedpress.blogspot.com/2008/06/exxon-mobil-names-president-bush.html) in den USA gesponsert wurden.

Bleiben wir in Deutschland: Es verlautete im Jahre 2001 AD eine Nachricht von der Schröder-Regierung, wonach die Regelungsdichte in Deutschland vermindert werden solle. Hehrer Plan mit dem Resultat, dass am Ende der Regierungszeit an die 2.700 Verordnungen hinzugekommen sind. Oder nehmen wir das Steuerrecht… oder lassen wir das: Sie sollten wissen, worauf ich hinaus will. Wenn man im demokratischen politischen Prozess schon Transparenz haben muss, dann bitte so kompliziert, dass es den Otto-Normal Verbraucher nicht interessiert. Wenn wir heute überhaupt noch von Demokratie reden, dann von mittelbarer und (so darf man es eigentlich nicht nennen) verschleierter Demokratie. In trübem Wasser lässt sich schwer fischen. Wenn dann aber jemand wie Julian Assange auftaucht, um den Stöpsel zu ziehen, ist das Spektakel groß.

Nehmen wir an, der Mythos Demokratie lebt tatsächlich noch: Kontrollieren Sie tatsächlich, was die Politik aus-/anrichtet, wenn Sie gar nicht wissen oder wissen wollen, was eigentlich von Statten geht?

Du kannst es schaffen!

Erlösung! Dieser Spruch ist tragende Säule des Laissez-faire Kapitalismus. Du kannst es schaffen! – vom Tellerwäscher zu Millionär. Vom Lastwagen-Fahrer zum Unternehmer. Vom Politiker zum Philosophen … und so weiter. Sind Sie schon zynisch genug, um jetzt abzuwinken? Nicht doch! Wichtig ist der Unterton dieses hoffnungsbeladenen Duktus: Jede Scheiß-Situation ist nicht aussichtlos. Wenn man nur die Freiheit hat. Welche? Wie wäre es mit der Freiheit, Geld zu verdienen oder stattdessen unter einem Baum über „die Wahrheit“ zu meditieren. Lieber Geld? Man muss nur etwas wagen, erst mal investieren, dann kann es geschehen: Man gewinnt! Erst mal richtig kräftig mitstrampeln, das Rad zum Drehen bringen und dann schauen wir uns mal um, was draus geworden ist.

Kapitalistisches Marketing ist natürlich nicht so naiv, die Möglichkeit des Millionär-Seins in Aussicht zu stellen, ohne diese durch ein Sternchen und kleiner Fußnote außer Gewähr zu stellen. Man garantiert nicht, dass man das Rad einmal anhalten kann, wenn man erst darin am Laufen ist.

Das Gesagte ist nichts Neues. Vor hundert(en) von Jahren gab es ähnliche Überlegungen und fortschrittliche Erkenntnisse: Nietzsche, Marx, Berdyaev sind nur einige Namen, die erwähnt werden müssen. Ob es die fatalistische Heraufdämmerung einer neuen „Massenmoral“ (Nietzsche) ist, die moderne Versklavung „zum Takt der Maschinen“ (Berdyaev) oder Marx (Suchen Sie sich irgendwas aus), der wieder in Mode gekommen ist.

Wir sollen uns nicht den Kopf darüber zerbrechen, was das Leben lebenswert macht. Dafür haben wir die große Therapie des Marketings. Die Liste seiner Strategien lässt sich endlos fortführen – mehr oder minder spaßig. Wie auch immer: Niemand von uns ist gefeit vor solch brutaler Einprügelung der großen Zerstreuung. Doch kämpfen Sie weiter dagegen an! Und abschließend noch eine kleine Übung zur Selbstkontrolle: Versuchen Sie den folgenden Satz NICHT weiterzudenken: ‚Nichts ist unmöglich…‘

Ein Beitrag von Marco Siebert

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